Berlin: Muslimbrüder sollen militante Salafisten ‚deradikalisieren‘

Mit einer unorthodoxen Strategie lässt der Berliner Innensenator aufhorchen. Er möchte im Kampf gegen militante Salafisten auf die Zusammenarbeit mit der islamistischen Muslimbruderschaft bauen.
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Berlin: Muslimbrüder sollen militante Salafisten ‚deradikalisieren‘

Will auf Muslimbrüder bauen, um Salafisten zu bekämpfen: Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). Bild (Geisel 2016): Sandro Halank via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0] (Bild zugeschnitten)

Mit einer unorthodoxen Strategie lässt der Berliner Innensenator aufhorchen. Er möchte im Kampf gegen militante Salafisten auf die Zusammenarbeit mit der islamistischen Muslimbruderschaft bauen.

Berlin. – Der Plan von Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist es laut Tagesspiegel, dass Personen – welche der politischen Gewalt abschwören, im „legistischen Spektrum“ andocken. Damit meint er insbesondere die Muslimbrüder sowie weitere Gruppierungen, welche einen Gottesstaat anstreben, allerdings ein ‚gemäßigtes‘ Auftreten haben.

„Glaubwürdige Aufnahme“ im ‚gemäßigten‘ Islamismus

Es gelte dabei, solchen Personen eine Plattform zu bieten, welche diese „glaubwürdig aufnimmt“. Betreffen soll die Maßnahme neben ansässigen Salafisten etwa auch Rückkehrer nach Deutschland, welche noch unlängst für die dschihadistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nahen Osten kämpften.

Gleichzeitig ist dies nicht das erste Mal, dass Offizielle der Stadt Berlin mit einer weichen Flanke zur Muslimbruderschaft für Schlagzeilen sorgen. Eine Auszeichnung für die in deren mutmaßlichem Umfeld befindliche Dar-as-Salam-Moschee durch den regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) weckte im Jahr 2015 einigen Unmut.

Fast 2.000 Islamisten in Berlin

Seinen riskanten Vorstoß wagte Geisel anlässlich der Vorstellung des jüngsten Jahresberichtes des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Dieser attestiert der islamistischen Szene in Berlin weiteres Wachstum. Man schätzt diese auf derzeit 1,995 Personen (plus 10 Prozent). Im für die neue Maßnahme tauglichen Milieu bewegen sich 600 Menschen, ein Fünftel davon sollen Muslimbrüder sein. Die Verfassungsschützer beobachten in diesem Zusammenhang weiterhin vier Vereine.

Der unangefochtene Spitzenreiter in der Statistik bleiben dennoch die Salafisten. Die besonders strikte Strömung kennt mit 1,020 Personen erstmals eine vierstellige Anhängerzahl, ein Drittel mehr als noch 2015 (damals 680). Weitere 500 Leute sympathisieren demnach mit der türkischen „Milli-Görüs-Bewegung“.

Auch Linksextremismus auf dem Vormarsch

Neben der islamistischen Szene verzeichnet auch das linksextreme Milieu in Berlin weiteren Zuwachs. Mit 3,140 Personen (2017: 2950) bilden sie das stärkste verfassungsfeindliche Spektrum in Berlin. Etwa 970 davon gelten als gewaltbereit, wobei Geisel zufolge insbesondere der maoistische „Jugendwiderstand“ durch hohes Aggressionspotential auffällt. Das Wachstum der Szene erklären sich die Verfassungsschützer auch mit der steigenden Attraktivität der „Roten Hilfe“ (1650, plus 200).

Diese linksextreme Gruppierung unterstützt auch Personen, gegen die aufgrund einschlägiger politischer Delikte ermittelt wird. Vor einigen Monaten kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an, ein Verbot prüfen zu lassen. Die Jusos und die Grüne Jugend solidarisierten sich daraufhin mit dem umstrittenen Verein – Die Tagestimme berichtete.

Rückgang im Bereich Rechtsextremismus

Rückläufig ist in Berlin hingegen das Potential rechtsextremer Strömungen, diese würden nur mehr 1,410 Personen zählen (minus 20), etwa 700 davon gewaltbereit. Insbesondere die NPD als Vertreterin der klassisch altrechten Szene schrumpfte im Beobachtungszeitraum um zehn Prozent auf nur mehr 210 Mitglieder.

Gleichzeitig bescheinigt der Bericht einen Anstieg im Bereich „muslimfeindlicher Rechtsextremisten“, welche sich aus dem Umfeld der prinzipiell nicht extremistischen „Merkel muss Weg“-Demos rekrutieren sollen. Inwiefern der Rechtsextremismusbegriff des LfV Berlin also eine gewisse Unschärfe aufweist, bleibt also durchaus strittig.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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