Bundestag: Diese Radikalen sitzen neu für die Linke, SPD, und Grünen im Parlament
Am 25. März konstituiert sich der neue Bundestag. Mehr als 200 Abgeordnete, die bisher nicht im Parlament saßen, ziehen ein. Einige von ihnen vertreten allerdings ziemlich radikale Ansichten. FREILICH stellt eine kleine Auswahl vor.
Die Vorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, zieht für ihre Partei neu in den Bundestag ein.
© IMAGO / dts NachrichtenagenturVor rund zwei Wochen wurde in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Dieser wird sich in rund drei Wochen konstituieren, wobei einige Abgeordnete zum ersten Mal im Parlament sitzen werden. Insgesamt gehören dem 21. Deutschen Bundestag 630 Abgeordnete an, davon sind nach dem vorläufigen Ergebnis 230 neu gewählt, 400 gehörten bereits dem vorherigen Bundestag an. Bemerkenswert ist auch die Altersspanne im neuen Parlament, die von 23 bis 84 Jahren reicht. Der jüngste Abgeordnete heißt Luke Hoß und sitzt künftig für Die Linke im Parlament. Ein Jahr älter und damit zweitjüngstes Mitglied des Bundestages ist seine Fraktionskollegin Zada Salihović. Im neuen Bundestag sitzen künftig auch einige Abgeordnete mit sehr radikalen Ansichten, Salihović ist eine von ihnen. Doch zunächst ein Blick auf die Fraktionsvorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, deren Positionen nicht weniger radikal sind.
Ines Schwerdtner (Die Linke)
Ines Schwerdtner hatte die Linke zusammen mit ihrem Co-Bundesvorsitzenden Jan van Aken in den Bundestagswahlkampf geführt – und das auch noch sehr erfolgreich. Im Gegensatz zu ihrem Parteikollegen übt Schwerdtner aber noch nicht so lange eine politische Funktion aus, auch wenn sie schon als Jugendliche politische Debatten verfolgte und später als Praktikantin der Linken-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch tätig war. Zu Beginn ihres Masterstudiums in Politischer Theorie arbeitete sie als freie Journalistin und Publizistin und übernahm gleichzeitig die Koordination der marxistischen Zeitschrift Das Argument, die sie bis 2019 innehatte. Ein Jahr später gründete sie gemeinsam mit anderen die sozialistische Zeitschrift Jacobin, die sie bis 2023 als Chefredakteurin leitete. Während ihres Studiums engagierte sich Schwerdtner in politischen Initiativen wie „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ aus Berlin, die vor einigen Jahren einen erfolgreichen Volksentscheid über die Enteignung und Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen erreicht hat. Außerdem war sie Referentin des Vorstandsvorsitzenden der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Seit Sommer 2023 ist Schwerdtner Mitglied der Linkspartei, im Oktober 2024 wurde sie gemeinsam mit van Aken zur Bundesvorsitzenden gewählt. Erst im Januar dieses Jahres veröffentlichte sie ein Papier zur sogenannten antifaschistischen Wirtschaftspolitik, in dem sie wirtschaftliche Unsicherheit als Nährboden für rechtspopulistische Bewegungen bezeichnete. In einer aktiven Sozial- und Wirtschaftspolitik sieht sie ein wichtiges Mittel gegen diese Entwicklungen. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik von AfD und CDU hält sie für ungeeignet. Sie kritisiert vor allem die „Angriffe auf den Sozialstaat“, die etwa die „Agenda 2030“ der CDU vorsieht. Das linke Wirtschaftspapier enthält drei Grundsätze: Erstens 2,4 Billionen Euro in den nächsten zehn Jahren für öffentliche Investitionen (Wohnungen, Infrastruktur, Schulen). Zweitens sollen Mieten und Energiepreise gedeckelt werden. Dafür fordert sie die Aussetzung der Schuldenbremse und die Einführung einer Vermögens-, Erbschafts- und Reichensteuer. In einem Interview mit der linken Tageszeitung nd sagte sie außerdem, sie bleibe dabei: „Antifa heiß Wohlfahrtsstaat“.
