Wegen Twitter-Scherzes: Rassismusvorwurf gegen Comiczeichner Ruthe
Seit Sonntag gibt es einigen Wirbel rund um einen Tweet des bekannten deutschen Cartoonisten Ralph Ruthe. Einige Nutzer bezichtigten diesen aufgrund eines kurzlebigen Scherzes des Rassismus.
Bielefeld/Berlin. – Die Geschichte begann mit einer Reaktion auf eine Fehde der ursprünglich aus dem Iran stammende Komikerin Enissa Amani gegen die Spiegel-Journalistin Anja Rützel. Letztere hatte sich in einem Artikel auf die Ankündigung von Amani bezogen, dass diese nach Nicaragua auswandern würde, wenn die Presse sie noch einmal als „Komikerin“ – einen „unsexy“ Begriff“ bezeichnen würde.
Schlagabtausch zwischen Komikerin und Journalistin
Nachdem sich Rützel in ihrem bissigen Kommentar gleich fünfmal dieses Begriffs bediente, echauffierte sich Amani auf sozialen Medien. Einige ihrer Sympathisanten ließen sich davon aufscheuchen und beleidigten Rützel teils höchst untergriffig, angeblich etwa als „AfD-Nutte“. Es folgte ein regelrechter Schlagabtausch zwischen beiden Damen auf sozialen Medien.
Seit gestern Abend werde ich auf diversen Social-Media-Seiten als Quasi-Nazi und „AfD-Nutte“ beschimpft, weil ich für @SPIEGELONLINE eine TV-Kritik über eine Influencer-Award-Verleihung geschrieben habe. Und eine dort auftretende Komikerin nicht komisch fand.
— Anja Rützel (@aruetzel) 21. April 2019
„NPD-Manier“: 47 Sekunden und ein Rassismusvorwurf
Als sich dann noch der bekannte Bielefelder Comiczeichner Ralph Ruthe in die Debatte einschaltete, erreichte die Empörung eine neue Dimension. Ruthe, der sich selbst eher links positioniert, gleichzeitig aber kaum für politische Korrektheit bekannt ist, teilte einen Link mit billigen Flügen in das mittelamerikanische Land – und bezeichnete Amani ebenfalls als „Komikerin“.
Kurz darauf befürchtete er aber, dass dieser Tweet möglicherweise missverstanden werden könnte, und löschte ihn – nach eigenen Angaben nach nur 47 Sekunden. Aber dieser Zeitraum war genug, dass einer seiner 423.000 Follower einen Screenshot anfertigte. Ein Nutzer teilte diesen und unterstellte Ruthe daraufhin, in „guter, alter NPD-Manier“ Amani einen „guten Heimflug“ gewünscht zu haben.
Aber natürlich hatte innerhalb dieser 47 Sekunden bereits jemand einen Screenshot gemacht. Bei 420.000 Followern ist immer einer dabei, der einen Screenshot gemacht hat. Die Person tweete folgendes: pic.twitter.com/q3DRQoXUCV
— Ralph Ruthe (@ralphruthe) 21. April 2019
Ruthe: Amani hat „Beruf verfehlt“
Daraufhin präsentierte Ruthe seine eigene Darstellung der Situation. Er räumte ein, sein Tweet sei „flach, dumm und undurchdacht“ gewesen – allerdings keinesfalls rassistisch. Es gehe nicht darum, wo Amani herkomme. Sondern – in Anspielung auf die Gehässigkeiten gegen Rützel – darum, dass diese offenbar „den Beruf verfehlt“ habe. Einige Leute hätten aber offenbar Lust gehabt, ihn „für einen Rassisten zu halten“.
Appell an Linke gegen Selbstzerfleischung
Er appellierte gerade an links identifizierende Menschen, sich kurz über Personen zu informieren, bevor man gegen jemanden „losballert“. Er positioniere sich etwa pro Seenotrettung und pro Homo-Ehe, was vielen Rechten ein Dorn im Auge seie. Wenn Leute wie hier auf Gleichgesinnte losginge, brächte das „nämlich nur den falschen Leuten was.“
Schelte von links – Solidarität von rechts
Diese Stellungnahme war allerdings nicht allen Personen im linksgerichteten Lager genug. Ein Journalist der Frankfurter Rundschau etwa behauptete, die Entscheidung über Rassismus entstehe immer beim Rezipienten.
Ob dein Tweet rassistisch war (= rassistisch gewirkt und daher verletzt hat), entscheiden Leute, die von Rassismus betroffen sind. Nicht du.
— Hanning Voigts (@hanvoi) 22. April 2019
Moralische Unterstützung gab es dafür aus einem unerwarteten Lager. Zahlreiche Patrioten teilten die Comics des Zeichenkünstlers und bekundeten ihre Solidarität. So etwa der Leiter der österreichischen Identitären, Martin Sellner. Dieser rückte Ruthe in die Tradition von Wilhelm Busch und plädierte für dessen Meinungsfreiheit.
Habe mir grade aus Solidarität mit unserem lieben Ralph eine seiner Tassen bestellt. Er ist ein Förderer deutscher Zeichenkunst in der Tradition von Wilhelm Busch & soll das Recht haben undankbaren, antideutschen, nichtassimilierten MigrantenkomikerInnen die Ausreise zu empfehlen
— Martin Sellner (@Martin_Sellner) 22. April 2019