„Es ist der letzte, entscheidende Kampf“ – Preußen im Kampf gegen Napoleon
In seinem Aufruf „An mein Volk“ forderte der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Aufnahme des Kampfes gegen Napoleon. Ein Wendepunkt in der Geschichte Preußens und ganz Deutschlands.
Reiterstandbild von König Friedrich Wilhelm III. auf dem Heumarkt in Köln, Nordrhein-Westfalen.
© IMAGO / Peter Schickert„Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern, Litauer!“ – So sah der preußische König Friedrich Wilhelm III., von Zeitzeugen als zu zögerlich bezeichnet, die Teile seines Volkes, die er in seinem Aufruf vom 17. März 1813 auf ein gemeinsames Ziel einschwören wollte. Sowohl der Text selbst als auch die Umstände seiner Veröffentlichung sind bemerkenswert und angesichts der späteren Entwicklung fast prophetisch.
Rumoren in den Führungszirkeln
Nach der vernichtenden Niederlage der „Grande Armée“ Kaiser Napoleons in den Weiten des russischen Winters rumorte es gewaltig in den Führungszirkeln der preußischen Armee. In Breslau verfasste der 71-jährige Blücher, der im selben Jahr wegen der Ausbildung von Frankreich nicht genehmigter Truppen aus dem aktiven Dienst entlassen worden war, einen Brandbrief nach dem anderen an seinen König.
Im Baltikum hatte General von Yorck eigenmächtig, aber mit Duldung seines Monarchen, in der Konvention von Tauroggen den Austritt Preußens aus der gemeinsamen Militärallianz Napoleons gegen Russland beschlossen, doch erst im Februar schlug sich Friedrich Wilhelm III. mit einem Gegenbündnis auf die Seite seiner ehemaligen Feinde. Der patriotischen Begeisterung folgten Tausende von Freiwilligen, die zum Teil nur notdürftig ausgerüstet waren. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Jenaer Studenten, die zu einem großen Teil in das neu gebildete Freikorps des Majors von Lützow eintraten – unter ihnen Theodor Körner, „Turnvater“ Jahn oder auch der Dichter Joseph von Eichendorff.
Aufruf vom 17. März 1813
Die Aushebung eines Volksheeres aus Freiwilligenverbänden und die Stiftung des „Eisernen Kreuzes“ als mögliche Auszeichnung für Kriegsverdienste von Soldaten aller Stände gipfelte in dem berühmten Aufruf vom 17. März 1813, den der (heute zu Unrecht unbekannte) Vertraute des Dichters E. T. A. Hoffmann und Staatsmann Theodor Gottlieb von Hippel formulierte. Die Bemühungen der Wintermonate 1812/13 kulminierten nun in Breslau: Im Februar ließ sich Freiherr von Stein von seinem russischen Asylgeber in die schlesische Metropole entsenden, am 15. März folgte der Zar.
Auch die in der Schlesischen Armee zusammengefassten Freiwilligenverbände hatten mit Blücher einen Oberbefehlshaber gefunden, der nicht wie Scharnhorst oder Clausewitz ein Mann der militärischen Theorie war, sondern die förmliche Verkörperung eines patriotischen Kämpfers für Krone und Staat. Die Worte, die der preußische Monarch unterzeichnete, richteten sich gleichermaßen an sein Volk wie an sich selbst. Friedrich Wilhelm III. befand sich in einer diplomatischen Zwickmühle zwischen Russland, Österreich und Frankreich auf der einen und dem eigenen Volk auf der anderen Seite. Für ihn ging es um Sieg oder Untergang:
„Keinen anderen Ausweg gibt es als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet ihr getrost entgegengehen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht zu leben vermag!“
Historische Zeitenwende
Ab dem 17. März war der Volksaufstand nicht mehr aufzuhalten, Szenen, wie sie der Film „Kolberg“ mit dem Auszug der patriotischen Männer verewigte, spielten sich in zahllosen deutschen Städten ab. Friedrich Wilhelm III. war der erste Monarch seiner Zeit, der dem Volk nicht nur die Hintergründe seiner Politik erklärte, sondern es auch um Mithilfe bei der Durchsetzung seiner Ziele bat. Diese Zeitenwende wurde von allen Deutschen sehr deutlich empfunden. Heinrich von Treitschke beschwor diese historische Wende in seiner „Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert“.
„Neben den alten Soldaten empfand die gebildete Jugend den Ernst der Zeit am lebhaftesten; in ihr glühte die schwärmerische Sehnsucht nach dem freien und einigen deutschen Vaterlande. Kein Student, der irgend die Waffen schwingen konnte, blieb daheim; vom Katheder hinweg führte Professor Steffens nach herzlicher Ansprache seine gesamte Hörerschaft zum werbeplatze der freiwilligen Jäger.“
Dieses Waffenfieber sollte jedoch nach dem siegreichen Krieg seine Kehrseite offenbaren. In dem Augenblick, in dem die glorreichen Sieger des Volkskörpers erkannten, dass ihre Sehnsüchte einer neuen Reaktion gewichen waren, zürnten sie den Fürsten und dem gesamten monarchischen System.
Die Revolutionen von 1848/49, die Unruhen des Vormärz und die kulturellen Leistungen der Romantiker und frühen Volkskundler sind ohne diese Enttäuschung der Jahre 1815 ff. nicht zu erklären. Dagegen bleibt der 17. März 1813 ein Mahnmal dafür, dass der preußische König sehr wohl wusste, was sein „treues Volk“ sich am sehnlichsten wünschte: Das freie und geeinte Deutschland.