Die Brandmauer ist nicht das Problem der AfD
Seit dem Erstarken der AfD tobt in Deutschland die Debatte um die sogenannte „Brandmauer“. Viele Beobachter glauben, dass sie die AfD lähme. Doch ist die Brandmauer wirklich das größte Problem der AfD?
Die Brandmauer gegenüber der Alternative für Deutschland ist eine demokratietheoretische Bankrotterklärung der bisher das Land in diversen Koalitionskonstellationen regierenden Parteien. Das unglaubliche Unverständnis des Aufkommens und des Erfolges der AfD seitens des aktuellen Machtkartells, das sich im „Kampf gegen Rechts“ zusammengeschlossen hat, verstört. Das Vermögen oder der Wille, die AfD und ihren Aufstieg als Reaktion auf jahrelang falsch getroffene Entscheidungen in zentralen Politikbereichen begreifen zu wollen, war und ist weiterhin nicht vorhanden.
Dieses Paradoxon hat Prof. Werner J. Patzelt mit seinem AfD-Buch „Deutschlands blaues Wunder“ (2025) überzeugend herausgearbeitet und die politischen Fehler beim Umgang mit der AfD mit dem Verrat an den Prinzipien der pluralistischen Demokratie seitens der Kartellparteien klar und schonungslos benannt. Die Frage, ob und inwieweit die AfD nun allerdings selbst proaktiv am Abbau dieser Brandmauer arbeiten solle, verkennt meines Erachtens, dass es sich eben nicht um eine reziproke Veranstaltung handelt. Es ist ein einseitiger Pakt von CDU bis zur Linkspartei, auf den die AfD letztlich keinen Einfluss hat.
Die CDU will ein „Weiterso“
Dieser Tatsache widerspricht auch nicht die im Wahlkampf gegenüber der Christdemokratie seitens der AfD-Spitzenkandidatin entgegengestreckte Hand für einen echten Politikwechsel, den Deutschland in Fragen der krass fehlgeleiteten Migrations-, Energie-, Außen- und Sicherheits- sowie Schulden- und Wirtschaftspolitik dringend bedarf. Denn diese ausgestreckte Hand war und ist kein Koalitionsangebot, sondern vielmehr das Signal an die Wähler, die diese Politikwende erwarten, dass sie nur mit der AfD zustande käme, und eben nicht mit der Wahl einer zwar nach rechts blinkenden, aber im Bündnis mit den anderen Linksparteien gefangenen CDU einlösbar wäre.
Die ausgestreckte Hand ist das Signal an diejenigen Wähler, die die CDU aus Enttäuschung eigentlich nicht mehr wählen wollen oder/und können und noch zweifeln, ob sie der AfD (schon) ihre Stimme geben können. Es war und ist kein Angebot an die aktuelle Funktionärselite der CDU, sondern der Hinweis auf den Evidenzbefund: Die CDU kann zwar im Wahlkampf – unser Programm abschreibend – sagen wollen, was sie – uns vermeintlich Stimmen klauend – scheinbar will, aber ihr Tun bleibt letztlich, da ohne eigene Mehrheit, ein Weiterso.
Warum die CDU keine echte Wende wagt
Die AfD weiß genau, dass eine Koalition mit dieser CDU und ihren aktuellen Funktionären nicht realistisch ist und ein Buhlen um sie keine Ergebnisse zeitigen würde. Zu groß ist deren Angst vor der übergroßen Linksfront, gegen die sie in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur nichts unternommen hat, die sie vielmehr selbst mit unterstützt und mit Bundestags-Millionen in der Merkel-Ära gemästet hat.
Klares Zeichen dessen, dass mit der CDU kein Neustart in einem imaginären „Bürger-Block“ zusammen mit der AfD zu machen ist, ist die Tatsache, dass selbst der linke Straßen- und Massenprotest vor dem Konrad-Adenauer-Haus im Nachgang des mit der AfD symbolisch im Deutschen Bundestag abgestimmten Zuwanderungsbegrenzungsgesetzes nicht zu der Erkenntnis geführt hat, dass sie knallhart vor der richtungsweisenden Entscheidung steht, entweder im „Bürgerblock“ Politik Mitte-Rechts gegen die öko-sozialistischen Linksfront zu machen oder eben im Verbund der Linksfront mit SPD und Grünen Deutschland weiter in den wirtschaftlichen Niedergang zu führen. Nein, diese CDU hält dem zivilgesellschaftlich links gedrehten Druck (noch) nicht stand.
