Freiraum für freie Meinung: Das will Patrioten-Zentrum in Steyregg wirklich
„Identitäre Extremisten“ würden sich in der malerischen Kleinstadt Steyregg nahe Linz ansiedeln, um „eine Basis“ zu errichten. Um die Immobilie zu erwerben, hätte man einen „Strohmann“ engagiert. Dass an dieser Darstellung der Leitmedien wenig bis gar nichts dran ist, erfahren wir im Gespräch mit Projektleiter Steve Henschke – der alles andere als ein „Strohmann“ oder „Extremist“ ist, sondern einfach ein junger Patriot mit einer Vision.
Steyregg. – In der Vorabkommunikation als „Konservatives Zentrum Linz“ angepriesen, entstand das Projekt „Castell Aurora“ aus der Feststellung heraus, dass es aufgrund der aktuellen Polarisierung der Gesellschaft „keinen Freiraum für freie Meinungsäußerung“ mehr gebe. Das erklärt uns der gebürtige Wittenberger Henschke, der seit etlichen Jahren in Oberösterreich lebt, bei einer Tasse röstfrischem Kaffee vor Ort. Es gehe auch darum, der Stadt etwas zurückzugeben, einen Ort der Begegnung auf Augenhöhe zu schaffen. Hier sollen Austausch und Dialog möglich sein: „Niemand wird verwiesen, der sich benimmt“.
Ein Hort der Meinungsfreiheit
Als politischer Raum soll der Gastraum dabei nicht explizit dienen. Freilich: mitunter hitzige Debatte über brennende Themen ist sehr wohl erwünscht. Aber vom Ambiente her soll jeder Bürger herzlich willkommen sein. Es gebe „keine Stigmatisierungen und keinen Ausschluss“. Denn es fänden sich genug Orte, wo es einen politischen und gesellschaftlichen Druck auf freie Bürger gebe. Hier hingegen wolle man ermöglichen, dass Menschen sich ohne Scheuklappen und Maulkorb unterhalten können.
Als reines Vereinslokal ist das Ganze daher nicht gedacht, allerdings machen die Corona-Maßnahmen (Stichwort: 3G-Regel) derzeit bei der Öffnung für den freien Kundenverkehr auch einen Strich durch die Rechnung. Langfristig sucht man den generationenübergreifenden Austausch. Dies sei gerade in Zeiten wie diesen wichtig. Gastwirte seien „die besten Psychologen“, zudem sei es wichtig, dass sich Menschen bei Kaffee und Bier treffen, statt vor dem Bildschirm zu sitzen.
Entfaltung für Gegenkultur und Gegenöffentlichkeit
Obwohl die Bar – dort setzt man auf regionale Getränke und Lebensmittel – das Aushängeschild sein wird, sollen am Haus weitere Freiräume geschaffen werden. So findet sich dort ein Ladenlokal, bei dem insbesondere widerständige Mode, dissidente Literatur und freie Medien erworben werden können. Ein eigener Veranstaltungsraum soll einen Rückzugsort für die patriotische Jugend bieten. Dort kann Sport getrieben werden, es finden Lesekreise statt. Die technischen Voraussetzungen für Vorträge und Film-Abende sind vorhanden, auch die Anmietung für private Feierlichkeiten kann man sich vorstellen.
Zudem befinden sich in der Immobilie in Steyregg auch Arbeitsräume. Von diesen erhofft man sich, dass sie nicht nur Arbeitsstätten werden, sondern Kreativstätten, wo Dissidenten unbeschwert und gerne arbeiten. Das Credo: „Gegenkultur und Gegenöffentlichkeit sollen sich hier entfalten können.“ In der Hausbücherei können hausbekannte Patrioten gegen einen kleinen Obolus politische, gesellschaftliche, historische Werke entlehnen. Ganz ohne Denkverbote: Neben Werken von Martin Lichtmesz finden sich sogar solche von Karl Marx. Der moderne Rechte bildet sich eben über sein Spektrum hinaus.
Pilotprojekte für neues, rechtes Selbstverständnis
Trotz des beschränkten Platzes fand man auch noch die Möglichkeit, einem jungen Patrioten eine kleine Einliegerwohnung zu erschwinglichem Preis zu vermieten. Das hat auch einen symbolischen Wert. Denn heutzutage seien sogar Arbeit und Wohnung nicht mehr selbstverständlich sicher vor einer Kündigung aufgrund der Gesinnung. Solche Angebote gerade an politisch aktive Patrioten seien wichtig – man versteht sich damit als „Pilotprojekt“. Ein Dach über dem Kopf sei ein Grundbedürfnis, das auch exponierten Aktivisten ermöglicht werden müsse.
