„Sie bauen dort ein Ghetto“: Bürger kritisieren geplanten Asylbau in Hamburg
In Bahrenfeld soll eine neue Asylbewerberunterkunft entstehen. Bei einer Informationsveranstaltung äußerten Bürger allerdings Bedenken gegen die Pläne des Hamburger Senats.
Am Abend des 31. Juli 2023 informierten der Hamburger Senat (Sozialbehörde und Behörde für Schule und Berufsbildung), das städtische Wohnungsunternehmen „Fördern und Wohnen“ und das Bezirksamt Altona im Hörsaal des Forschungszentrums DESY über eine geplante Flüchtlingsunterkunft in der Wichmannstraße 29 in Bahrenfeld. Für den 28. August ist eine weitere Informationsveranstaltung geplant. An dieser Veranstaltung sollen die Staatsrätin der Sozialbehörde, Petra Lotzkat, und die Bezirksamtsleiterin von Altona, Dr. Stefanie Berg, teilnehmen.
Hamburg im Flüchtlingschaos
Für den Hamburger Senat sprach Frau Junge: Im vergangenen Jahr seien 53.965 Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine registriert worden, so die Vertreterin der Hamburger Sozialbehörde. In diesem Jahr lägen bisher weitere 11.225 Registrierungen vor. Derzeit stünden in allen Hamburger Flüchtlingsunterkünften 45.300 Plätze zur Verfügung, die zu 95,8 Prozent ausgelastet seien. Um dem Zustrom gerecht zu werden, plane die Stadt Hamburg bis Ende 2023 10.000 zusätzliche Unterbringungsplätze für Asylbewerber und Flüchtlinge zu schaffen.
„Sie bauen dort ein Ghetto“
Anschließend kamen Herr Steffen und Herr Olof für das städtische Unternehmen Fördern und Wohnen zu Wort: Auf dem Sportplatz Wichmannstraße sollen ab Ende 2023 bis Mitte 2025 insgesamt 127 Wohneinheiten mit 405 Wohnungen und einer Wohnfläche von ca. 8.000 m² entstehen. Im Innenhof der von Bäumen und Gebäuden umgebenen Anlage wird es Spielplätze und ausreichend Fahrradstellplätze geben.
Ein Anwohner kritisierte, dass ihm die mehrgeschossige Bauweise große Sorgen bereite. Als Anwohner müsse man „da den ganzen Tag hinschauen“. Das Projekt mache ihm „Angst“. Denn Fördern und Wohnen baue einen „geschlossenen Stadtteil“. „Ich gebe dem mal ein drastisches Wort: Sie bauen dort ein Ghetto“, so der Anwohner. Die rund 50 Zuhörer reagierten auf diese Aussage mit zustimmendem Nicken und Applaus.
Drohendes Verkehrschaos: „Das ist nicht möglich, was Sie da vorhaben“
Der Anwohner kritisierte auch, dass der Bau zu einem Verkehrschaos in der Wichmannstraße führen würde. Die Verkehrssituation sei bereits jetzt überlastet. In der Vergangenheit sei es bereits zu Notfalleinsätzen gekommen, bei denen die Rettungskräfte nicht zum Unfallort gelangen konnten. Stattdessen seien die Rettungskräfte gezwungen gewesen, abseits zu parken und mit der Trage „im Schweinsgalopp“ zum Notfallort zu rennen. Vor der Umsetzung des Bauvorhabens müsse die Wichmannstraße dringend saniert werden.
Neben der Verkehrssituation sei auch die Parkplatzsituation bedenklich. Die Schaffung einer Tiefgarage mit 20 Stellplätzen sei zu begrüßen, so der Anwohner. Dies reiche aber bei über 120 Wohneinheiten nicht aus. Schon jetzt würden die Anwohner rund um den Sportplatz Wichmannstraße kaum noch Parkplätze finden. Der Anwohner forderte: „Wenn Sie dort eine Tiefgarage bauen, dann bitte mit 100 Stellplätzen und stellen Sie diese auch den Anwohnern zur Verfügung“. Auch für diese Forderung gab es Applaus aus dem Publikum.
Kein Bebauungsplan: Warum übergeht der Senat die Bezirksversammlung Altona?
Eine Fragestellerin wies darauf hin, dass das Bauvorhaben am Sportplatz Wichmannstraße ohne Bebauungsplan durchgeführt werde. Ein Bebauungsplanverfahren nach § 34 BauGB dauere in der Regel zwei bis drei Jahre. Dies ermögliche die Einbeziehung nachbarlicher Interessen in die Bauleitplanung. Zudem gewährleiste dieses Verfahren das verfassungsmäßige Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden.
Im vorliegenden Fall entscheide jedoch nicht die Bezirksversammlung Altona, sondern der Senat. Dies stehe im Widerspruch zum Wohnungsbauprogramm Altona 2023, das auf Seite 89 für den Sportplatz Wichmannstraße ein Bebauungsplanverfahren zur Nutzungsänderung vorschreibe. Warum, so die Fragestellerin, habe der Senat die Bürgerinnen und Bürger und ihre gewählten Vertreter in der Bezirksversammlung Altona übergangen?
