Wien: Asylberechtigte dürfen bald in Gymnasien unterrichten
In einem auf europäischer Ebene erstmaligen Pilotprojekt will die Stadt Wien ab dem kommenden Schuljahr asylberechtigte Lehrer an Neuen Mittelschulen (NMS) und Gymnasien unterrichten lassen. Damit möchte man gleichzeitig die Integration vorantreiben und dem drohenden Lehrermangel beikommen.
Das Gemeinschaftsprojekt von MA 17 („Integration und Diverstität“, Fonds Soziales Wien, waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds), Wirtschaftsagentur und Stadtschulrat wird zu 80 Prozent aus EU-Förderungen und zu 20 Prozent durch Projektpartner ausfinanziert. Damit ist das Gesamtbudget von etwa sechs Millionen für „CORE – Integration im Zentrum“ gedeckt. Politisch zuständig für das Projekt sind die SPÖ-Bildungsstadträte Jürgen Czernohorszky und Sandra Frauenberger. Projektleiter Patricio Canete-Schreger gibt als Ziel aus, dass „traumatisierten Menschen der berufliche Wiedereinstieg ermöglicht“ wird.
Einjährige pädagogische Ausbildung
Voraussetzung zur Teilnahme am Projekt ist, dass die Personen bereits in ihrem Heimatland eine Lehrbefugnis hatten. Nach einer Fachprüfung bringt man ihnen ihn einem einjährigen Crashkurs die pädagogischen Standards in Österreich näher. Mithilfe von Begleitlehrern können sie dabei in 23 Wiener Schulen ihre Unterrichtspraxis sammeln. Zur Teilnahme am Zertifikatslehrgang ist neben Lehrpraxis und abgeschlossenem Lehramtsstudium ein aufrechter Asylstatus sowie Deutschkenntnisse auf B2-Niveau notwendig. In diesem soll ihnen auch Deutsch auf C1-Niveau beigebracht werden. Dies soll die Befähigung zum Unterricht von Mittelschülern und Gymnasiasten gewährleisten.
Wien hat zu wenige Lehrer
Die Maßnahmen soll dabei auch einen künftigen Lehrermangel in Wien verhindern. Wie der Standard im Jänner 2017 berichtete, droht Wiener Schulen in den nächsten zehn Jahren ein Manko von 2.000 Lehrpersonen. Die hohe Anzahl an bevorstehenden Pensionierungen könnten nur unzureichend durch Neubesetzungen aufgewogen werden. Auch in den Bundesländern herrscht dringender Aktionsbedarf, erst vor zwei Wochen beklagte der oberösterreichische Lehrergewerkschafter Paul Kimberger, dass ein Lehrermangel „längst Realität“ sei.
Asylberechtigte Lehrer für Problemschulen?
Brisant ist das Projekt angesichts der sozialen Zustände in manchen Wiener Schulen. Erst vor zwei Wochen hatte sich ein NMS-Direktor in Floridsdorf über die problematische Situation in seiner Einrichtung beschwert. Dort würden sich Jugendliche mit verschiedenen Migrationshintergründen religiöse Streitfragen handgreiflich lösen, es gäbe einen gelebten Kopftuchzwang und neun von zehn Schülern hätten eine nicht-deutsche Muttersprache.
Es ist durchaus denkbar, dass die asylberechtigten Neubewerber auch in solchen Brennpunktschulen zum Einsatz kommen könnten. Immerhin ergab eine Erhebung der Bildungsstandards, dass rund 57 Prozent der Schüler in Wien „an Schulstandorten mit sehr großen oder großen Herausforderungen“ frequentieren.