Rechte Kulturpolitik – für eine rechte Postmoderne

Die AfD fordert eine Rückkehr zu einer „rechten Kulturpolitik“, die sich gegen moderne Strömungen und etwa das Bauhaus wendet. Kevin Naumann kritisiert, dass diese Haltung in der Vergangenheit verhaftet bleibt. In seinem Kommentar für FREILICH plädiert er für einen anderen Weg.

Kommentar von
4.3.2025
/
6 Minuten Lesezeit
Rechte Kulturpolitik – für eine rechte Postmoderne
© IMAGO / Metodi Popow

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich hat sich zum Ziel gesetzt, dem seiner Meinung nach vorherrschenden „linken Kulturkampf“ mit einer „rechten Kulturpolitik“ entgegenzuwirken. Für ihn bedeutet Kulturpolitik, einen „positiven Bezug zu Nation und Volk“ zu schaffen. Er äußerte diesen Standpunkt unter anderem im Kontext seiner Bewerbung für den Kulturausschuss des Bundestags nach seiner Aufnahme in die AfD-Fraktion im Februar 2025. Helferich betont damit, dass er Kultur nicht als abstraktes oder entnationalisiertes Konzept sieht, sondern als etwas, das tief mit nationaler Identität verwurzelt sein sollte. Konkret sprach er von „Volkstheater“ und „schöner Architektur, die anspricht und nicht verhässlicht“ als Beispiele für seine Vorstellung von „rechter Kultur“.

Im Oktober 2024 brachte die AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt unter der Federführung Hans-Thomas Tillschneiders einen Antrag ein, der das Bauhaus als „Irrweg der Moderne“ bezeichnete. Man forderte eine „kritische Auseinandersetzung“ mit dieser Strömung. Man kritisierte dessen „abgrundtiefe Hässlichkeit“ und „Bausünden“, verband dies mit einer Ablehnung internationaler und funktionaler Stilrichtungen zugunsten traditioneller Ästhetik.

Helferich deutet dies mit Begriffen wie „schön“ oder „ansprechend“ an, Tillschneider nennt explizit Vorbilder wie das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt. Beide sehen in der Vergangenheit eine vermeintlich authentischere Form der deutschen Kultur. In diesem Sinne setzt „rechte Kulturpolitik“ auf nationale, romantisierende Identitäten, als „traditionell“ empfundene Ästhetik und eine Abwehr moderner, internationaler Einflüsse.

Kritik an Moderne und Bauhaus

Kann eine Kulturpolitik, die sich gegen die Moderne wendet, etwas genuin Neues schaffen, oder bleibt sie in der Vergangenheit gefangen? Das Bauhaus oder die Avantgarde waren ein Motor für neue Stile, die durch Bruch mit Traditionen entstanden. Antitraditionalistisch nennen sie es, als wäre das ein Schimpfwort, als wäre nicht gerade dieser Bruch mit der Tradition das Einzige, was die Kunst jemals vorwärtsgebracht hat. Rechts verachtet man das Bauhaus, weil es ohne „die“ Nation und ohne die lächerlichen Vorstellungen von Behaglichkeit, die nichts sind als die Sehnsucht nach einem goldenen Käfig, in dem man sich selbst und seine Anhänger einsperren will. Rechts können keine eigenen Ideen entstehen, wenn man sich dort in längst überwucherten Formen einigelt. Wann lernt „rechts“, in den Wunden und Ambivalenzen zu leben und die Moderne in ihrem Wesen zu verstehen und zu akzeptieren? Es gibt nicht „die“ deutsche Geschichte.

Kulturelle Leitmilieus sind nicht rechts

Die rechten Sprecher vertreten Werte, die bestimmten Milieus näherstehen als anderen, denn am Ende stellt sich die grundsätzliche Frage, wer die Träger einer solchen rechten Kultur sein sollen. Blicken wir hierfür auf die zehn SINUS-Milieus, um bestimmen zu können, welche gesellschaftlichen Akteure Einfluss ausüben auf Kulturpolitik, Kunstproduktion, Medien, Bildung und öffentliche Diskurse – also die Fähigkeit, kulturelle Normen und Werte zu prägen. Dabei fallen vier Milieus ins Auge: Postmaterielle (zwölf Prozent), Expeditive (zehn Prozent), Performer (zehn Prozent) und Neo-ökologische (acht Prozent) – als institutionell mächtige Erben der 68er beherrschen sie die Diskursräume, bestimmen, was gefördert wird (zum Beispiel zeitgenössische Kunst, Diversitätsprojekte) und was als „maßgeblich“ gilt, setzen Themen wie Identitätspolitik oder Klimakrise auf die Agenda, die dann kulturell verarbeitet werden und tragen die Werte der 68er weiter – Pluralität, Moderne, Emanzipation –, die seit Jahrzehnten die Kulturpolitik prägen.