Diese Frage beantwortete nicht Frau Junge von der Senatsverwaltung für Soziales, sondern Stephan Tressl von der Abteilung „Übergeordnete Planung“ des Bezirksamtes Altona. Bezüglich des Bebauungsplans unterstelle die Fragestellerin, dass ein bestimmtes rechtliches Verfahren notwendig sei, damit die Öffentlichkeit ihre Meinung äußern könne, so Tressl. Aus diesem Grund habe man aber die heutige Veranstaltung organisiert, um über das Bauvorhaben zu informieren und Anregungen aufzunehmen. Darüber hinaus stünden die Ansprechpartner des Bezirksamtes Altona den Bürgern jederzeit telefonisch oder per E-Mail für Rückfragen zur Verfügung.
Fördern und Wohnen mit 500 Millionen in den Miesen
FREILICH wies darauf hin, dass das mit der Umsetzung des Bauvorhabens beauftragte städtische Unternehmen Fördern und Wohnen laut Hamburger Senat im Jahr 2023 mit über 500 Millionen Euro verschuldet sein wird. Vor diesem Hintergrund fragte FREILICH: „Wie rechtfertigen Sie das gegenüber dem Hamburger Steuerzahler, dass Sie auf einer halben Milliarde Euro Schulden sitzen?“
Frau Junge von der Sozialbehörde lehnte eine persönliche Antwort ab und verwies auf den „politischen Raum“. Für Fördern und Wohnen ergriff der Moderator Dr. Wachs das Wort und wies darauf hin, dass hier nicht der Ort sei, über die finanzielle Situation von Fördern und Wohnen zu sprechen. Diese Antwort wurde mit Applaus quittiert. Eine Anfrage von FREILICH zur Schuldenproblematik wurde von Fördern und Wohnen bis zum Redaktionsschluss nicht beantwortet.
„In Zukunft wohnen“: Wohnraum auch für Deutsche?
FREILICH hakte weiter nach, warum der Bezirk Altona das Bauprojekt auf dem Sportplatz Wichmannstraße laut Pressemitteilung vom 24. Juli als Projekt „In Zukunft wohnen“ bezeichne. Zuvor hatte der Senat am 13. Juli auf eine Kleine Anfrage des Hamburger AfD-Abgeordneten Alexander Wolf geantwortet, dass das Projekt auf dem Sportplatz Wichmannstraße nach den Grundsätzen des Projekts „Unterkunft Perspektive Wohnen“ (UPW) geplant werde. Zu diesen Grundsätzen gehöre, dass die zunächst als Flüchtlingsunterkünfte genutzten UPW in Sozialwohnungen umgewandelt und damit auch Deutschen zur Verfügung gestellt werden sollen. Insgesamt seien 12 UPW von Fördern und Wohnen fertiggestellt worden, in denen aber offenbar noch keine Deutschen wohnten. In einer Antwort des Senats vom 25. April auf eine Große Anfrage der Hamburger AfD-Fraktion heißt es: „Alle in den UPW untergebrachten Personen haben einen Asyl- oder Fluchthintergrund. Andere Personengruppen werden dort nicht untergebracht.“ FREILICH fragte, warum man jetzt von dem Projekt „In Zukunft wohnen“ spreche und eine Durchmischung bei der Belegung mit ausländischen Flüchtlingen und deutschen Wohnungssuchenden verfolge.
Darauf antwortet Frau Junge von der Hamburger Sozialbehörde, dass sowohl der Bedarf von Flüchtlingen als auch von anderen Wohnungslosen ständig steige. Man schaue daher in der ganzen Stadt, dass man Wohnraum für Menschen in Wohnungsnot schaffe. Aus diesem Grund „haben wir uns überlegt,eben Bahrenfeld zu öffnen, weil eben überall in der Stadt die Not relativ groß ist".
Andere Fragesteller kritisierten, dass die Informationsveranstaltung in den Sommerferien stattfand. Auf die Frage, ob die Flüchtlinge WLAN erhalten würden, wurde mitgeteilt, dass die Anmeldung und Bezahlung des Internets von jedem Haushalt selbst übernommen werden müsse. Der Moderator, Herr. Dr. Wachs, dankte den Anwesenden und warb nochmals für gesellschaftliches Engagement bei der Integration von Flüchtlingen.
Der Hamburger AfD-Abgeordnete Alexander Wolf kritisierte das Bauvorhaben am Folgetag in einer Pressemitteilung: Statt sich um die Sorgen der Bürger zu kümmern, bitte das Bezirksamt Altona „um Verständnis für den anhaltenden Zustrom von Asylbewerbern“ und werbe für mehr gesellschaftliches Engagement. Die Umbenennung von „Unterbringung Perspektive Wohnen“ in „In Zukunft wohnen“ bezeichnete er als Etikettenschwindel. Die Lösung sei eine „Abschiebeoffensive statt Luxuswohnungsbau“ für Migranten. Wolf warf dem Senat zudem Intransparenz und Missachtung der Bezirksversammlung Altona vor. Die AfD habe die Anwohner mit einer Flyer-Aktion auf die geplante Asylunterkunft aufmerksam gemacht. Erst daraufhin habe das Bezirksamt zu der Informationsveranstaltung eingeladen.