Dieselbe Wortwahl wird Henschke im Laufe unseres Gesprächs noch einmal erwähnen – und zwar im Hinblick auf die Hausbücherei. Auch diese soll als Vorbild im patriotischen Lager dienen, mittelfristig brauche es so etwas wie eine kritische, konservative Bibliothek, hier will man eine Art Anstoß liefern. Insgesamt zielt die Schaffung von patriotischem Kultur-, Arbeits-, Wohn- darauf ab, einen Hort der Freiheit für eine nicht-linke Jugend zu schaffen. Zur Notwendigkeit dieser Räume sagt Henschke bestimmt: „Jede Bewegung, die nicht ins Extremistische abgleitet, hat das Anrecht auf einen Freiraum.“
Sozialprojekt, um Jugend in geordnete Bahn zu lenken
Die Behauptung etablierter Medien, dass man selbst ein „extremistisches“ Projekt sei, weist Henschke weit von sich. Er verweist auf die offizielle BVT-Definition, welche eigentlich ausschließlich auf die Gewaltbereitschaft und die Abschaffung und Ersetzung der demokratischen Grundordnung abziele. Patriotische Haus- und Kulturprojekte würden im Gegensatz dazu sogar solche Phänomene erfolgreich bekämpfen. Denn ein Zentrum für junge Menschen gibt der Jugend ein positives Selbst- und Weltbild. Doch viele Treffs für die Jugend sind linksgerichtet – und so braucht es eine Ergänzung des Angebots.
Auf der Basis einer solchen positiven Selbstverständlichkeit fuße dann erst jede konstruktive Energie des jugendlichen Idealismus. Junge Menschen aller Couleur suchen Anschluss und Vorbilder: Bestehen diese aus „blöden Ideen und Provokation“, werden sie diesen nacheifern und über die Stränge schlagen. Bestehen sie hingegen aus einer freien, friedlichen und selbstbewussten Gemeinschaft, werden sie dieses Ideal auch weitertragen. Der Zulauf zu ähnlichen Projekten wie dem Infoladen „Mühle“ in Cottbus zeige, dass auch eine nicht-linke Jugend den Austausch mit Gleichgesinnten schätzt und sucht.
Bürokratische Hürden am Weg zum neuen Zentrum
Auf dem Weg zum eigenen Zentrum – noch sind nicht alle Arbeiten am Projekt abgeschlossen – waren jede Menge Hürden zu nehmen. Es war viel Sanierung nötig, etwa 100.000 Euro mussten hinein gesteckt werden. Die Elektrik, die Heizung und der Wasseranschluss brauchten eine Rundum-Erneuerung. „Wir haben das Haus aus dem Schlaf erweckt. Es stand zwar nur ein Jahr leer, aber der Zustand war so, dass man sah, dass etwa 20 Jahre lang wenig investiert wurde. Alles war marode“, so Henschke.
Dies reichte von einer vor der Sanierung einsturzgefährdeten Decke im Veranstaltungsraum über eine „abenteuerliche“ Elektrik mit teilweise uralten Stromkästen, deren Anschlüsse zudem grobes Stückwerk waren. Auch die Wasserzuleitung war knapp vor dem Durchbruch. Gerade vor diesem Hintergrund empfiehlt er Gruppen und Leuten, die ein solches Projekt beginnen, sich von Ingenieuren und anderen Experten beraten zu lassen: „Nehme euch professionelle Hilfe, investiert das, es lohnt sich.“
Gutes Verhältnis zu Stadtbewohnern angestrebt
Dasselbe, so Henschke weiter, gelte für die jeweiligen Genehmigungen. Ein geschultes Expertenauge verhindere hier Ärger mit Behörden, denn als Laie durchblicke man das Regelwerk nur schwer. Im Fall des Zentrumsprojekts in Steyregg hätte man zusätzlich immer mit einpreisen müssen, dass durch die Lage direkt an der historischen Stadtmauer auch denkmalschutzrechtliche Aspekte schlagend werden. Gerade bei in patriotischen Kreisen oft romantisierten Altbauten seien diese ein entscheidender Faktor.
Sobald es die Umstände zulassen und man öffnen kann, werde man sich – auch trotz der Kampagne der Etablierten – um ein gutes Verhältnis mit den Bürgern und der Gemeinde bemühen. Man will daher nicht nur Selbstverständliches wie die pünktliche Abführung der Steuern oder die Lärmschutz-Regeln beachten. Sondern auch ein Fixpunkt im Stadtleben werden: „Wir wollen schließlich die Gemeinde nicht belästigen, sondern auch ein Ort des Austausches mit den Bürgern vor Ort werden. Und Eigentum verpflichtet eben – auch in dieser Hinsicht.“
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