Der linksliberale Kreuzzug gegen Kindheit und Familie

In seinem Essay kritisiert Kevin Naumann die heutige Bildungspolitik, die immer früher Einfluss auf Kindern nimmt und sie bereits im Kindergarten indoktriniert, um sie zu vorbildlichen Staatsbürgern zu erziehen.

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Der linksliberale Kreuzzug gegen Kindheit und Familie
© IMAGO / imagebroker

Die Menschen sind nicht gleich. Diese Aussage löst heute oft Empörung aus, ist sie doch eine der frühesten Kindheitserfahrungen. Kinder lernen in der Gemeinschaft, in die sie hineingeboren werden und in der sie aufwachsen, natürliche und gewachsene Ungleichheiten kennen. Sie fühlen sich verbunden und verantwortlich für das Eigene, das sie umgibt, das begrenzt ist, und in diesem Kosmos erkunden sie ihre Welt. Intakte Familien, in denen Kinder Anerkennung und Liebe erfahren, sind für die Entwicklung eines selbstbewussten und gesunden Charakters unerlässlich und Voraussetzung für ein verantwortungsbewusstes Leben.

Heute maßt sich die Bildungspolitik einen immer früheren Zugriff auf die Kindheit an und schon im Kleinkindalter soll der Mensch nach dem Prinzip „von der Wiege bis zur Bahre“ zum vorbildlichen Staatsbürger erzogen werden. Spätestens in der staatlichen Kinderbetreuung, allerspätestens aber in der Schule, beansprucht das bunte staatliche Erziehungsprogramm seinen Anteil an der Prägung des Kindes. Es lernt, sich vom Eigenen und damit von natürlichen Ungleichheiten und Gemeinschaftsgrenzen zu lösen. Sein natürlicher Erkundungshorizont, der sich entlang der nahen Dinge in Familie und Gemeinschaft erstreckt, wird durch einen politisch bestimmten Rahmen verdrängt.

Die Tyrannei der Wokeness

In der Institution werden die kleinen Entdecker den bildungspolitischen Erziehungsvorstellungen unterworfen und im Gegensatz zum (begrifflich getilgten) Kinder-Garten – das hieße wachsen und gedeihen – nicht zu selbstdenkenden und urteilenden Menschen erzogen, sondern in Tagesstätten verwahrt und politisch korrekt geformt. Die Konzepte und Leitlinien der neuen deutschen Volkserziehung reichen von der geschlechtsneutralen Elternansprache über Anti-Rassismus-Projekte bis hin zu US-importierten Drag-Shows wie in Berlin und Wien, die als bunte Mitmach-Events inzwischen auch im deutschsprachigen Raum Einzug gehalten haben und von progressiven Eltern und Verbänden bejubelt werden. So scheint sich zumindest in linksliberalen Kreisen eine Degenerationswut breit zu machen, oder warum muss man Kinderseelen mit perversen Freakshows Gewalt antun und das Erreichen dieser moralischen Verwahrlosungsstufe auch noch als Erfolg feiern?

Kindheit in Deutschland ist heute zunehmend den Plänen übergriffiger kultureller Eliten und deren Einflussnahme sowohl auf die Bildungspolitik als auch auf die Eltern ausgesetzt. Zunehmend entsteht der Eindruck, dass Kinder nur noch Projektionsfläche einer sich selbst verwirklichenden Erzieher- und Elternschaft sind, während mangels ausreichender personeller Ressourcen nicht einmal ein Mindestmaß an Betreuung gewährleistet werden kann – ganz zu schweigen von Sprachbarrieren aufgrund multiethnischer Gruppenkonstellationen. Hinter diesem Chaos verbirgt sich die Tendenz, organisch gewachsene Unterschiede unter dem Deckmantel sozialer Innovation zu verwischen, das Herkömmliche zu stigmatisieren und das Anormale als neue Normalität zu etablieren. Auf der Mikroebene spiegelt sich hier der Kulturkampf gegen partikulare Identitäten, also der Angriff von außen auf das Bestehende.

Gegen die klassische Familie

In einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer um die Anhäufung von möglichst viel Humankapital konkurrieren, um den Anforderungen eines durchakademisierten Arbeitsmarktes gerecht zu werden und ein entsprechendes Einkommen zu erzielen, werden andere Prioritäten gesetzt als Kinder zu bekommen und aufzuziehen. Im Gegenteil: Kinder werden oft als Klotz am Bein und damit als Angriff auf die freie Entfaltung der Frau gesehen – gemeint ist meist das berufliche Fortkommen, also die Karriere. Eine Frau, die sich voll und ganz um die Familie kümmert, Haus und Hof in Ordnung hält, statt voll berufstätig zu sein, wird heute als rückständig bezeichnet und damit als unnormal diffamiert. Immer häufiger muss sie sogar beides sein, Mutter und Geschäftsfrau. Das klassische Familienmodell gilt seit dem Siegeszug des Feminismus, der die Rolle der Frau als gleichberechtigte Konkurrentin auf dem Arbeitsmarkt etabliert hat, als überholt.