Ferat Koçak (Die Linke)
Ferat Ali Koçak ist Sohn kurdischer Einwanderer und war bis zuletzt Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Nach der Bundestagswahl, bei der er im Wahlkreis Neukölln mit 30 Prozent der Erststimmen ein Direktmandat errang, zieht er nun für die Linke in den neuen Deutschen Bundestag ein. Sein politisches Engagement basiert auf dem Kampf gegen Rechts. Das Erstarken rechter Gruppierungen und der AfD hatten ihn 2016 dazu bewogen, der Partei Die Linke beizutreten. Seine Schwerpunkte liegen auf den Themen Antirassismus, Antifaschismus sowie Klimagerechtigkeit. In der Vergangenheit fiel der Politiker allerdings immer wieder durch kontroverse Äußerungen auf. So kritisierte er im vergangenen Jahr etwa das PKK-Verbot. Vorausgegangen war die Durchsuchung eines kurdischen Kulturzentrums, dessen Co-Vorsitzender Hüseyin Yılmaz um das Jahr 2000 Bürgermeister einer türkischen Stadt für die Partei HADEP war, deren Politik auch von der PKK beeinflusst wird. „Immer wieder nutzt die deutsche Politik das PKK-Verbot, um willkürlich gegen kurdische Vereine und Aktivistinnen vorzugehen. Die deutsche Politik macht sich zum Komplizen des türkischen Faschismus“, kritisierte Koçak damals. Die PKK ist in Deutschland bereits seit 1993 verboten und steht seit 2002 auch auf der EU-Terrorliste.
Koçak ist auch als Organisator von Palästina-Demonstrationen bekannt und soll der Gruppe „Marx21“ angehören, die den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 als „Gegenschlag“ bezeichnete. Er selbst bezeichnete die Reaktion Israels als „brutalen Angriff“, der „noch viel weniger“ gerechtfertigt gewesen sei. Bei einigen von ihm angemeldeten propalästinensischen Demonstrationen soll es außerdem zu antisemitischen Vorfällen gekommen sein. Auch deshalb wird dem Linken-Politiker von vielen Beobachtern eine antisemitische Haltung vorgeworfen. Er selbst beteuert jedoch: „Natürlich sind wir gegen Antisemitismus“. Dennoch hatte er im Februar dieses Jahres den britischen Politiker Jeremy Corbyn zu einer Wahlkampfveranstaltung eingeladen. Corbyn steht wegen seiner Verharmlosung der Hamas in der Kritik. Die Veranstaltung wurde daraufhin abgesagt.
Der kurdischstämmige Politiker unterstützt zahlreiche einschlägige Vereine und Organisationen, darunter die Rote Hilfe – eine Solidaritätsorganisation für kriminelle linke Aktivisten –, die Migrantifa, die vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestufte Organisation Interventionistische Linke sowie türkische und kurdische linke Gruppen. Er ist außerdem Mitbegründer der Gruppe „Ihr seid keine Sicherheit“, die von manchen als „Polizeihassergruppe“ bezeichnet wird, sowie von „Kein Generalverdacht“.
Erst kürzlich posierte Koçak im Bundestag mit einer Wassermelone, die von palästinensischen Anti-Israel-Aktivisten als Symbol verwendet wird: Ihre Farben – rotes Inneres, grün-weiße Schale und schwarze Kerne – spiegeln die Farben der palästinensischen Flagge wider.
Der neu gewählte Linke-Abgeordnete @der_neukoellner hat ein neues Foto von sich aus dem Bundestag veröffentlicht. Darauf ist zu sehen, dass er eine Wassermelone – ein Symbol für Palästina – dabei hat, sowie ein Schild mit der Parole „Jin, Jiyan, Azadi“ und ein weiteres mit der…
Ende 2023 sorgte er zudem schon mit einer Äußerung im Zusammenhang mit dem systematischen Diebstahl durch Asylbewerber in einem Supermarkt in Bayern für Aufsehen, als er erklärte, Migranten würden sich nur zurückholen, was ihnen zustehe. Auch die Taten der „Hammerbande“ um Lina E. kommentierte er im selben Jahr in einem Beitrag in den Sozialen Medien: „Wer sich gegen Nazis organisiert, ist nicht kriminell, sondern wird kriminalisiert“, schrieb er auf X. Gleichzeitig bekundete er seine Solidarität mit der Linksextremistin.
