Abweichung vom Narrativ: EU sanktioniert Schweizer Oberst wegen seiner Analysen zum Ukrainekrieg
Ein Schweizer Oberst wurde von der EU zum Sicherheitsrisiko erklärt – nicht wegen Waffen, sondern wegen seiner Worte. Ihm wird vorgeworfen, ein Sprachrohr für „prorussische Propaganda“ zu sein. Der Betroffene weist den Vorwurf scharf zurück.
Brüssel. – Am 15. Dezember 2025 hat die Europäische Union Jacques Baud mit umfassenden Sanktionen belegt. Der Rat der EU verhängte gegen den 69-Jährigen ein Einreiseverbot für den gesamten EU-Raum und ordnete das Einfrieren möglicher Vermögenswerte innerhalb der Union an. Damit sind auch sämtliche seiner geplanten Vortragsreisen in EU-Staaten, darunter Deutschland, untersagt.

EU wirft Baud „Informationsmanipulation“ vor
Baud, geboren am 1. April 1955, ist ein ehemaliger Oberst der Schweizer Armee, ein früherer strategischer Analyst und ein Sachverständiger für Geheimdienste und Terrorismus. Seit Beginn des Ukrainekriegs zählt er zu den bekanntesten Stimmen, die die westliche Berichterstattung kritisch hinterfragen.
In der Begründung der Sanktionen verweist der EU-Rat ausschließlich auf Bauds öffentliche Medienauftritte. In dem im Amtsblatt veröffentlichten Text heißt es: „Jacques Baud, ehemaliger Oberst der Schweizer Armee und strategischer Analyst, ist regelmäßig Gast in prorussischen Fernseh- und Radioprogrammen. Er fungiert als Sprachrohr für prorussische Propaganda und verbreitet Verschwörungstheorien, indem er beispielsweise die Ukraine bezichtigt, ihre eigene Invasion herbeigeführt zu haben, um der NATO beizutreten.“
Daraus leitet der Rat den Vorwurf ab, Baud trage zur Gefährdung der Ukraine bei: „Daher ist Jacques Baud für Handlungen oder politische Maßnahmen, die der Regierung der Russischen Föderation zuzurechnen sind und die die Stabilität oder die Sicherheit in einem Drittland (Ukraine) untergraben oder bedrohen, durch die Beteiligung am Einsatz von Informationsmanipulation und Einflussnahme verantwortlich, setzt diese um oder unterstützt sie.“ Konkrete Quellen oder Belege für diese Einschätzung nennt der Beschluss nicht.
Scharfe Kritik aus der Forschung
Der Neutralitätsforscher Pascal Lottaz, der an der Universität Kyoto lehrt, reagierte auf X mit deutlichen Worten auf diese Entscheidung. Er bezeichnete Baud als einen der nüchternsten und sachlichsten Analysten zum Ukrainekrieg und führte aus: „Jetzt ist es offiziell. Die EU sanktioniert Jacques Baud. Der pensionierte Oberst der Schweizer Armee und ehemalige NATO-Berater hat sich zuvor mit Neutralitätsstudien befasst. Er ist einer der nüchternsten und bestinformierten Analysten überhaupt. Die Begründung: Baud verbreite russische Propaganda, so die EU. Das ist absurd. Die EUSSR ist real.“
Lottaz weist zudem darauf hin, dass EU-Sanktionen keinen richterlichen Ursprung haben: „EU-Sanktionen sind kein Teil der Judikative. Es handelt sich um Strafmaßnahmen, die direkt aus der Exekutive kommen. Das Büro von Kaja Kallas ist für ihre Zusammenstellung und Vorlage verantwortlich. Sanktionen gegen Personen, die von keinem Gericht jemals schuldig gesprochen wurden, sollten nicht möglich sein.“
Keine russischen Quellen oder Medien
Laut Lottaz stand dieser kurz vor Inkrafttreten der Sanktionen in direktem Kontakt mit Baud. Der frühere Oberst weist die Vorwürfe demnach entschieden zurück: „Ja, ich wurde wegen ‚russischer Propaganda‘ sanktioniert. Obwohl ich für meine Bücher kein russisches Material verwende, sondern ausschließlich ukrainische und westliche Informationen, und obwohl ich Einladungen russischer Medien konsequent abgelehnt habe, werde ich trotzdem als ‚russischer Propagandist‘ bezeichnet‘!“
Baud betont, dass es ihm nie um Parteinahme gegangen sei: „Wie ich in meinen Büchern dargelegt habe, geht es in meiner Arbeit nicht darum, wer gut und wer schlecht ist, sondern darum, wie schlecht die Medien die Realitäten vor Ort abbilden. Ich wollte zeigen, dass man selbst ohne russische Informationen ein besseres Verständnis des Konflikts gewinnen kann. Die Idee ist, dass die Art und Weise, wie man eine Krise versteht, bestimmt, wie man sie löst.“ Sein Fazit fällt bitter aus: „Ich habe nicht erkannt, wie recht ich hatte.“
Frankreich als treibende Kraft des Sanktionspakets
Nach Darstellung des französischen Außenministers Jean-Noël Barrot geht die Initiative für die aktuellen Sanktionen maßgeblich auf Frankreich zurück. Barrot bezeichnete die gelisteten Personen öffentlich als „Agenten der russischen Destabilisierung“.
Beobachter wie der deutsche Journalist Florian Warweg sehen darin eine zunehmende Praxis, bei der einzelne EU-Mitgliedstaaten darüber entscheiden, welche Journalisten und Analysten auf die Sanktionsliste gesetzt werden.
Neben Baud wurden der französische Unternehmer Xavier Moreau, der US-Amerikaner John Mark Dougan und die Journalistin Diana Panchenko sanktioniert. Zudem traf es mehrere russische Politikwissenschaftler.




