Die Energiekrise bedroht Deutschlands Mittelstand
Nicht nur in der Industrie, auch im Mittelstand droht eine Pleitewelle. Viele Unternehmen können die gestiegenen Energiekosten nicht mehr tragen.
Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Verbands „Die Familienunternehmer“, warnt in der „Rheinischen Post“ vor einer „beispiellosen Pleitewelle“. Von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordert er den Weiterbetrieb von sechs Atomkraftwerken, außerdem die rasche Ausweitung staatlicher Hilfen für Unternehmen. Vorwürfe macht er auch der Europäischen Zentralbank (EZB), sie habe die Lage völlig falsch eingeschätzt und betreibe seit Jahren eine falsche Geldpolitik.
Der „Bund der Deutschen Industrie e.V.“ hat ein Lagebild für den industriellen Mittelstand erstellt. Dafür wurden rund 600 Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt. Der Studie zufolge sehen rund 58 Prozent der Betriebe in den gestiegenen Energiepreisen eine starke, 34 Prozent eine existentielle Herausforderung. Rund 40 Prozent der Unternehmen müssen aufgrund der Preisanstiege Investitionen in die ökologische oder digitale Transformation zurückstellen. In jedem vierten Unternehmen gibt es Überlegung, die Produktion ganz oder teilweise ins Ausland zu verlegen.
Auch das Handwerk leidet unter den Energiepreisen. „Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen, weil sie die enorm gestiegenen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können“, teilte ZDH-Präsident Peter Wollseifer (Zentralverbandes des Deutschen Handwerks) der „Rheinischen Post“ mit. Betroffen seien Traditionsbetriebe wie Kfz-Werkstätten, Fleischereien und Brauereien. Wollseifer warnt vor dem Verlust tausender Arbeitsplätze.
Unterstützungskonzepte fehlen
Zwar hat die Bundesregierung vor kurzem ein drittes Entlastungspaket beschlossen, konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die deutsche Wirtschaft finden sich darin aber nicht. Das Justizministerium plant jetzt, das Insolvenzrecht kurzfristig zu ändern. „Von der Änderung werden Unternehmen profitieren, die im Kern gesund und auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind“, so ein Ministeriumssprecher. Ihnen will man Zeit verschaffen, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Damit scheint das Ministerium vor allem auf Industrieunternehmen abzuzielen. Handwerksbetrieben dürfte es kaum möglich sein, Produkt und Arbeitsabläufe grundlegend zu verändern.
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