Auf der AfD-Wahlparty in Pankow: Bier, Schnitzel und linke Krawalle
Die AfD hat bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen gut abgeschnitten. Gefeiert wurden die Ergebnisse auch auf einer AfD-Wahlparty in Pankow. In seinem Kommentar für FREILICH fasst der Autor Ilia Ryvkin seine Eindrücke des Abends zusammen.
Vor dem Bürgerbüro der örtlichen AfD im Pankower Stadtteil Blankenburg flattert eine Deutschlandfahne. Polizei und Absperrgitter blockieren die Zufahrtswege, ein paar blaue Zelte wurden aufgebaut, die Gäste können nicht direkt passieren und müssen einen Umweg nehmen. Insgesamt sind am Sonntag drei Kundgebungen gegen die AfD angemeldet. Die Antifa hat unter dem Titel „AfD-Wahlparty crashen“ zum Protest aufgerufen. Es werden Krawalle erwartet.
Kalte Getränke und moderate Gespräche
Bislang hatte ich an keiner Veranstaltung der AfD teilgenommen, Parteipolitik hat mich nie besonders interessiert. Die heutigen Wahlen versprechen jedoch, so heißt es, tektonische Verschiebungen in der politischen Landschaft. Da lohnt es sich, genauer hinzusehen.
„Großes Helles? Macht zwee Euro, der Herr.“
Der freundliche Wirt im Preußenadler-T-Shirt bringt mir ein kaltes Bier. Auch wenn die Partei in den Augen mancher, einschließlich russischer Medien, eine Gefahr für die Demokratie darstellt, sind die Preise hier ganz demokratisch. Schließlich ist Bier auch in Deutschland das unverzichtbare Grundelement jeder politischen Sozialisierung. Ein paar Dutzend Parteianhänger warten auf die nächsten Zahlen der Hochrechnung, unter den Anwesenden Gerhard Zaucker, der mir aus der skurrilen no-budget Kiez-Filmkomödie „Im Bezirk“ in bester Erinnerung ist. Die Stimmung ist gut, man hofft auf ein triumphales Ergebnis und diese Hoffnung wird an diesem Wahlsonntag nicht enttäuscht werden, auch wenn es den krakeelenden Störern, die inzwischen auf der anderen Seite der Absperrung einen Lastwagen mit Bühne aufgefahren haben, nicht gefällt.
Ständiges Blaulicht in der Nacht
Bald beginnt die Rede von Frau Beatrix von Storch. Ich bin Frau von Storch bisher nicht persönlich vorgestellt worden, obwohl ich sie einmal in Berlin-Wedding gesehen habe, nicht weit weg von meiner Wohnung. Damals hatte das Paul Gerhardt Stift 110 hochbetagte Senioren aus dem Pflegeheim am Schillerpark herausgeworfen, um stattdessen Flüchtlinge unterzubringen. Eine Flüchtlingsunterkunft sei aufgrund besserer öffentlicher Zuschüsse rentabler, hieß es. Im Wedding läuft es auch sonst nicht besonders gut. Vielleicht bin ich altmodisch, aber Crack in der U-Bahn-Station zu rauchen, halte ich für falsch. Die Polizeiplakate in meiner Straße wechseln, mal sucht man nach „Zeugen nach Tötungsdelikt“, jemand wurde an der Ecke abgestochen, mal wurde der Späti an der Ecke von zwei Vermummten ausgeraubt. Das Intifada-Geballer nach dem 7. Oktober letzten Jahres hat mittlerweile wieder nachgelassen. Jetzt ist es nachts wieder ruhiger. Das ständige Blaulicht in der Nacht finde ich grundsätzlich nicht mal so unangenehm.
Freude über das Wahlergebnis
Inzwischen treffen die ersten Nachrichten aus den Wahllokalen ein. Ein sensationeller Sieg in Thüringen. Und auch in Sachsen freut man sich über der Erfolg der AfD. Das Catering serviert Salate und herzhafte warme Speisen. Von den großen Fernsehbildschirmen plärren Vertreter von CDU, BSW und anderen Parteien. Kein Mensch will das hören – an diesem Tag gilt nur die AfD.
Ich lege mir Schnitzel und Gemüse auf den Teller und lausche den Gesprächen der Parteimitglieder. Kein einziger rechtsradikaler Unterton erreicht meine Ohren. Stattdessen hört man moderat-bürgerliche Kritik an der katastrophalen Politik der Bundesregierung. Die Anwesenden wirken bodenständig, alles andere als radikal. Einfache Deutsche, alt wie jung, Frauen wie Männer, meist mit spürbarem Ostbezug.
Keine überraschende Darstellung aus Russland
Trotz der Jubelwellen dringt der anhaltende Protest von außen weiter durch. Wer über die Zäune schaut, sieht Gruppen von Protestierenden, die das Wahlergebnis nicht akzeptieren wollen. Schwarz gewandete Antifas, freiwillige Helfer des Staatsschutzes und Spezialisten für das Privatleben der Oppositionellen sind unterwegs. „Alerta! Alerta!“ schreit der subventionierte Anarchistenmob. Dennoch treffen die rockigen Bässe von Rage Against the Machine von draußen offensichtlich den Musikgeschmack einiger Anwesender auf unserer Seite des Zauns, aber nicht von allen.
„Man sollte hier mal besser deutsche Schlager laufen lassen“, meint ein älterer Herr. „Beim Genossen Stalin wäre das Gesocks gleich im Gulag gelandet“, sagt mir ein anderer, der mich als Russen erkannt hat. Damit hat er wohl recht. Der gesprächige Herr, meine ich, nicht der Genosse Stalin.
Nebenbei lese ich auf meinem Telefon die russischen Nachrichten: „Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Rechtsextremen in Deutschland Wahlen gewonnen“ – die Darstellung überrascht mich nicht, also scrolle ich weiter. Ich finde übrigens in den russischen Medien keine einzige kritische Bemerkung über Sahra Wagenknecht. Ihre antifaschistische Rhetorik scheint in Moskau bestens anzukommen. Sowjet-Boomern etwas erklären zu wollen, ist ein hoffnungsloses Unterfangen.
„Die Redefreiheit endet“, kreischt schließlich eine männliche Stimme draußen, „wenn sie die Gefühle anderer verletzt.“ Die Gefühle des Redners scheinen gerade zutiefst verletzt zu sein, so wie hier das Drama des Protests gegen das Ergebnis demokratischer Wahlen lautstark wie auf einer Schulbühne inszeniert werden muss. Plötzlich ertönt – ebenfalls von draußen – ganz laut der Satz, für den als Euphemismus „Döp-Dö-Dö-Döp“ verwendet wird. Ich gehe lieber wieder rein und hol mir noch ein Bier.