Von den Bergen in die Welt – Die Erfolgsgeschichte der Luger „Parabellum“
Neben der Uniform ist die Waffe der entscheidende Unterschied zwischen Soldat und Zivilist. Anlässlich des 100. Todestages ihres Schöpfers hat sich FREILICH-Redakteur Mike Gutsing mit der Geschichte einer der bekanntesten deutschen Dienstwaffen beschäftigt: Der Luger P08 „Parabellum“.
Sie gehören zusammen wie das metaphorische Paar von Pech und Schwefel – der deutsche Soldat der Weltkriege und eine Pistole der Firma Luger. Hinter der markanten Optik und dem auffälligen Kniegelenkverschluss steckt jedoch nicht wie etwa bei der Dicken Bertha der Industrie- und Rüstungsgigant Krupp, sondern das Unternehmen Ludwig Loewe Co., welches unter anderem auch bei der Serienfertigung der Mauser-Pistolen beteiligt war. Doch die Erfolgsgeschichte der Luger „Parabellum“ hätte niemals geschrieben werden können, wenn nicht auch ihr Namensgeber Georg Luger all sein Wissen in ihre Entwicklung gesteckt hätte.
Georg Luger, geboren am 6. März 1849 in Steinach am Brenner, übersiedelte mit seiner Familie kurz nach seiner Geburt nach Padua, das zum damaligen Zeitpunkt noch zum österreichischen Staatsgebiet gehörte. Nach dem Schulabschluss meldete sich Luger freiwillig zum Wehrdienst und diente bis 1878 in der Linieninfanterie. In dieser Zeit entwickelte sich Luger zu einem exzellenten Schützen und war zwischenzeitlich sogar Schießausbilder an der k.u.k. Schießschule bei Bruckneudorf. Hier entwickelte sich auch sein Interesse an den technischen Feinheiten der Waffenausbildung.
Erfolg auf Umwegen
Die Idee für die heute legendäre Seitenwaffe entstand nicht im luftleeren Raum. In den Diensten der Firma Loewe und Co., bei der Luger seit Anfang der 1890-er Jahre als Waffentechniker beschäftigt war, griff er auf die Entwürfe von Hugo Borchardt zurück. Borchardt war ebenfalls Waffentechniker und hatte die Pistole C93 entwickelt. Diese erwies sich jedoch als Ladenhüter, vielen Militärs war die Pistole zu schwer, auch die geraden Griffwinkel und das kleine Kaliber der Patrone überzeugten die Kunden nicht. Luger selbst, der seine Firma in den USA vertrat, übernahm nur den Verschluss der C93 und entwarf ein völlig neues Waffensystem.
Buchempfehlungen der Redaktion:
➡️ Harold James – Krupp: Deutsche Legende und globales Unternehmen*
➡️ Fred A. Datig – The Luger Pistol*
➡️ Walter Lampel und Richard Mahrholdt – Waffenlexikon für Jäger und Schützen*
➡️ Lugs – Handfeuerwaffen. Systematischer Überblick über die Handfeuerwaffen und ihre Geschichte*
Die neue Pistole, die später als „Modell 1900“ oder „Altes Modell“ bekannt wurde, entwickelte sich trotz anfänglicher Skepsis der Militärs in kürzester Zeit zu einem Verkaufsschlager. Noch im Erscheinungsjahr unterzeichnete die Schweizer Armee einen Vertrag und bestellte 5.000 Einheiten des neuartigen Waffensystems. Wenige Jahre später wurde das Modell „Pistole 08“ (ausgehend vom Erscheinungsjahr 1908) zur offiziellen Ordonnanzwaffe der deutschen Streitkräfte; Wilhelm selbst hatte die Einführung der Luger mit einer eigenen Kabinettsorder durchgesetzt. Doch nicht nur die blanke Waffe überzeugte: Das speziell für die deutschen Streitkräfte entwickelte 9-mm-Patronenformat entwickelte durch die hohe Zuverlässigkeit der Waffentechnik ein verheerendes Potenzial, das sie im bald folgenden Weltkrieg an allen Fronten unter Beweis stellen sollte.
Erfinder mit Ikaros-Syndrom
So schnell die Luger „Parabellum“ Weltruhm erlangte und ihren Erfinder reich machte, so schnell ging es mit Georg Luger nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bergab. Wie viele andere Anleger hatte er einen Großteil seines Vermögens in Kriegsanleihen investiert. Das war nicht ganz uneigennützig von Luger, und es ist fast ein Wink des Schicksals, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Ein Jahr nach Kriegsende kam es zu einem Rechtsstreit zwischen Georg Luger und seinem Arbeitgeber, den der weltberühmte Waffentechniker zwar für sich entscheiden und die Rechte an den Patenten für sich behalten konnte. Die große Renaissance seiner weiterentwickelten Luger als Modell „P38“ erlebte der Erfinder nicht mehr. Er starb am 22. Dezember 1928 in Fichtenau bei Berlin, doch sein Name ist als Inbegriff moderner Waffentechnik unsterblich geworden.
Vom Boxeraufstand bis zum Zweiten Weltkrieg wurde die Luger „Parabellum“ zum Aushängeschild der deutschen Dienstwaffen und damit zum Symbol des gesamten Militärs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Produktion der Luger gab es zahlreiche Nachbauten, zum Beispiel in Frankreich und sogar in Vietnam. Die Luger „Parabellum“ gilt heute als Sammlerstück und ist aufgrund ihres einzigartigen Designs bis heute unverwechselbar. Auch das Patronenformat „9 mm Parabellum“ hat es als „9x19mm NATO“ ins 21. Jahrhundert geschafft und gilt als eines der meist verschossenen Patronenformate der Welt. Gerade diese Position hätte dem Schützen und Waffennarren Georg Luger sicher gefallen.
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