Die vierte Lesung: Budget ohne Boden

Mit einem Defizit von 14 Milliarden Euro bis Ende August 2024 verzeichnet Österreich einen neuen Negativrekord im Bundeshaushalt. ÖVP und SPÖ blockieren notwendige Reformen, während das Land auf eine schwere Finanzkrise zusteuert, warnt Robert Willacker in seinem Kommentar für FREILICH.

Robert Willacker
Kommentar von
20.10.2024
/
2 Minuten Lesezeit
Die vierte Lesung: Budget ohne Boden

Für das kommende Jahr 2025 steuert Österreich auf ein Defizit von vier Prozent zu.

© IMAGO / SEPA.Media

14 Milliarden Euro – So viel beträgt mit Ende August 2024 der Nettofinanzierungssaldo des Bundes in Österreich. Das ist ein absoluter Negativrekord und eine Steigerung von nicht weniger als acht Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Selbst im Jahr 2020, während der Hochzeiten von Corona, lag dieses Budgetloch bis Ende August „nur“ bei knapp 12,7 Milliarden Euro. Das alles ist natürlich schon seit langem bekannt. Oder anders gesagt: es war denjenigen bekannt, die diese Zahlen sehen durften.

ÖVP-Bundeskanzler Nehammer und ÖVP-Finanzminister Brunner haben es nämlich vorgezogen, die Öffentlichkeit über diese gravierende Fehlentwicklung im Unklaren zu lassen. Praktischerweise kurz nach der Nationalratswahl hat dann das Finanzministerium seine Defizitprognose für das Budget des Jahres 2024 auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Für das kommende Jahr 2025 steuert Österreich im Übrigen auf ein Defizit von vier Prozent zu.

Österreich nicht unionsfähig

Österreich erfüllt damit wieder einmal nicht die Maastricht-Kriterien und könnte in diesem Zustand der Europäischen Union nicht beitreten. Auch das muss man den hiesigen Liebedienern der Brüsseler Parallelgesellschaft einmal in aller Deutlichkeit sagen: Österreich ist mit dieser verantwortungslosen Finanzpolitik nicht ansatzweise unionsfähig. Da nützt es dann auch nichts, sich in Sonntagsreden als glühender Europäer zu bezeichnen, wenn man nicht einmal in der Lage ist; ein Maastricht-konformes Budget aufzustellen.

Das alles kam wie gesagt nicht überraschend – renommierte Ökonomen und auch die Oppositionsparteien im Nationalrat warnen schon seit Monaten vor dieser Fehlentwicklung. Jedoch wollte sich die ÖVP noch irgendwie über die Nationalratswahl hinüberretten und hat die Menschen über die finanzielle Situation der Republik schlichtweg belogen.

Das Budget als Jenga-Turm

Das Schönreden von finanziellen Negativentwicklungen bei gleichzeitiger Verweigerung von Reformen hat in Österreich leider eine lange Tradition. Da spielt es genaugenommen auch überhaupt keine Rolle, ob gerade ein Roter oder ein Schwarzer im Chefsessel des Finanzministeriums sitzt. Österreichs Budget ist seit langem ein riesiger Jenga-Turm und jeder Finanzminister hofft, dass er noch irgendwo einen Bauklotz herausziehen und umschichten kann, ohne dass alles in sich zusammenfällt.

Alles in allem ist es also durchaus nicht als übertrieben anzusehen, wenn man die Lage als „äußerst ernst“ bezeichnet. Oder anders gesagt: dieses Land kann sich keine Bundesregierung mehr leisten, die die offen zutage liegenden fiskalischen Probleme und Fehlentwicklungen ignoriert, schönredet und sie dann über den Wahltag hinweg der nächsten Bundesregierung zuschieben will.

Funktionärsinteresse schlägt Republiksinteresse

In der kommenden Legislaturperiode muss alles auf den Tisch: Ausgestaltung des Föderalismus, Zukunft des Pensionssystems, Umfang der Sozialen Sicherung, Struktur der Verwaltung und zahlreiche andere Budgetposten. Leider ist bereits jetzt absehbar, dass hier der Wunsch der Vater des Gedanken bleiben wird.

ÖVP und SPÖ, die zwei strukturkonservativsten Parteien im Nationalrat, schicken sich an, in gemeinsamer Regierung den Sozialpartnerschafts-Zombie aus seiner politischen Gruft zu holen und Österreich in den Zustand der vollständigen Lähmung zu versetzen. Funktionärsinteresse schlägt Republiksinteresse; so war es zwischen Schwarz & Rot immer und so wird es auch diesmal sein. Doch bevor sich jetzt der eine oder andere Hoffnungen macht: Nein, auch eine homöopathische Dosis NEOS in der Bundesregierung wird den schwarz-roten Reformtod nicht daran hindern können, sein grausiges Werk zu verrichten.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Robert Willacker

Robert Willacker

Robert Willacker ist ein deutscher Politikberater. Ursprünglich in Brasilien geboren und in Franken aufgewachsen, studierte er nach dem Abitur Politikwissenschaften in Innsbruck.

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