PR für linksextreme Gewalttäter? Tagesschau in der Kritik
Die Tagesschau sieht sich wegen ihrer Berichterstattung über Linksextremisten, die sich den deutschen Behörden gestellt haben, mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Unter anderem ist von „Soli-PR“ und einer „koordinierten Nummer“ die Rede.
Kiel/Hamm/Köln/Bremen. – Anfang der Woche berichtete die Tagesschau unter Berufung auf Informationen von NDR und WDR, dass sich sieben Linksextremisten im Alter von 21 bis 27 Jahren den deutschen Behörden gestellt hätten. Nach Informationen von NDR und WDR geschah dies an verschiedenen Orten, darunter das Amtsgericht Kiel sowie Polizeipräsidien in Hamm, Köln und Bremen. Die Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft und könnten nach Ungarn ausgeliefert werden. An der Berichterstattung gibt es Kritik.
Angst vor Auslieferung nach Ungarn
Den sieben Personen wird von ungarischen Ermittlern und der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, im Februar 2023 Teilnehmer des jährlichen Gedenkmarsches zum „Tag der Ehre“ in Budapest angegriffen und zum Teil schwer verletzt zu haben. In der Folge ermitteln deutsche und ungarische Behörden wegen Gewaltdelikten und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Insgesamt werden 13 Deutsche und zwei Italiener verdächtigt. Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen zum Teil im Zusammenhang mit dem „Antifa Ost"-Verfahren gegen Lina E. übernommen.
Die Verdächtigen waren aus Angst vor einer Auslieferung nach Ungarn untergetaucht. Dort drohen ihnen nach Angaben der Verteidigung langjährige Haftstrafen. Rechtsanwalt Lukas Bastisch, der einen 22-jährigen Angeklagten vertritt, betonte: „Ein faires Verfahren ist unter der rechtsautoritären Regierung in Ungarn nicht gewährleistet.“ Er kritisierte zudem die ungarischen Haftbedingungen, die gegen „menschenrechtliche Mindeststandards“ verstoßen würden und forderte, die Auslieferung durch die deutschen Behörden zu verhindern.
Eine Person bereits ausgeliefern
Die Verteidigerin einer weiteren Verdächtigen, Antonia von der Behrens, schloss sich Bastischs Kritik an: „Ich werde alles dafür tun, dass meine Mandantin nicht an das rechtsautoritäre ungarische Regime ausgeliefert wird.“ Eine Auslieferung wäre in ihren Augen „grob rechtswidrig“.
Paul M., einer der Gesuchten, der sich in Kiel stellte, äußerte sich in einer vorformulierten Erklärung: „Wir stehen hier heute für die Freiheit und für das Leben. Für eine Welt ohne Faschismus und Unterdrückung. Wenn man uns dafür die Freiheit nehmen will, soll man es tun.“
Bereits die Auslieferung einer weiteren verdächtigen Person, nämlich Tobias E., der sich inzwischen Maja T. nennt, im Juni 2023 hatte für Aufsehen gesorgt. Nach einem Beschluss des Berliner Kammergerichts wurde T. noch in der Nacht nach Ungarn überstellt – trotz eines vorläufigen Verbots des Bundesverfassungsgerichts. In Ungarn drohen T. bis zu 24 Jahre Haft.
„Soli-PR“ in der Tagesschau
In den Sozialen Medien wurde die Berichterstattung der Tagesschau rund um die sieben Personen kritisiert. Ein Nutzer schrieb: „ÖRR schickt TV-Teams & organisiert Soli-PR im Tagesschau-Programm; inklusive Statement des Antifa-Anwalts mit den Forderungen. Irre.“ Ein anderer Kommentar lautete: „Diese Nummer war durchkoordiniert. ÖRR-Qualitätsjournalisten haben sich mit militanten Extremisten abgesprochen.“
Tagesschau weist Vorwürfe zurück
Die Tagesschau-Redaktion wies die Vorwürfe zurück. Auf Anfrage erklärte sie gegenüber FREILICH: „Bei tagesschau.de haben wir immer wieder über die Gruppe Linksradikaler berichtet, denen vorgeworfen wird, mutmaßliche Neonazis in Ungarn zusammengeschlagen zu haben. Der Fall wurde im März vergangenen Jahres von der Bundesanwaltschaft übernommen, was die Relevanz des Themas unterstreicht“. Die Auslieferung eines Beschuldigten nach Ungarn habe zudem eine öffentliche Debatte über das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren in Deutschland ausgelöst. „Der Fall hatte daher bereits Relevanz, bevor sich die sieben untergetauchten Linksradikalen nach zwei Jahren im Untergrund am vergangenen Montag gestellt haben“.
Zur Kritik an der Stellungnahme in der Tagesschau durch den Anwalt eines Beschuldigten erklärte die Redaktion in ihrer Antwort an FREILICH, dass man in dem Beitrag der Tagesschau und auf tagesschau.de die Vorwürfe gegen die untergetauchten Linksextremisten geschildert und in der Tagesschau dazu auch Bilder einer Überwachungskamera gezeigt habe, die eine der Taten zeigen sollen, wegen der gegen die Gruppe Linksextremisten ermittelt werde. „Auch die Beschuldigten bzw. ihre rechtlichen Vertreter haben ein Recht auf Stellungnahme. Diese Funktion übernimmt der Anwalt Alexander Hoffmann“, heißt es. In der Tagesschau sei eingeordnet worden, dass Alexander Hoffmann der Anwälte einer der beschuldigten Personen sei. Die Kritik, der Beitrag wirke wie eine „PR-Sendung“, bezeichnete die Tagesschau als „nicht nachvollziehbar“.