Die Angst vor der linken Front
Der Versuch, seitens der AfD an einem Abbau der von den gegen Rechts/=AfD blind kämpfenden Parteieliten gegen sie errichteten Brandmauer zu arbeiten, ist daher keine Option. Die Brandmauer ist und bleibt allein das Problem der CDU, die sich mit ihr auf Gedeih und Verderb auf links-grüne Koalitionsmehrheiten zwingt beziehungsweise bei Strafe ihres Untergangs selbst dazu verdammt.
Das heißt aber nun nicht, dass die AfD die Hände passiv in den Schoß legen sollte, nach dem Motto, erstens, die CDU scheitere an ihrer eigenen strategischen Dummheit, oder zweitens, eine strategische oder gar absolute Mehrheit komme von selbst oder drittens, man könne ruhig warten, bis eine – womöglich ex oriente lux – kommende CDU-Palastrevolution der Basis würde die Unhaltbarkeit der Brandmauer zum Durchbruch und uns zur Macht verhelfen.
Die AfD-Ablehnung im Westen
Nicht die Brandmauer ist das Problem der AfD, sondern ihre immer noch hohe Ablehnungsfront der bundesdeutschen Wählerschaft, vorwiegend im Westen Deutschlands. Zwar ist diese Ablehnungsfront, die regelmäßig vom Meinungsforschungsinstitut INSA gemessen wird, vom Maximalwert um die 75 Prozent auf bis zu 55 Prozent gefallen, doch steht sie mit diesem Negativ-Wert immer noch allein auf weiter Flur in der deutschen Parteienlandschaft und markiert einen – wenn auch geringer gewordenen – Wählerdeckel.
Das liegt natürlich an der jahrelangen Dämonisierung auf der Basis des perversen Nazi-Narrativs des Machtkartells aus Politik und Medien, das im kollusiven Zusammenwirken mit dem politischen Herrschaftsinstrument Verfassungsschutz seine Wirkung im Westen nicht verfehlt hat. Hier stellt sich die Frage, inwieweit es der AfD (überhaupt) aus eigenem Zutun gelingen könnte, diese sich festgesetzt habende Ablehnungsfront bei weiten Teilen der Wählerschaft durch aktives Werben von Vertrauen abzubauen. Das ist die eigentliche Frage, die es zu beantworten und als originäre Hausaufgabe zu lösen gilt.
Ein Strategiewechsel ist nötig
Die ehrliche Diskussion, was die AfD selbst aktiv tun könne oder solle, um vor allem im Westen bisher ausbleibendes Wählervertrauen in ausreichendem Maße zu gewinnen, ohne es im Osten möglicherweise zu verlieren, hat meines Erachtens mit strategischem Ernst intern noch gar nicht wahrnehmbar begonnen und musste wohl bisher so noch gar nicht geführt werden, da die durchaus als großen Erfolg zu verbuchende Verdoppelung ihres Wahlergebnisses 2025 den Gedanken noch verdrängen kann, dieser Erfolg könne möglicherweise im Umkehrschluss ex negativo dem Elend der politisch vollends gescheiterten Ampel zugerechnet werden. Wer will schon Spielverderber sein.
Der Weg zur Gestaltungsmacht
In Erwartung des Scheiterns der nächsten Bundesregierung binnen zweier Jahre, sofern sie überhaupt gebildet werde, besteht ein relativ knappes und überschaubares Zeitfenster, sich dieser Diskussion zu stellen und zu Lösungen zu kommen, die auf eine Art gesellschaftlicher Entkrampfung hinauslaufen dürften. Als Ausgangspunkt in diese Richtung müssten meiner Ansicht nach Überlegungen dienen, die auf die habituelle Umstellung von der antagonistischen und existenzialen Freund-Feind-Unterscheidung auf den agonalen, aber essentiellen Wettstreit zwischen politischen Gegnern zielen, wie ich sie bereits 2023 an gleicher Stelle in dem Beitrag: „Agonale Demokratie: Ein Ausweg aus der Polarisierung in der deutschen Politik?“ angedeutet habe.
Auch wenn eine solche abrüstende Entkrampfung nicht von der AfD als einseitige Einbahnstraße auf den Weg gebracht werden, sondern entsprechend von einer stark unter Druck geratenden Union ebenso reziprok beantwortet gelingen kann, mag es doch ein Schritt in die richtige Richtung sein, die es dem geneigten Noch-Nicht-AfD-Wähler erlauben würde, die letzte Scham vor der AfD zu verlieren. Dieses Gedankenfeld und was es für die Partei bedeuten könnte und müsste, mit Leben zu füllen, ist die Aufgabe, der zu stellen es sich lohnt, um zu jener politischen Gestaltungsmacht zu kommen, auf die die rechnerisch vorhandene und gefühlte Mehrheit mitte-rechts in diesem unseren Lande sehnlichst wartet.