Seit der Emanzipationsbewegung zeigt die Werbeindustrie Frauen als unabhängige und starke Persönlichkeiten in Business-Kleidung statt in Kittelschürze, und die Anti-Baby-Pille ermöglichte es den westlichen Wohlstandsgesellschaften, ihre Geburtenraten an den Renditeerwartungen der Unternehmen auszurichten. Der Siegeszug dieses Nützlichkeitsdenkens eröffnete Freiräume, die es den Frauen ermöglichten, sich aus der traditionellen Rolle der Hausfrau und Mutter zu lösen und seither einen ungebundenen, ja hedonistischen Lebensstil zu pflegen. Heute gibt es mehr Frauen in Führungspositionen denn je, aber auch wieder mehr alleinerziehende Mütter und Väter. Dass die Besetzung von Führungspositionen und die Berufswahl meist schlicht an den unterschiedlichen Präferenzen der Geschlechter scheitert, entspricht nicht den Intentionen der Gleichheitsfanatiker und zeugt auch vom Nivellierungsdruck auf die Gesellschaft. Frauen bevorzugen soziale und sprachliche Berufe, sind weitaus häufiger für die Kindererziehung zuständig, während Männer technische und körperlich anstrengende Berufe wählen: Es gibt klassische Frauen- und Männerberufe, aber auch Ausnahmen.

Kommodifizierung der Familie

Ein westlich-liberales Frauenbild, wie es von Politik, Wirtschaft und Medien gefordert und gefördert wird, ist mit einem Volksverständnis, dessen oberstes politisches Ziel die Bewahrung seiner Identität ist, nicht vereinbar. Es geht nicht darum, jemandem seinen Lebensentwurf vorzuschreiben oder ihm die Fähigkeit abzusprechen, Beruf und Familie perfekt zu vereinbaren, sondern darum, die natürlichen Präferenzen der Geschlechter zu respektieren und die Auswirkungen auf das Familienleben zu prüfen. Die Kommodifizierung der Familie als eigentlich unverfügbares Element des Gemeinwesens ermöglichte es den Machteliten, mit Hilfe der Ressource Frau als Vollzeitarbeitskraft ihren wachsenden Wachstumshunger zu stillen und gleichzeitig den Staat als Nutznießer steigender Einnahmen in voller altruistisch-sozialdemokratischer Blüte erstrahlen zu lassen. Eine exzessive Umverteilungspraxis ist heute ebenso im politischen Mainstream verankert wie ein daraus resultierendes Anspruchsdenken der Bürger, denen man beigebracht hat, dass ihnen alles Mögliche zusteht. Das ist die Vollendung des westlichen Materialismus und die Entwertung der traditionellen Familie: Alles ist eine Ware und damit quantifizierbar, jeder selbst ist eine Marke.

Eine Gesellschaft, die keine Gemeinschaft mehr sein will oder kann, opfert letztlich auch die familiären Bindungen der reinen Selbstvermarktung und löst sie auf. So wird Familie zu einem Lifestyle-Projekt degradiert, das sich gegenüber Kindern als bloßes Termin- und Eventmanagement darstellt, wobei Kinder an den Restriktionen von verfügbarer Zeit und Einkommen zu optimieren sind. Gelegentlich trifft man auf Eltern, meist Akademiker, die ihren Nachwuchs mit einem maßlosen Input in Form von allen möglichen Unterrichtsformen und Hobbys überfrachten, ohne dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich aus innerer Zuneigung selbst den schönen Künsten zu nähern. Diese Eltern zwingen ihrem Kind ihren eigenen Lebensentwurf auf, dem es sich schließlich fügt, weil es Zuneigung braucht und anerkannt werden will, und überfordern es damit. So werden unsere Kinder krank, denn sie lernen den unbedingten Gehorsam gegenüber einer wohlmeinenden, aber giftigen Autorität. Das Ergebnis sind Mitläufertypen, die den größten Unsinn mitmachen, nur um der jeweiligen Autorität – den Eltern oder später der öffentlichen Erzählung – zu gefallen. Die Mitläufertypen erkennen selbst nicht mehr, dass sie auf der Basis eines angstbasierten Narrativs manipuliert werden, das eine Rettung durch Wohlverhalten suggeriert – Stichwort „Corona“.

Im Mittelpunkt stehen die Familien

Eine rechte Kritik moderner Familienmodelle ist zugleich eine Kritik der entfremdeten Ökonomie und ihrer sozialdemokratischen Verblendungen. Das Grundproblem: Dem bloßen Ökonomismus fehlt grundsätzlich die Sehnsucht nach einer Instanz, die jenseits des Zählbaren liegt. Dieses übersinnliche Vakuum will gefüllt werden und wird gefüllt mit Versatzstücken wie Konsum, Spektakel und zivilreligiösen Großprojekten wie Klima, Gender, Ersatznationalismus etc. Eine rechte Familenpolitik ist eine Politik des Maßes und des Volkes, das heißt eine Politik, die die Familie als Wurzel des Gemeinwesens in den Mittelpunkt stellt, die der Identität und dem Mythos einer deutschen Heimat dient und mit der „Nation, die auch eine sein will“ (Maschke) vereinbar ist.

Die Schaffung einer neuen Ordnung kann nur als selbstbewusster innerer Prozess und persönlicher Glaube an das Richtige gelingen, ausgehend von jedem selbst und seiner prägenden Rolle als Mutter oder Vater. Novalis ist es gelungen, diesen Gedanken in der Gestalt des Heinrich von Ofterdingen auszudrücken, wenn er die Erziehung eines Kindes als nichts weniger als die „Art meiner Eltern“ bezeichnet und einen Geist beschreibt, der „aus einer unendlichen Quelle kommt und dieses Gefühl der Überlegenheit eines Kindes in den allerhöchsten Dingen, der unwiderstehliche Gedanke einer nähern Führung dieses unschuldigen Wesens, das jetzt im Begriff steht, eine so bedenkliche Laufbahn anzutreten“. Wer sich also selbst nicht tugendhaft verhält und seinen Kindern das Falsche vorlebt, kann nicht erwarten, aus einer gestörten Gesellschaft eine gesunde zu machen.


Zur Person:

Kevin Naumann, Jahrgang 1988, ist ein Patriot aus Mitteldeutschland.

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