Nackenschlag der Regierung gegen „nicht-linke Zivilgesellschaft“
Mit der ganz großen Keule holt die türkis-blaue Regierung gegen die Identitären aus und prüft deren Auflösung. Damit schafft sie es, gleichzeitig der nicht-linken Zivilgesellschaft ins Gesicht zu schlagen – und ihren eigenen Kritikern gehörig Wasser auf die Mühlen zu plätschern.
Kommentar von Julian Schernthaner
Wenn Sie, werter Leser, meinen, die Phrase mit der „nicht-linken Zivilgesellschaft“ sauge ich mir einfach so aus den Fingern: Nein, mit genau diesen Worten beschrieb der nunmehrige Vizekanzler Heinz-Christian Strache im Jahr 2016 die Identitäre Bewegung. Drei Jahre später trägt derselbe Mann die Einleitung eines Auflösungsverfahrens für die Gruppe ganz selbstverständlich mit. Diese Wendung ist auch deshalb so prägnant, weil sie symptomatisch für das Verhalten der Freiheitlichen in der Regierung ist.
Geltende Rechtsordnung statt privater Moralverstellungen
Völlig richtig erkannte der FPÖ-Obmann nämlich seinerzeit, dass die „geltende Rechtsordnung und nicht private Moralvorstellungen von diversen Linken“ der Maßstab für die Beurteilung der Handlungen der Identitären sei. Nun steht er eisern neben Sebastian Kurz, der gegen „gefährliche Meinungen“ mit der „vollen Härte des Gesetzes“ vorgehen will. Und zwar nicht einmal wegen irgendwelcher Handlungen der Gruppe.
Sondern wegen der Handlung eines damals völlig unbekannten Weltreisenden im Jänner 2018. Dieser überwies Martin Sellner für seine YouTube-Arbeit eine üppige Spende. Und – ähnlich wie sämtliche Geheimdienste weltweit – konnte auch der Identitären-Leiter nicht wissen, dass derselbe Mensch ein Jahr später völlig irrsinning Menschen am anderen Ende der Welt über den Haufen schießt.
Staatsanwaltschaft Graz bedient olle Kamellen
Weil Sellner aber eine gutbürgerliche Kinderstube genoss, begeht er einen folgenschweren Fehler. Er bedankt sich, wie bei jedem anderen Spender auch, beim Gönner artig mittels E-Mail. Für die Staatsanwaltschaft Graz ein Anlass, dessen Privatwohnung wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§278b StGB) auf den Kopf zu stellen.
Sie lesen richtig: es ist dieselbe Behörde, welche unlängst mit Bomben und Granaten in einem Mammutprozess scheiterte, die Identitären als „kriminelle Vereinigung“ (§278 StGB) zu brandmarken. Nach zehn Prozesstagen stand fest: Kreidespray und Spruchbänder mit Parolen des politischen Diskurses begründen noch keine Meinungsmafia. Die zweite – und letzte – Instanz bestätigte das Urteil.
Auflösungsverfahren: Geringe Aussichten auf Erfolg
Umso mehr verwundert es also, dass sich Strache zum Thema der Ermittlungen auf einen funktionierenden Rechtsstaat beruft. Denn genau dieser befand damals, dass die Kerntätigkeit der Identitären legal ist. Die Anwendung eines verwandten, aber ungleich schwerwiegenderen Rechtsguts aufgrund mangelnder Hellseherei hat deshalb nur geringe Erfolgsaussichten und kann daher erneut als „Schuhlöffel für Ermittlungen“ gelten.
Aber genau eine solche strafrechtliche Verurteilung wäre für eine Auflösung zwingend geboten. Der Wunsch missgünstiger Akteure alleine reicht – wie das Germania-Verfahren zeigte – nicht für ein Vereinsverbot. Die Vereinigungsfreiheit ist außerdem ein Menschenrecht, und diese stehen in Österreich im Verfassungsrang. Selbst kaum wohlgesonnene Verfassungsjuristen beurteilen die Grundlage dafür nicht zuletzt deshalb als ziemlich dünn.
Salamitaktik zielt letztendlich auf FPÖ ab
Was bleibt, ist also ein entblößtes ‚Fan Service‘ weißer Unterwäsche an den linken Rand, dem jede Repression gegen patriotische Kräfte nicht ungelegen kommt. Möglicherweise erhofft sich die FPÖ auch die Absolution, wenn sie sich nur scharf genug gegen vermeintliche – und wahrscheinlich zu Unrecht so titulierte – „Rechtsextreme“ abgrenzt.
Aber für Leute, für die jeder Konservatismus bereits eine Spielart des Faschismus ist, gibt es nicht genug Abgrenzung. Es geht nicht um Burschenschaften oder Identitäre. Der eigentliche Sinn dieser Salamitaktik ist es, den Freiheitlichen scheibchenweise das metapolitische Vorfeld abzugraben und sie dann durch Zutun der eigenen breiten Front an Akteuren in die Bedeutungslosigkeit zu stürzen.
Regierung pfuscht sich ins eigene Werk
Dabei ist gerade die Existenz einer „parteiunabhängigen, nicht-linken Bürgerbewegung“ (O-Ton Strache 2016) unerlässlich für eine nachhaltige Wende im Land. Wenn man nicht auf ewig will, dass etwa ein rotgefärbte Justiz eigene Maßnahmen gegen den politischen Islam kassiert, wird man eine wachsende konservativ-patriotische Zivilgesellschaft akzeptieren, goutieren und gedeihen lassen müssen.
Denn eines ist klar: Die Menschen haben für diese Regierung gestimmt, damit sich endlich etwas ändert. Nicht, damit sie mit noch größerem Eifer als ihre Vorgänger gegen unliebsame Gruppen vorgeht, welche der bröckelnden linken Deutungshoheit ein Dorn im Auge sind. Denn damit macht sie deren Arbeit – und pfuscht sich ins eigene Werk.
Nicht der Logik des Attentäters folgen!
Besonders problematisch ist die Sache aber auch, weil sich die Regierung damit – wie auch jene von Neuseeland – der Logik des Christchurch-Attentäters anschließt. Dieser schrieb in seinem Manifesto, dass er patriotische Menschen durch Marginalisierung in die Radikalisierung treiben wollte.
Damit dies nicht passiert, sollte man definitiv nicht diejenigen Gruppen beiseite schieben wollen, welche den berechtigten Zorn der Bürger in friedliche Aktionen kanalisiert. Denn die Unzufriedenheit der Bürger geht durch Repression nicht zurück – sondern endet im schlimmsten Fall in den Fängen der Gewaltbereiten. Im deutschen Sprachraum sollte man dies spätestens seit der RAF-Erfahrung eigentlich wissen.
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