RECHERCHE ÖSTERREICH: Feuer und Flamme

In Österreich brennen die Polizeiautos. Heuer sechs in Wien, im Jahr davor eines in Innsbruck. Für die Alpenrepublik ist das eine beachtliche Zahl in so kurzer Zeit. Radikalisiert sich gerade die linksextreme Szene?
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RECHERCHE ÖSTERREICH: Feuer und Flamme

Screenshot Twitter

In Österreich brennen die Polizeiautos. Heuer sechs in Wien, im Jahr davor eines in Innsbruck. Für die Alpenrepublik ist das eine beachtliche Zahl in so kurzer Zeit. Radikalisiert sich gerade die linksextreme Szene?

„Im beschaulichen Innsbruck hat‘s gebrannt und in der Nacht zum 5. Februar 2021 musste ein Einsatzfahrzeug der Polizei das Zeitliche segnen“, fängt der Text an, der am 6. Feber am linksextremen Portal „Indymedia“ anonym veröffentlicht wurde. Und nein, es ist kein Bekennerschreiben, aber ganz nah dran: „Das Auto brannte vollständig aus und ist nun sozusagen ‚dienstunfähig‘. Ausgegangen wird von Brandstiftung. Prinzipiell eine tolle Sache, denn nun ist – zumindest für den Moment – ein Auto mit Bullen weniger auf Innsbrucks Straßen unterwegs, mit dem kontrolliert, schikaniert und bestraft werden kann.“ Die klammheimliche Freude kann ja auch einen Grund haben: „Bis dato gibt es keine Hinweise, kein Bekennungsschreiben, nichts was auf die Urheberschaft dieser Attacke schließen lässt. Und die wird es wohl auch kaum brauchen, denn ein solcher unmissverständliche Angriff auf die Infrastruktur der Polizei braucht wohl kaum eine weitergehende Erklärung. Gründe gibt’s genug und sie speisen sich ganz einfach aus der üblichen Tätigkeit der Bullen. Basta.“

So um die Ecke geschrieben kann man ja auch ganz direkt zugeben, dass man es mag. Und vielleicht, dass man man damit was zu tun hatte … Pikant ist es allemal, denn das einzelne Polizeiauto wirkt wie ein Vorläufer des Anschlages in Wien, wo sechs zivile Polizeifahrzeuge vom Joint Operational Office (JJO), der zentralen Stelle zur Bekämpfung von Menschenhandel und Schlepperei des Bundeskriminalamtes in Wien-Leopoldstadt, in Flammen aufgegangen sind. Bei einem siebten wurde die Scheibe eingeschlagen.

Und es muss nicht immer „Indymedia“ sein, auch wenn es sicherer ist. Die Antifa in Innsbruck hängt sich auch ganz schön weit aus dem Fenster: „Kommentar“. Hier wird aber „Emrawi“ zitiert, eine autonome heimische Online-Plattform, die digital in die alten Spuren des extremistischen „TATblatts“ tritt. Da kann man sich schon mal bekennen, neben allerhand klassisch linksextremen Themen, von Lobau bis Migration.

Übrigens Innsbruck: Dort hat genau am Vortag des nächtlichen Wiener Anschlags, am 30. Jänner, die große Szene-Demo zu „Grenzen töten“ stattgefunden. Und während alles in Innsbruck ist und alle dorthin schauen wird in der Nacht in der Wiener Leopoldstadt bei der Anti-Schlepper-Polizei an Polizeiautos gezündelt. Bekennerschreiben zu der Aktion? Bisher keines. Aber wie hieß das im Tiroler „Kommentar“? „Und die wird es wohl auch kaum brauchen, denn ein solcher unmissverständliche Angriff auf die Infrastruktur der Polizei braucht wohl kaum eine weitergehende Erklärung.“ Und wozu auch. Bekennerbriefe regen die Polizei so auf. Das „autonome Xindl Wien“ weiß sich trotzdem positiv zu äußern:

Ansonsten aber beeindruckendes Schweigen in den Kanälen der extremen Linken. Nämlich auffällig total. Kaum wer kommentiert, kein Feixen, außer vom „Xindl“. Und das, obwohl der Brandanschlag von Wien ebenso sehr gut zum Thema der Demo in Innsbruck passt wie zum Szene-Generalthema „Kampf gegen Abschiebungen“ und für Migration.

Szenerelevante Journalisten berichten extrem neutral über den Wiener Brandanschlag. Die Vermutung in „heute“ dagegen, dass Schlepper hinter dem Angriff auf die Fremdenpolizei stehen, dürfte eine sinnlose Mutmaßung sein. Man versaut sich doch nicht das Geschäft, indem man die Polizei aufregt. Vermutlich haben eher die „No Border“-Freunde hier eine Grenze überschritten.

Anleitung für Terror: „prisma“ erklärt auf elf Seiten den „Nobelkarossentod“.

Dass die Linken damit von Null auf Hundert gerast seien, kann man auch nicht behaupten. Die Szene zeigt sich durchaus feurig, wenn es um politische Gegner geht. So wurden nicht nur ab und an immer wieder Autos rechter Aktivisten abgefackelt, sondern auch Mitte März zwei Autos der Firma Schrack, weil sie Überwachungstechnik produziert – Bekennung dazu ebenfalls auf Indymedia vom 16. März 2021.

Aber in der extremistischen Szene wird das handwerkliche Wissen um Anschlagstechniken auch so weiter gereicht, das erklärt vielleicht auch den stilistischen Zusammenhang von Innsbruck und Wien, der die Fahnder gerade interessiert. Entwicklungshilfe kommt aus Deutschland, wo allein 2021 in Berlin 412 Autos mit politischem Hintergrund „abgefackelt“ wurden. In Textsammlungen wie „prisma“ – will sagen: „prima radikales info sammelsurium militanter aktionen“ – wird deutlich erklärt, wie Autos angezündet werden können, von komplexen Zündern bis zu relativ einfachen Varianten, wo brennende Lappen in die Radkästen gesteckt werden. Wie in Wien halt. Das Ergebnis kann man sich oben im Video anschauen. Die technischen Ideen dazu findet man etwa bei der deutschen „Projektwerkstatt“ im Download.

„Erhoben wird in alle Richtungen“, heißt es dazu aus dem Innenministerium. Wir hoffen, dass die Täter bald gestellt werden. 1.000 Euro für Hinweise, die zur Ergreifung führen, wurden nun ausgelobt. Kein allzu hoher Preis für so viele Polizeiautos.


Wir dokumentieren LINKE GEWALT in Österreich, Deutschland und der Schweiz: linke-gewalt.info

Über den Autor

Recherche Oesterreich

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