Die Milieus wiederum, auf die die aktuelle rechte Politik in Gestalt der AfD zugreift, sind eher jene, für die kulturelle Fragen eine untergeordnete oder nachrangige Rolle spielen. Das Milieu der Prekären (neun Prozent) etwa, für das eine kulturelle Wende schlicht uninteressant ist. Ihr Fokus liegt auf materiellen und sozialen Themen, die mit ihrem Zurechtkommen zusammenhängen. Die Nostalgisch-Bürgerlichen (elf Prozent) und Traditionellen (zehn Prozent) wären zwar die Hauptträger, unterstützt von einem Teil der Konservativ-Gehobenen (elf Prozent), ihre Motivation weniger ideologisch als vielmehr emotional – eine Sehnsucht nach „besseren Zeiten“. Ob das ausreicht, eine Wende „voranzutreiben“, hängt davon ab, ob diese Milieus aktiv mobilisiert werden können oder ob sie passiv bleiben.

Postmaterielle und Performer haben den stärksten institutionellen Einfluss auf die kulturelle Hegemonie, während Expeditive und Neo-Ökologische die Dynamik und Sichtbarkeit liefern. Zusammen machen sie etwa 40 Prozent der Bevölkerung aus, aber ihre Überrepräsentation in urbanen Zentren und Eliten verstärkt ihre Macht. Die Konservativ-Gehobenen könnten eine Brücke zu traditionelleren Werten schlagen, tendieren aber zur Anpassung an den Mainstream. Unter diesen Rahmenbedingungen räsoniert die Kultur der kulturellen Leitmilieus und mit ihnen die präferierten (linksorientierten) Narrative. Die Nachwirkungen der 68er haben Pluralismus und Moderne tief in die Gesellschaft eingeschrieben – vom Lehrplan bis zur Popkultur. Eine Rückkehr zu nationaler, traditioneller Ästhetik würde als Bruch mit dieser Prägung wahrgenommen und von vielen als Regression abgelehnt werden. Das zeigt sich etwa in der breiten Akzeptanz des Bauhauses als Kulturerbe, trotz aller Kritik.

Wie die 68er? Kultur als Werkzeug

Für rechte Politiker scheint Kultur ein Werkzeug der nationalen Selbstvergewisserung, wonach nicht der Mensch kraft seiner Wahrnehmung aus einer vorgefundenen Welt die Kultur formen kann, sondern „die Kultur“ der Menschen oder das Volk. In dieser instrumentellen Logik besitzt Kultur eine Funktion und ist nicht Selbstzweck. Helferichs „positiver Bezug zur Nation“ und Tillschneiders Forderung nach einem „selbstbewusst nationalen“ Theater implizieren, dass Kunst einen Zweck außerhalb ihrer selbst erfüllen muss – nämlich die Förderung eines kollektiven Bewusstseins. Sie hat einen Nutzen zu haben. Kunst als autonomes l’art pour l’art steht demzufolge gemäß dieser Logik in dem Verdacht, mindestens suspekt zu sein, würde gar als „nutzlos“ im Sinne einer übergeordneten Weltanschauung abgelehnt werden. Die Vorstellung, dass Kunst allein ihrer Schönheit oder Form willen existiert, könnte in der rechten Logik als Ausdruck einer elitären, kosmopolitischen Dekadenz gelten – eine Haltung, die sie mit dem „linksliberalen Establishment“ verbinden. Rein ästhetische Experimente ohne „volksnahen“ Charakter würden abgelehnt, ähnlich würde der Fokus auf „ansprechende“ Architektur die autonome Kunst als abgehoben und irrelevant für „das Volk“ diskreditieren.

Die 68er hatten den Boden bereitet, indem sie den Bruch mit dem Historizismus und der Vorstellung einer „deutschen Hochkultur“ legitimierten. Spätere kulturpolitische Maßnahmen – etwa die Unterstützung moderner Kunstformen, die Öffnung von Museen für kritische Ausstellungen oder die heutige Betonung von Diversität – tragen diese Handschrift. Als Lehre aus diesem Werdegang und Wertewandel kann also die folgende gelten: ohne kulturellen und geistigen Vorlauf keinen erfolgreichen Politikwechsel. Und: Es war eine künftige (akademische) Elite, die intellektuell und aktionistisch agierte und zusätzlich auf vergleichsweise geringen Widerstand traf.

Nationale (Post-)Moderne und „Dimes Square“-Bewegung

Welche Gedanken können bei der Überwindung der Fixierung auf Vergangenes eine Rolle spielen? Im digitalen Raum verschmelzen bereits traditionalistische Annahmen mit postmodernen Elementen – Hochkultur mit Popkultur. Die Postmoderne wird dann nicht als linkes Projekt, sondern als Werkzeugkasten betrachtet. Ein Ansatz, den die digital verwurzelte Generation längst beherrscht, bisher meist ironisch und wiederum instrumentell. Die Dekonstruktion linksliberaler Wahrheiten und Autoritäten wird spielerisch betrieben und ist ein fester Bestandteil der aktuellen Auseinandersetzung – im virtuellen Raum.

