BÜCHER: Sellners krimineller Masterplan

Kommende Woche beginnt in Graz der Prozess gegen die Identitäre Bewegung Österreich. Wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ angeklagt ist unter anderem auch ihr Co-Leiter Martin Sellner. Wer jetzt schon wissen will, um was es den angeklagten Identitären geht: Sellners Buch „Identitär – Geschichte eines Aufbruchs“ verrät alles.
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28.6.2018
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4 Minuten Lesezeit
BÜCHER: Sellners krimineller Masterplan

Bildrechte: Die Tagesstimme

Kommende Woche beginnt in Graz der Prozess gegen die Identitäre Bewegung Österreich. Wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ angeklagt ist unter anderem auch ihr Co-Leiter Martin Sellner. Wer jetzt schon wissen will, um was es den angeklagten Identitären geht: Sellners Buch „Identitär – Geschichte eines Aufbruchs“ verrät alles.

Kommentar von Rainer Tusk

Der leidenschaftliche Tatort-Seher kriegt einen wohligen Schauer, wenn er von einer „kriminellen Vereinigung“ hört, die in einer Folge ihr Unwesen treiben darf. Der Zauber des Verbrechens, die Hinterlist der Tat und die Leidenschaft der Täter sind Stoff genug, endlos Unterhaltung für Sonntagabende zu produzieren. Stets ist es das Geheimnisvolle, das lockt und Zuseher vor dem Bildschirm bindet.

Der Kommissar entschlüsselt dann Schritt um Schritt und mit viel Verve die Verbindung der Verbrecher, bis auch der Zuseher sein einsehen hat: Schlimmes wurde verhindert, die Täter sind dingfest gemacht. Am Schluss verstehen alle, was die Bösen wollen. Das wollen Juristen in Österreich auch gerade versuchen: Nur in dem Fall soll aus einer legitimen und legalen politischen eine „kriminelle Vereinigung“ interpretiert werden. Oder simpel gesagt: Man will Aktivisten kriminalisieren, damit einmal Ruhe ist.

Martin Sellner – „Posterboy“ und Vordenker

Das Konzept der Täter trägt den Titel: „Identitär – Geschichte eines Aufbruches“. So heißt das Buch von Martin Sellner. Er steht beim kommenden Prozess im Juli in Graz – die Tagesstimme hat berichtet – mit 17 weiteren Aktivisten vor Gericht. Die Bildung der ominösen „kriminellen Vereinigung“ ist der zentrale Punkt, der zur Verhandlung steht. Wer jetzt schon wissen will, um was es den angeklagten Identitären geht: Sellners Buch verrät alles. Der geheime Masterplan als Publikation, die Tatsachen am Tisch, die öffentliche Verschwörung. Sellner selbst, nominell Co-Leiter der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) und gleichzeitig „Posterboy“ (A. Wolf) und Vordenker dieser politischen Strömung, beschreibt in seinem Buch, wie es dazu gekommen ist. Was will die Identitäre Bewegung, die sich von Frankreich auftauchend über Österreich und aktuell fast ganz Europa ausgebreitet hat?

Es sind hauptsächlich junge Menschen, die von der etablierten Politik keine Antworten auf drängende Fragen der Zeit bekommen haben, die aber auch die Angebote traditioneller politischer Strömungen ebenfalls als nicht richtig gefunden haben. Etwas für sein Land tun, die drängendsten Herausforderungen ins Gespräch bringen wollen: Martin Sellner gibt offenherzig preis, wie aus kleinen Theoriezirkeln, die Bücher lesen, die ersten Aktionen geboren wurden. Wie im Austausch mit Frankreich der Gedanke der Aktion als tätige Intervention die Aktivisten ergriffen hat.

Provokation und Aufmerksamkeit

Der breiten Öffentlichkeit ist die junge Bewegung der Identitären 2013 in Österreich erstmals aufgefallen: Die Wiener Votivkirche war von Migranten und Sympathisanten besetzt, um ein „Bleiberecht“ durchzusetzen. Die Gegenbesetzung durch die Identitäre hat die Öffentlichkeit verblüfft. Und sie kündigte einen außergewöhnlichen Stil an: Rechte mit linken Aktionsformen? Die Schadenfreude über hilflose Linke, die keine Antworten auf ihre ureigenen Aktionstechniken fanden, ging mitten durch die österreichische Gesellschaft. Stets begleitete so ein lautes Lachen die aufsehenerregenden Provokationen: Höhepunkt war sicher die „ästhetische Intervention“ mit Schutzbefohlenen an der Uni Wien, dazu die Flugblätter vom Dach des Volkstheaters. Hier erkennt man früh auch den Versuch, die Aktivisten zu kriminalisieren, der bisher immer gescheitert ist.

Alles das liegt in Martin Sellners Buch offen zu Tage. Ebenso die Gedanken dahinter, wie ein Thema entwickelt wird, wie eine Kampagne gestartet, welche Aktionen welchen Zweck erfüllen sollen. Alles, um Diskussion in die Demokratie zu bringen. Gibt es doch politische Themen, die zu gerne ausgeblendet werden: Identität und Multikulturalismus werden in der Öffentlichkeit eben hauptsächlich nur so diskutiert, dass letzteres gut ist, ersteres immer „pfui“. Gerade aber die weiten Sympathien der Bevölkerung für die Aktionen der Identitäten zeigen, dass das in der Masse und quer durch (fast) alle politischen Lager durchaus anders gesehen wird. Gleichzeitig sind die Identitären auch ein Phänomen der sozialen Medien und eine Aufmerksamkeitsmaschinierie.

„Jungen Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft“ (H.C. Strache)

Das ist auch die Erfahrung, die die Identitären sichtbar gemacht hat. Und obendrein wichtig: als provokanter Finger in einer Wunde, die Europa aufreißt. Gleichzeitig ist es aber auch das traumatische Jahr 2015 mit seiner großen Wanderungsbewegung ohne Grenzen, das viel in der politischen Diskussion verändert hat. Wer Sellners Buch aufmerksam liest, wird immer wieder merken, wie Begriffe und Vorstellungen der kleinen Identitären aktuell in die große Politik übernommen worden sind. So ist es ein hoffnungsfrohes und optimistisches Buch, der Masterplan der „IBster“, wie sich die Identitären locker nennen.

Jetzt sollen die „jungen Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesellschaft“ (H.C. Strache) als „kriminelle Vereinigung“ abgestraft werden. Wer sich für die gar so „kriminellen“ Ideen interessiert, sollte das Buch lesen. Es gibt auch viel vom Hauptangeklagte wieder: seine Lust am offenen Diskurs, seine Freunde an der tätigen Provokation. Und der schelmische Blick beim gelassenen Weg in den Widerstand. Unsere Gesellschaft will Menschen, die sich aktiv und demokratisch in ihr und für sie einsetzen? Hier sind sie.


Der Prozess zum Buch: Beginnt mit 4. Juli vor dem  Landesgericht für Strafsachen Graz (LGS Graz), insgesamt wird man sich an nicht weniger als 19 Tagen im Juli mit dem Fall beschäftigen. Weitere Verhandlungstage: 6. Juli, 9.–13. Juli, 16.–20. Juli, 23.–27. Juli sowie 30.–31. Juli, jeweils von 9 bis 15 Uhr.

„Identitär – Geschichte eines Aufbruches“ von Martin Sellner ist 2017 beim Verlag Antaios erschienen und kann dort sowie bei Phalanx Europa um 16 Euro erworben werden: Bei Antaois bestellen / Bei Phalanx Europa bestellen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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