Solidarität mit #LinaE Wer sich gegen Nazis organisiert ist nicht kriminell sondern wird kriminalisiert! Das zeigt erneut, wie wenig Deutschland aus der eigenen Geschichte gelernt hat. Gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus. taz.de/Prozess-gegen-…
Zada Salihović (Die Linke)
Zada Salihović, die künftig ebenfalls für die Linke im Bundestag sitzen wird, wurde 2000 in Pirna als Tochter eines Serben und einer Sächsin geboren. Mitglied der Linken ist sie erst seit 2023. Ihr politisches Engagement begann aber bereits 2014, als sie ihre erste Demonstration besuchte, eine gegen die Pegida-Bewegung. In ihrer Arbeit setzt sie sich mittlerweile vor allem für die Themen Feminismus, Gleichstellungspolitik und Antifaschismus ein, das und ihre damit verbundene radikale Haltung spiegelt sich auch in den Sozialen Medien wider.
Auf ihrem Instagram-Profil, wo ihr im Vergleich zu ihren Parteigenossinnen Schwerdtner und Heidi Reichinnek derzeit bescheidene 1.500 Nutzer folgen, präsentiert sich die junge Abgeordnete in einem Pullover mit Antifa-Logo. So verwundert es nicht, dass die Gewerkschafterin mit der „großen Klappe“, wie es in der Kandidatenvorstellung über sie heißt, auch „auf jeder Antifa-Demo zu treffen“ sei und mit ihrem Instagram-Account zahlreichen einschlägigen Accounts folgt. Darunter sind beispielsweise die Accounts „Undogmatische radikale Antifa DD“ oder „This is Saxony“.
Ersterer teilte erst vor wenigen Wochen anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg ein Foto, auf dem auf einer Mauer der Schriftzug „Gedenken abschaffen und Nazis blockieren“ zu sehen ist. Die Linken-Abgeordnete Salihović markierte diesen Beitrag mit einem „Gefällt mir“.
Der zweite Account teilt unterdessen gerne „satirische“ Beiträge und Memes – einer davon macht sich über die rechten und vermeintlich rechten Opfer des Angriffs der linksextremen „Hammerbande“ in Budapest im Jahr 2023 rund um den „Tag der Ehre“ lustig. Zu sehen ist dabei ein Bild der Überwachungskamera, die den Angriff auf eines der Opfer aufgezeichnet hat – auf dem Bild prangt der Schriftzug: „Hammer der Woche – Antifaschismus“.
Ein weiterer Account, der sich in ihrer „Gefolgt“-Liste befindet, solidarisiert sich mit der Linksextremistin Lina E., die als Rädelsführerin der „Hammerbande“ gilt und Mitte 2023 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, mehrfacher gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Urkundenfälschung, Diebstahls und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten noch nicht rechtskräftig verurteilt wurde.
Salihovićs radikale Haltung zeigt sich auch in ihrem Musikgeschmack. In einer ihrer Stories, die sie vor rund zwei Wochen auf Instagram geteilt hat, ist ein Demoaufruf zu sehen, den sie mit dem Lied „Siamo Tutti“ des kommunistischen Rappers Disarstar unterlegt hat. In dem Lied geht es um Hass auf den deutschen Staat und Gewaltandrohungen, wie die Liedzeilen „Wir kommen in Schwarz, Digga, mit ein paar Litern Ethanol, keine Liebe für den Staat, siamo tutti Antifa“ eindrucksvoll zeigen.
Von der Verteidigung der Nation oder zumindest nationaler Interessen hält Salihović aber wohl ohnehin wenig. Gegenüber dem Spiegel erklärte sie erst kürzlich in Bezug auf die Wehrpflicht oder andere verpflichtende Dienste: „Anstatt nationale Interessen zu verteidigen, sollten wir uns auf die Entwicklung einer Gesellschaft konzentrieren, in der alle Menschen ein würdevolles Leben führen können“. Im Bundestag, in den sie über die sächsische Landesliste einzog, möchte sie künftig vor allem die „Prinzipien“ und „Werte“ der Gewerkschaft mehr in die Politik bringen
Timon Dzienus (Grüne)
Ein weiterer neuer junger Abgeordneter ist Timon Dzienus. Er war bereits seit 2011 in der Schulpolitik und in verschiedenen Räten aktiv, nachdem er ein Jahr zuvor der Grünen Jugend beigetreten war. Von 2021 bis 2023 war er Co-Bundessprecher der grünen Jugendorganisation. Bei der Bundestagswahl trat Dzienus für die Grünen als Direktkandidat im Wahlkreis Stadt Hannover an und zog schließlich über Platz sechs der niedersächsischen Landesliste in den Bundestag ein. Seine Arbeitsschwerpunkte sind nach eigenen Angaben Antifaschismus, Innen- und Arbeitspolitik sowie – naheliegend – das Thema Klima. Wie die bisher vorgestellten Kandidaten fiel auch Dzienus in der Vergangenheit durch kontroverse Aktionen und Äußerungen auf. So sammelte er 2020 rund 75.000 Euro für die Aufnahme von Migranten im Mittelmeer und erklärte: „Seenotrettung ist kein Verbrechen“. Auslöser für die Spendenaktion war ein Bericht der Bild darüber, dass der deutsche Moderator Jörg Pilawa wegen Corona nicht auf seine Privatinsel konnte und die anschließende Diskussion mit Benedikt Brechtken von den Jungen Liberalen. „Erst 600 Tote am Tag und dann auch noch das …“, schrieb der Grünen-Politiker auf X. Darunter folgte seine Enteignungsphantasie: „Anders ausgedrückt: DEINE SCHEIß INSEL IST MIR EGAL, DIE WERDEN WIR DIR ABER AUCH WEG NEHMEN, WENN WIR DICH ENTEIGNEN!“
Erst 600 Tote am Tag und dann auch noch das...
