Russland und die Wiedervereinigung: Die Stalin-Note

Seit Beginn des Ukrainekrieges stellen sich viele Menschen die Frage nach den künftigen Beziehungen zur Russischen Föderation. Eine Schicksalsstunde der wechselhaften Geschichte zwischen Russen und Deutschen hätte dabei den Kalten Krieg nachhaltig beeinflussen können.

/
/
2 Minuten Lesezeit
Russland und die Wiedervereinigung: Die Stalin-Note

Festansprache Grotewohl zum Stalin-Geburtstag

© Bundesarchiv, Bild 183-09039-0001 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Die Epoche des Kalten Krieges ist für viele Menschen noch keine weit entfernte Vergangenheit, sondern Teil der eigenen Geschichte. Warnungen vor der „Roten Gefahr“ oder dem „westlichen Imperialismus“ klingen noch in den Ohren, waren doch bis vor kurzem beinahe komplett verhallt. Die internationalen Konflikte seit den frühen 2000ern und besonders die Eskalation um die Halbinsel Krim 2014 und den Ausbruch des Krieges im Februar 2022 haben gegenseitige Vorwürfe der Kriegstreiberei, des Bruchs mit internationalem Völkerrecht und ähnliche politische Kraftproben wieder Konjunktur.

Deutschland ist trotz seiner kontinentalen Mittellage im europäischen NATO-Gefüge einmal mehr ein entscheidender Faktor. Mit knapp 40.000 Soldaten beherbergt Deutschland noch immer den größten Teil der US-amerikanischen Streitkräfte in Europa und ist die wichtigste NATO-Macht nach Großbritannien. Als ehemalige „Frontnation“ des Kalten Krieges hält sich bis heute auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs eine gewisse Sympathie für den ehemaligen oder aktuellen Blockführer. Deutschland droht an seiner Haltung, an einem Konflikt zu zerbrechen, in dem er (noch) keine Kriegspartei ist.

Ein Ruhepol in Europa?

Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete gleichzeitig auch ein Ende der europäischen Vorherrschaft auf dem Globus. Die wahren Sieger des Krieges waren nicht die Franzosen oder Briten, sondern die beiden raumfremden Mächte, die sich durch die Schwäche ihrer Feinde und Verbündeten gleichermaßen nun den Kontinent unter sich aufteilten. Da keine europäische Nation fähig oder willens war, nach dem verheerenden Weltkrieg den Konflikt mit den beiden hochgerüsteten Staaten der Erde zu suchen, musste, bis auf wenige Ausnahmen, jede von ihnen die Schirmherrschaft der Amerikaner oder der Sowjets anerkennen. Die Sonderrolle Deutschlands als besiegte, besetzte und geteilte Feindnation divergiert daher nur am Rande mit dem Schicksal der übrigen Staaten in Europa.

Nachdem sich die geopolitische Lage am geteilten Deutschland gefestigt hatte, sollte die Deutsche Frage erst in den Fünfziger Jahren wieder auf den Tagesordnungsplan der Weltgeschichte treten. Da er die Westbindung Deutschlands fürchtete, fingierte Stalin das Angebot der DDR-Regierung an die Westmächte, man möge über eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten und einen ratifizierten Friedensvertrag im Austausch für die Bündnisfreiheit des geeinten Deutschlands verhandeln. Inwieweit dieses Angebot tatsächlich ernst gemeint war, gilt in der Forschung bis heute als umstritten. Durch die Einsicht in sowjetische Archive konnte die Glaubwürdigkeit Stalins Angebot zwar untermauert, jedoch nicht restlos bewiesen werden. Eine Wiederherstellung Deutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen von 1938 war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits ausgeschlossen, da sowohl die polnische als auch die russische Regierung, die preußischen Gebiete bereits als festen Teil ihrer Staatsgebiete ansahen.

Debatten um den „Notenwald“

Die berühmte erste „Stalin-Note“ stellte einen Auftakt für insgesamt vier weitere Dokumente zwischen westlichen Alliierten und Stalin dar, die jedoch wie bekannt nicht zu keiner Einigung führten. Die Gründe hierfür waren zahlreich, zusammenfassend war beiden Parteien klar, dass ein von ihnen kontrolliertes Teil-Deutschland nützlicher war als ein vereintes, unkalkulierbares Deutschland ohne Bündniszwang. Die Pläne wurden jedoch in den Verhandlungen über die Republik Österreich wieder aufgegriffen, vor allem darum, da Österreich eine bedeutend geringere strategische und wirtschaftliche Bedeutung als sein Bruderland hatte.

Durch die Friedensbewegungen der 60er und 70er Jahre gelangte die „Stalin-Note“ erneut zu einiger Bedeutung. Westliche Friedensaktivisten übernahmen Stalins Angebot als vollends ehrlich und warfen dem Westen vor, bewusst auf Kosten der Deutschen ihre Interessen durchgesetzt zu haben. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Glaubwürdigkeit ist die „Stalin-Note“ ein wichtiger Beweis für die geopolitische Bedeutung Deutschlands im Kräfteringen zwischen Ost und West und offenbart, dass uns immer mehr Optionen offen stehen, als uns für eine der beiden Seiten zu entscheiden.

 

Über den Autor

Mike Gutsing

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

Kann FREILICH auf Ihre Unterstützung zählen?

FREILICH steht für mutigen, konservativ-freiheitlichen Journalismus, der in einer zunehmend gleichgeschalteten Medienlandschaft unverzichtbar ist. Wir berichten mutig über Themen, die oft zu kurz kommen, und geben einer konservativen Öffentlichkeit eine starke Stimme. Schon mit einer Spende ab 4 Euro helfen Sie uns, weiterhin kritisch und unabhängig zu arbeiten.

Helfen auch Sie mit, konservativen Journalismus zu stärken. Jeder Beitrag zählt!