Physische Beispiele dieser Symbioseleistung sind etwa die „Dimes Square“-Bewegung in New York, ein junger Mikrokosmos anti-woker Künstler, der sich ironisch mit den gesellschaftlichen und kulturellen Themen auseinandersetzt. Der Deutschlandfunk berichtete von „stylish, aber reaktionär“. Diese Subkultur, die ab circa 2020 wirkt, ist explizit keine politische Bewegung, sondern eine kulturelle Strömung, die sich durch eine Mischung aus Ironie und einer Ästhetik der Abgrenzung vom Mainstream auszeichnet. Eine Szene von Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen, die sich um Orte wie das Restaurant Dimes oder die Zeitschrift The Drunken Canal versammelten. Sie wird oft mit einer ironischen, nihilistischen Haltung assoziiert, die sich gegen liberale Orthodoxien und „woke“ Kultur wendet. Prominente Stimmen wie Dasha Nekrasova (vom Podcast Red Scare) oder Schriftsteller wie Honor Levy prägen die Szene. Ästhetisch verbindet sie Retro-Elemente (zum Beispiel 90er-Nostalgie) mit zeitgenössischen Formen (zum Beispiel Memes, Mode). Die Szene wird von Tech-Milliardär Peter Thiel unterstützt, einem Förderer rechter Politiker, was ihr finanzielle und ideologische Rückendeckung gibt.

Dimes Square teilt mit der rechten Kulturpolitik eine Abwehr der Moderne im Sinne der Kritik an der linken Hypermoral und ihrer Sehnsucht nach „Echtheit“, feiert Chaos und Ambiguität, ihre Ironie ist oft nihilistisch, nicht zweckgerichtet wie ein rechter Kulturkampf. Wo die AfD Identität stärken will, spielt Dimes Square mit Identitätslosigkeit, was wiederum verbindet.

Das Ergebnis wäre eine Ästhetik, die Tradition feiert, aber nicht ernsthaft glorifiziert – ein Bruch mit der starren Nostalgie der AfD. Diese Symbiose stellt eine Mischung aus konservativer Sehnsucht und postmoderner Form dar, die Tradition nicht nur wiederholt, sondern spielerisch dekonstruiert. Für die AfD ist dies freilich kein Modell, weil zu unpolitisch und nicht „rechts“ genug. Für das sogenannte Vorfeld zeigt es, wie man zeitgenössische Formen nutzt, ohne die Moderne voll zu umarmen – eine Teilsymbiose, die ihre Reichweite steigern könnte, aber eine gewisse ideologische Klarheit riskiert. Dimes Square, das sind übersetzt die expeditiven und postmaterialistischen Milieus, die zeigen, welche Spielarten sich eröffnen, wenn der Blick über das eigene Selbstverständnis hinaus gewagt wird.

Nichts kommt zurück, kein deutsches Volk und keine Tradition. Was bleibt, ist die Ambivalenz und das Grau einer globalisierten Moderne. Man kann dies ablehnen, kann das Bauhaus heideggernd als Irrweg ablehnen, statt es als „deutschen Minimalismus“ augenzwinkernd und spielerisch einzuhegen, es von rechts betrachten. Was bringt die tausendste Dekadenzrhetorik, die immer wieder und wieder das wiederholt, was längst klar ist. Überwinden wir diese Starrheit endlich und machen wir uns mal locker. Zu fixiert blickt man auf Parteien als Akteure. Partei aber ist System und echte Politik entsteht aus Kultur. Es ist nicht cool, rechts zu sein, wenn daraus nichts entsteht. Cool ist vielmehr derjenige, der es schafft, mit den Phänomenen der Zeit zu spielen und die Starrheiten zu lösen, ohne Grundlegendes zu verleugnen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Kevin Naumann

Kevin Naumann, geboren 1988, ist Autor aus Mitteldeutschland und Herausgeber des Kulturmagazins Die Aster.

Kann FREILICH auf Ihre Unterstützung zählen?

FREILICH steht für mutigen, konservativ-freiheitlichen Journalismus, der in einer zunehmend gleichgeschalteten Medienlandschaft unverzichtbar ist. Wir berichten mutig über Themen, die oft zu kurz kommen, und geben einer konservativen Öffentlichkeit eine starke Stimme. Schon mit einer Spende ab 4 Euro helfen Sie uns, weiterhin kritisch und unabhängig zu arbeiten.

Helfen auch Sie mit, konservativen Journalismus zu stärken. Jeder Beitrag zählt!