Kirchliche Integrationsbeauftragte: „Abschiebungen keine Sicherheit“
Berlin. – In der aktuellen Debatte um die Migrationspolitik in Deutschland warnt die Integrationsbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Dagmar Apel, eindringlich davor, Flüchtlinge pauschal unter Generalverdacht zu stellen. Sie kritisiert, dass die Diskussion zunehmend auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werde und sich die Politik von rechtspopulistischen Tendenzen beeinflussen lasse. „Es ist äußerst unerfreulich seit Wochen mitzuverfolgen, dass Partei- und Machtpolitik auf dem Rücken von Migranten ausgetragen wird, ja, dass man der AfD zum Munde redet“, erklärte Apel in einem Interview mit der Evangelischen Zeitung.
Apel betonte, dass das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Asyl nicht infrage gestellt werden dürfe. Sie unterstützt Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Haltung, an diesem Individualrecht festzuhalten. „Kanzler Scholz hat die Grundlage unseres Rechtssystems ins Gespräch gebracht und das ist auch richtig und gut so“, so Apel.
Apel beklagt Stimmung gegen Flüchtlinge
Mit Blick auf jüngste Forderungen wie die von Finanzminister Christian Lindner, Flüchtlingen finanzielle Leistungen zu streichen, betont Apel, dass solche Maßnahmen ungerecht seien und den Menschen, die vor Terror, Gewalt und Krieg geflohen sind, schaden. „Der Vorschlag bestraft alle Geflüchteten“, kritisiert Apel, „es wird ein Generalverdacht unterstellt, alle Migranten seien kriminell.“ Sie fordert, dass Geflüchtete selbst zu Wort kommen und ihre Geschichten erzählen können, um Vorurteile abzubauen. Ein Projekt, das Apel in diesem Zusammenhang positiv hervorhebt, ist „Amal, Berlin!“, eine Online-Plattform, auf der Journalist:innen aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak und der Ukraine über die deutsche Gesellschaft berichten.
Auch die Diskussionen um Abschiebungen, insbesondere in Krisengebieten wie Afghanistan und Syrien, sieht die Pfarrerin mit großer Sorge. „Syrien und Afghanistan sind unsichere Länder“, betont sie. „In Syrien herrscht immer noch Krieg und Terror und in Afghanistan werden die Menschenrechte nicht angewandt. Darum fliehen Menschen eben auch.“ Abschiebungen in solche Länder seien daher nicht zu rechtfertigen. Besonders besorgt zeigt sich Apel über die Situation der Frauen in Afghanistan, die unter dem Taliban-Regime extremen Einschränkungen unterliegen. „Vielen Frauen in Afghanistan und im Iran geht es schlecht. Sie werden komplett aus der Öffentlichkeit verdrängt“, so Apel.
Abschiebungen stellen eine Bedrohung für Flüchtlinge dar
Auch die jüngste Abschiebung von 28 Straftätern nach Afghanistan am 30. August sieht Apel kritisch. Sie betont, dass auch Straftäter Menschenrechte haben und nicht in Ländern abgeschoben werden dürfen, in denen ihnen Folter und Tod drohen. „Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan sorgen weder für mehr Sicherheit noch für Gerechtigkeit, sondern schädigen unsere Grundrechte und unser Demokratieverständnis“, argumentiert Apel.
Besonders besorgt ist Apel über die zunehmende Gefährdung des Kirchenasyls. Sie berichtet von gewaltsamen Räumungen von Kirchenasylen in Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen und betont, dass die Situation angespannt sei. „Wir führen hier in Berlin und auch in Brandenburg immer wieder Gespräche mit Vertretern der zuständigen Behörden, um Transparenz und Schutz bestmöglich zu gewährleisten“, so Apel. Trotz der steigenden Zahl von Hilfegesuchen von Flüchtlingen, die Schutz im Kirchenasyl suchen, seien die verfügbaren Plätze begrenzt.
Abschließend appelliert Apel an Gesellschaft und Politik, den Druck auf Flüchtlinge zu mindern und ihnen mit mehr Menschlichkeit zu begegnen. „Der Generalverdacht tut Millionen Menschen Unrecht“, warnt sie eindringlich.
Apels Äußerungen reihen sich ein in eine Vielzahl weiterer AfD-kritischer und migrationsfreundlicher Äußerungen. So hat die EKBO Anfang Juni die rechtlichen Voraussetzungen für den Ausschluss von AfD-Politikern aus kirchlichen Ämtern geschaffen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steht vor einer herausfordernden Mitgliederentwicklung. In den vergangenen Jahren verzeichnete die Kirche einen deutlichen Rückgang der Mitgliederzahlen. 2023 setzte sich dieser Trend fort.