Zwiespältiges linkes Verhältnis zur Polizei ist Doppeldenk in Reinkultur

Die letzte Woche verdeutlichte die situationselastische Beziehung linksgerichteter Personen und Kräfte zu den Ordnungshütern der Polizei.
Julian Schernthaner
Kommentar von
2.9.2020
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3 Minuten Lesezeit
Zwiespältiges linkes Verhältnis zur Polizei ist Doppeldenk in Reinkultur

Polizei. Symbolbild: Pixabay.

Die letzte Woche verdeutlichte die situationselastische Beziehung linksgerichteter Personen und Kräfte zu den Ordnungshütern der Polizei.

Kommentar von Julian Schernthaner.

Nach dem Tod eines Afroamerikaners bei einem Polizeieinsatz fern unserer Heimat entbrannte eine Debatte, auf welche die politische Linke schon länger wartete. Denn schon seit jeher sahen sie das Agieren der Exekutive gerne kritisch. Auch abseits der „All cops are bastards“-Sprechchöre autonomer Kräfte wähnte man die Schuld an irgendwelchen Eskalationen, etwa bei linken Demos, gerne bei den Beamten. Diese Gelegenheit ließ man sich nicht entgehen, bezeichnete die Polizei quasi pauschal als Rassisten und gewalttätige Taugenichtse.

Der wehrlose Haufen vom Müllhaufen?

Die nicht immer fair geführte Debatte gipfelte in der grotesken Kolumne einer taz-Journalistin, welche die Ansicht vertrat, dass Polizisten auf die Mülldeponie gehörten. Nach dem erwartbaren Shitstorm aus allen möglichen Richtungen redete sie sich auf Satire heraus. So wirklich kaufte ihr das aber auch keiner ab – aber der Gratismut zwischen all die Rufen nach klammeren Polizeibudgets war deponiert.

Und vor all diesen Utopien einer Welt ohne Ordnungshüter, wo sich alle lieb haben, verwundern die Pläne der Wiener Grünen auch nicht sonders. Einige Jahrzehnte, nachdem ein roter Justizminister den Traum der gefängnislosen Gesellschaft nicht zu Ende träumen konnte, wollen diese nämlich die Polizei entwaffnen. Als Begründung nannte der Sicherheitssprecher der Partei, dass Wien eine der sichersten Millionenstädte sei und dass etwa Großbritannien großteils auf eine Bewaffnung ihrer Polizei verzichte.

Waffenlose Polizei als grüne Träumerei

Letzteres ist ein komplexes und historisch bedingtes Thema, und auch die Briten sehen dies mittlerweile mehrheitlich nicht mehr als positive Sache. Spätestens seit der multikulturelle Traum zur Islamisten-Hölle mit aller Art von Anschlägen verkam, will eigentlich kein Engländer mehr einem „Allahu akbar“ schreienden Verrückten mit einem Teddybär und einem Spielzeug-Schlagstock begegnen. Alles, obwohl in Großbritannien nur ein Fünftel der Schusswaffen pro Kopf im Vergleich mit Österreich kursiert.

Und ersterer Einwand mag vielleicht in der Parallelwelt der Bobo-Bezirke innerhalb des Gürtels zutreffen. In den migrantisch geprägten Flächenbezirken entzünden sich manchmal regelrechte Straßenschlachten zwischen Kurden und Türken. Wenn das eigene autonome Zentrum dabei in Mitleidenschaft gerät, sind die Polizisten dann hingegen plötzlich keine „Bastarde“ mehr, sondern wieder Freund und Helfer und sollten sich möglichst beeilen, den linken „Safe Space“ zu beschützen.

Berlin: Wenn’s gegen die „Richtigen“ geht

Nur aus dieser Form klassischen Orwell’schen Doppeldenks lassen sich auch die Reaktionen des linken Establishments auf die regierungskritische Maßnahmendemo in Berlin erklären. Denn just aus jener Blase, die noch Wochen zuvor jeden Streifenpolizisten unter Generalverdacht stellte, war der Ruf nach der eisernen Faust plötzlich besonders laut. Am besten sollte die Polizei den Protest mit voller Härte niederknüppeln oder zumindest kompromisslos auflösen. Eine Forderung, die bei jener linken Demo einen tagelangen Skandal über angeblich zur Eskalation beitragende Einsatzpläne nach sich zöge.

Die Demonstranten dort blieben indes auch trotz Behördenschikane – man ließ einen Stau zusammen kommen, um dann einen Vorwand zur Auflösung zu haben – weitgehend friedlich. Im Gegensatz zu den medial verharmlosten Unruhen bei den angeblichen Anti-Rassismus-Demos in aller Herren Länder kam es zu keinem Denkmalsturm, es brannte keine Polizeistation. Sogar bei der durchaus kritikwürdigen Aktion am Reichstag, als einige Leute mit Fahnen aus dem Kaiserreich auf dessen Treppen standen, ging nichts zu Bruch.

Bundesverdienstkreuz für die „Helden vom Reichstag“

Zwischen ihnen und dem Parlamentsgebäude befanden sich anfangs drei Polizisten. Diese wurden mittlerweile – insbesondere aus der linken Reichshälfte – zu wahren Alltagshelden aufgeblasen, die quasi im Alleingang die Demokratie beschützt hätten. Dies reichte bis zum offiziellen Empfang bei Bundespräsident Steinmeier – dasselbe Staatsoberhaupt, das einst für das „Wir sind Mehr“-Konzert warb, bei dem linksradikale Bands ein Stelldichein gaben.

Sie bekamen dort das Bundesverdienstkreuz für ihren Einsatz. Allerdings nicht, weil sie seit Jahren rund um die Uhr ihr Leben im „Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ riskieren und an vorderster Front die zahlreichen Verwerfungen des gescheiterten Multikulti-Experiments ausbaden müssen. Sondern, weil sie sich an jenem verheißungsvollen Samstag „den Feinden der Demokratie“ entgegen stellten. Weil die Staatsmacht quasi die Staatsräson beschützt hat.

Die wahren Feinde der Demokratie sitzen fest im Sattel

Ob es wirklich „Demokratiefeinde“ sind, die dort auf den Treppen des Bundestags standen? Rein an der Auswahl des Paniers kann man das nicht sagen, nach dem Sturz Gaddafis wehte auch plötzlich wieder die alte Königsflagge – und zwar nicht auf dem Mist von Monarchisten. Und auch in Weißrussland will man sich gegenwärtig mit einer historischen Flagge vom als repressiv wahrgenommenen System abheben.

So oder so, der Vorwurf des „Demokratiefeind“ verläuft nach dem Schema des „Klassenfeind“-Vorwurfs und später des Faschismus-Vorwurfs. Eine marode Ordnung setzt sich im gesellschaftlichen Kastensystem auf die moralisch höherwertige Stufe und erschafft sich die eigenen Feinde ständig neu, um die eigene Daseinsberechtigung zu validieren. Freilich sind aber Politiker, die Bürgerrechte wie die Versammlungsfreiheit aus einer Nichtigkeit heraus beschneiden wollen, eine weit größere Gefahr für unsere Demokratie als ein paar Spinner mit dem falschen Banner an einem lauen Sommerabend.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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