Freilich #36: Ausgebremst!

Absurde Gerichtsposse wegen Gedenkveranstaltung: Wenn ein Volkstrauertag zum Drama wird

Was als harmloses Gedenken am Volkstrauertag begann, mündete in ein Strafverfahren, das schließlich in einer Serie von Freisprüchen endete.

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Absurde Gerichtsposse wegen Gedenkveranstaltung: Wenn ein Volkstrauertag zum Drama wird

In Deutschland wird der Volkstrauertag seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen.

© IMAGO / Rene Traut

Koblenz. – Was als ruhige Gedenkveranstaltung am Volkstrauertag 2023 begann, entwickelte sich später zu einem der merkwürdigsten Strafprozesse, die das Amtsgericht Koblenz seit Langem erlebt haben dürfte. Bei dem Treffen auf einem Soldatenfriedhof seien, wie der Autor Johannes Konstantin Poensgen, einer der Teilnehmer, in einem Bericht nun schildert, Lieder vorgetragen, Reden gehalten und ein Kranz niedergelegt worden, bis ein zufällig vorbeikommender Lokaljournalist die Polizei alarmiert habe. Wie sich im Verfahren herausgestellt habe, habe er dies getan, weil die Gruppe auf ihn den Eindruck einer rechten Gesinnung gemacht habe, so Poensgen. Was zunächst als unangemeldete Versammlung registriert worden sei, habe anderthalb Jahre später ein strafrechtliches Nachspiel gehabt.

Vom Platzverweis zum Vorwurf der Volksverhetzung

Im März 2025 hätten alle Beteiligten demnach überraschend Strafbefehle über jeweils 1.600 Euro erhalten. Aus der Einschätzung einer nicht angemeldeten Versammlung sei inzwischen der gravierende Vorwurf gemäß § 130 Abs. 4 StGB geworden: eine angebliche Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der NS-Herrschaft. Um welchen dieser Aspekte es konkret gegangen sein sollte, sei selbst Monate später ungeklärt geblieben. Im Strafbefehl sei als zentrales Element ein angeblich getätigter Satz aufgetaucht: „Das heilige Dritte Reich hat im Zweiten Weltkrieg für die richtige Sache gekämpft.“ Alle Betroffenen haben laut Poensgen Einspruch gegen die Strafbefehle eingelegt.

Chaotische Zeugenaussagen vor Gericht

Ende Oktober dieses Jahres sei es deshalb zum ersten Verhandlungstag gekommen. Dabei hätten die drei Zeugen der Staatsanwaltschaft laut Poensgen ein widersprüchliches Bild gezeichnet. Der Lokaljournalist habe vor allem den subjektiven Eindruck der Gruppe bestätigt, nicht jedoch konkrete Aussagen oder den im Strafbefehl festgehaltenen Satz. Ein weiterer Mann habe erklärt, dass er zwar einmal Aufzeichnungen gemacht habe, diese dann aber wieder vernichtet und dafür neue Aufzeichnungen angefertigt habe. Zeitweise soll er im Zeugenstand auch über seine Mutter gesprochen haben. Ein dritter Zeuge habe, so Poensgen, zwar pflichtbewusst seine Beobachtungen geschildert, jedoch keine belastenden Inhalte beisteuern können.

Auffällig sei gewesen, dass sich die Aussagen vor allem darum gedreht hätten, welche Wortkombinationen mit „Reich“ theoretisch möglich seien. Vom „Deutschen Reich“ bis zum „Himmlischen Reich“ sei alles dabei gewesen, nur das „Dritte Reich“ sei demnach in keiner einzigen Erinnerung vorgekommen. Auch zwei Polizeizeugen hätten nicht erklären können, wie der zitierte Satz überhaupt in die Akten gelangt sei. Nach stundenlangen Befragungen der Zeugen sei die Sitzung vertagt worden.

Beim Fortsetzungstermin habe die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer den Fokus nicht mehr auf das vermeintliche Zitat vom „heiligen Dritten Reich“ gelegt. Stattdessen habe sie argumentiert, dass einzelne Personen durch die Veranstaltung subjektiv gestört worden seien – und dass einer der Angeklagten am fraglichen Tage ausgesehen habe wie Heinrich Himmler. Die Forderung: 3.000 Euro Geldstrafe pro Person, für Auszubildende und Studenten die Hälfte.

Das Urteil: Zehn Freisprüche, zwei Verurteilungen

Wie Poensgen schildert, hat die Richterin zehn der zwölf Angeklagten vollständig freigesprochen. Vom Vorwurf der Volksverhetzung seien sogar alle Beteiligten entlastet worden – die zentrale Anschuldigung sei mangels Beweisen zusammengebrochen. Die juristische Wendung habe sich jedoch aus einer anderen Einstufung ergeben: Das Gericht habe die Zusammenkunft als Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts gewertet. Dadurch seien Gegenstände, die einzelne Teilnehmer bei sich getragen hätten – ein Taschenmesser und ein Pfefferspray –, plötzlich zu Problemfällen geworden. Die Betroffenen seien wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht verurteilt worden und müssten die Kosten nun selbst tragen.

Der Fall zeigt aus Poensgens Sicht grundlegende Probleme des Versammlungsrechts und der Strafprozessordnung. Die Möglichkeit, nahezu jedes Treffen unter freiem Himmel zur „Versammlung“ umzudeuten, eröffne weitgehende Eingriffsrechte. Er ist deshalb überzeugt, dass sowohl der Schutz der Grundrechte als auch die Praxis der Strafverfolgung dringend modernisiert werden müssten.

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