Für Aufsehen sorgte er auch schon 2019 mit einem Beitrag auf X, in dem er schrieb: „Natürlich kennen die Grünen Vaterlandsliebe! Wir kennen und verachten sie.“ Damals war er Sprecher der Grünen Jugend Niedersachsen.
Aufsehen erregten auch seine Äußerungen im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Lina E. und drei Mitangeklagte, das er auf X als „völlig übertrieben“ und „Quatsch“ bezeichnete. Am Ende forderte er „FreeLina“. Es verwundert daher nicht, dass er auf Instagram zahlreichen einschlägigen Antifa-Accounts folgt.
Für seinen Beitrag auf X erntete er damals sogar Kritik aus den eigenen Reihen. Die damalige Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl in Hessen, Angela Dorn, nannte den Tweet „fatal“. Die Äußerung „zweifle einen Prozess im Rechtsstaat an“ und „verharmlost in der Konsequenz schwere Gewalttaten als Ausdruck von politischem Aktivismus“.
Serdar Yüksel (SPD)
Ähnlich wie bei Koçak ist auch bei Serdar Yüksel der Kampf gegen Rechts und damit auch gegen die AfD eine der Triebfedern für seine politische Arbeit, die er seit seiner Jugend betreibt. Mit 15 Jahren trat er in die SPD ein, später war er auch bei den Jusos aktiv. Er wollte nicht immer nur lesen oder darüber diskutieren, was im Land passiert, sondern das Leben in Deutschland mitgestalten. An Nordrhein-Westfalen, wo der Politiker mit türkischen Wurzeln 1973 geboren wurde, schätze er, dass es „von jeher ein Einwanderungsland“ und ein „Schmelztiegel der Kulturen“ gewesen sei. Neben seiner Arbeit als Abgeordneter – künftig für die SPD, für die er als Direktkandidat in den Bundestag gewählt wurde – ist Yüksel Aufsichtsratsmitglied der UNO-Flüchtlingshilfe und Vorstandsmitglied in zwei Kreis- beziehungsweise Bezirksverbänden des Wohlfahrtsverbandes AWO.
Die AWO, die sich dem Vernehmen nach als parteipolitisch neutral bezeichnet, hatte erst im Mai vergangenen Jahres erklärt, Mitglieder der AfD entsprächen nicht den Werten des Verbandes. Immerhin sei in der Satzung der AWO unter anderem die Förderung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung festgeschrieben. „Es ist Satzungszweck, dass wir darauf hinweisen, wo die Feinde des demokratischen Staatswesens sitzen. Die sitzen ganz klar bei der AfD“, betonte damals AWO-Bundesgeschäftsführerin Kathrin Sonnenholzner.
Angesichts der Haltung der AWO zur AfD verwundert Yüksels Engagement für den Verband nicht, kämpft der Politiker doch vor allem in Westdeutschland verzweifelt gegen die auch dort immer stärker werdende AfD. Dass so viele Menschen bei der Bundestagswahl die AfD gewählt haben, bezeichnete er als „demokratiegefährdend und zersetzend“. Wenn es in den nächsten vier Jahren in Deutschland so weitergehe wie bisher, nur mit anderen Protagonisten, dann habe man 2029 „ein ganz großes Problem“ – in Gelsenkirchen gebe es dieses „Problem“ bereits. Die Stadt ist einer von zwei Wahlkreisen in Westdeutschland, in denen die AfD erstmals die meisten Zweitstimmen erhalten hat.