Parodie als ‚Diskriminierung‘: Steht die Meinungsfreiheit auf dem Spiel?

Am Montag geriet ein Urteil aus Hamburg an die Öffentlichkeit, das ebenso befremdlich wie alarmierend ist. Mit einiger Gehirnakrobatik gelang es den Richtern dabei, aus einem leicht recherchierbaren Fakt trotz satirischer Darbietung eine ‚Diskriminierung‘ zu basteln.
Julian Schernthaner
Kommentar von
27.5.2020
/
2 Minuten Lesezeit
Parodie als ‚Diskriminierung‘: Steht die Meinungsfreiheit auf dem Spiel?

Screenshot („Laut Gedacht“): YouTube [@00:14min]

Am Montag geriet ein Urteil aus Hamburg an die Öffentlichkeit, das ebenso befremdlich wie alarmierend ist. Mit einiger Gehirnakrobatik gelang es den Richtern dabei, aus einem leicht recherchierbaren Fakt trotz satirischer Darbietung eine ‚Diskriminierung‘ zu basteln.

Kommentar von Julian Schernthaner.

Der Fall betraf einen Ausschnitt aus dem beliebten Satire-Format „Laut Gedacht“, das seit Jahren im patriotischen Lager für Furore sorgt. Wöchentlich senden Philip Thaler und Alex Malenki ihren pointierten Rückblick über die Geschehnisse in der Welt. Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Ironie und Post-Ironie begeistern die beiden YouTuber mittlerweile über 50.000 Abonnenten. Nicht zu diesem illustren Kreis gehört offensichtlich das Hanseatische Oberlandesgericht.

Parodie mit Migranten-Verwandtenehe als Auslöser

Dieses stieß sich nämlich laut EinProzent am Umstand, dass Dinge aufs Korn genommen wurden, welche die Öffentlichkeit lieber ausblenden würde. Dabei wäre Thematisierung von Missständne eigentlich genau die Berufsbeschreibung politischen Kabaretts. Betroffen ist einen Ausschnitt, der über das vermehrte Auftreten von Behinderungen in einem stark migrantisch geprägten Berliner Stadtteil witzelte. Die Humor-Künstler nahmen dabei Bezug auf vermehrte Ehen zwischen Vettern und Basen.

Mehr brauchte es nicht. Denn obwohl die Auswirkung von Ahnenschwund auf die Gesundheit der Nachkommen bekannt ist, wertete das Gericht die Aussage als Diskriminierung. Über den Geschmack des Witzes mag man streiten – über die Winkelzüge der Justiz nicht. Denn eigentlich ging es ursprünglich um eine Verletzung des Urheberrechts wegen der Nutzung eines kurzen Musikstücks. Eine solche liegt freilich bei humoristischem Einsatz nicht vor. Die Bewertung als Nicht-Parodie stellt somit eine Ausnahme zur Ausnahme dar.

Wahrheitsgehalt für Diskriminierung nicht maßgeblich

Haarsträubend ist hier die Argumentation: Denn bei der Einstufung als Diskriminierung komme es auch nicht auf den Wahrheitsgehalt einer Aussage an. Im Klartext heißt das: die humorvolle Behandlung von Missständen, ja gar die Äußerung unliebsamer Tatsachen ist künftig nicht einmal mehr zwingend Teil der besonders weit reichenden künstlerischen Freiheit. Heißt konkret: Politikerinnen im Fernsehen taxfrei als „Nazi-Schlampe“ bezeichnen geht, aber Kritik an den Nebenprodukten von Parallelgesellschaften ist tabu.

Ebenso verrückt: Die Richter argumentierten allen Ernstes auch, dass die vergleichsweise niedrigere Reichweite der Parodie hinter die Interessen des Urheberrechtsinhabers zurücktritt. In der Theorie verbietet das also jedem aufstrebenden Komiker in einem Hinterhofkabarett, sich unbotmäßig zu äußern. In der Praxis wird es vor allem dem Establishment unangenehme Meinungen betreffen. Denn Gegenöffentlichkeit und Gegenkultur beginnen per definitionem immer zuerst in einer Nische vor dem Ausbruch aus derselben.

Kunst- und Meinungsfreiheit steht auf dem Spiel

Und so viel muss auch klar sein: die Inhaber der kulturellen Hegemonie werden die Feststellungen aus diesem Verfahren nicht als einfache Urheberrechtsfrage gelten lassen. Wer einen Spitzenpolitiker als „Faschisten“ bezeichnet, weil ein Gericht ohne Prüfung des Wahrheitsgehalts dies als im Rahmen der Meinungsfreiheit zuließ, zögert auch nicht, jede Kritik an Parallelgesellschaften aus dem Diskurs zu drängen. Wer sich künftig ähnlich wie die beiden jungen Männer äußert, riskiert demnach ebenfalls den Pranger.

Alarmierend ist freilich auch, dass hier eine Doppelzange zuschlägt: Denn ernsthafte Darstellung unliebsamer Meinungen führt gern zur Zensur in sozialen Medien. Oft ohne jede Rechtsgrundlage. Solche Richtersprüche verstärken das repressive Klima, beschneiden die Meinungsfreiheit einseitig. Sie verständigen die Schieflage der öffentlichen Debatte und schaffen Räume der Unfreiheit, wo Schweigen zum Goldstandard wird. Das Urteil gegen ‚Laut Gedacht‘ ist des sogenannten „freiesten Staates auf deutschem Boden“ unwürdig.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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