EU-Kommission will Parlament bei milliardenschwerem Rüstungsplan umgehen
Die EU-Kommission will ein 150-Milliarden-Euro-Rüstungsprogramm am Parlament vorbei durchpeitschen – doch die Abgeordneten sind empört.
Von der Leyen begründet das Vorgehen mit der „Dringlichkeit“, die die Situation erfordere.
© IMAGO / Panama PicturesBrüssel. – Die EU-Kommission will ein 150 Milliarden Euro schweres Finanzinstrument zur Förderung der europäischen Rüstungsindustrie schnell verabschieden – doch das Parlament könnte dabei außen vor bleiben. Der Plan von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht vor, die parlamentarischen Verhandlungen über Artikel 122 des EU-Vertrags zu umgehen, wie Euractiv berichtet. Damit würde der Vorschlag direkt an den EU-Rat gehen, das Parlament hätte nur noch eine beratende Rolle.
Dringlichkeit als Begründung für das Verfahren
Von der Leyen begründete diesen Schritt mit der „Dringlichkeit“ und „Geschwindigkeit“, die die aktuelle Sicherheitslage erfordere. Dies sei „der einzig mögliche Weg“, sagte sie. Normalerweise dauere der Gesetzgebungsprozess bei solch sensiblen Themen Monate oder gar Jahre, doch die geopolitische Lage mache dies unumgänglich. In der Vergangenheit wurde dieser Dringlichkeitsmechanismus bereits zur Bewältigung der Energiekrise und für den COVID-Wiederaufbaufonds genutzt.
Frustration im Parlament
Dieses Vorgehen stößt bei den Europaabgeordneten jedoch zunehmend auf Widerstand. Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), bezeichnete den Plan als „Fehler“. „Die Demokratie Europas steht auf zwei Säulen: seinen Bürgern und seinen Mitgliedsstaaten. Wir brauchen beides für unsere Sicherheit.“, so Weber. Sandro Ruotolo sprach von einem „Schlag ins Gesicht der parlamentarischen Demokratie“. Auch Roberto Vannacci (Patrioten für Europa) stellte die Frage, warum ein Ausnahmeverfahren für ein Projekt notwendig sei, dessen Ergebnisse erst in fünf bis sechs Jahren sichtbar würden.
Hanna Neumann von den Grünen kritisierte, dass die Mitgliedstaaten „schlafwandelnd in eine Katastrophe“ laufen würden und dann kurzfristig Notverfahren einführen wollten. Marc Botenga (Die Linke) kritisierte, dass bei einem 800-Milliarden-Euro-Programm die einzige gewählte Institution ausgeschlossen werde. Der behauptete „Notfall“ sei für ihn nicht glaubwürdig, da sich die Situation seit Jahren abgezeichnet habe.
Ein möglicher langsamerer Prozess
Trotz der geplanten Umgehung des Parlaments könnte die Kommission bei der Überwachung und Kontrolle auf Widerstand stoßen. Sollte der Vorschlag erhebliche fiskalische Auswirkungen haben, könnte das Parlament ein Haushaltsüberprüfungsverfahren verlangen, was den Prozess verlangsamen würde. Außerdem muss der Rat der Mitgliedstaaten dem Vorschlag zustimmen, und auch hier gibt es Meinungsverschiedenheiten. Frankreich drängt auf eine strikte europäische Beschaffungspolitik, während Deutschland und die osteuropäischen Länder traditionell offen für den Kauf von Waffen auch aus den USA sind.
Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten
Ein weiteres Problem ist die Frage, welche Rüstungsgüter als „europäisch“ gelten. Frankreich fordert eine Präferenz für europäische Produkte, um die Unabhängigkeit bei der Beschaffung von Verteidigungsgütern zu gewährleisten. Die Kommission hat jedoch noch nicht entschieden, ob es Ausnahmen für bestimmte Produkte geben wird. Diese Uneinigkeit über die Beschaffung von Rüstungsgütern und die Rolle von EU-Geldern hat bereits die Verhandlungen über das EU-Rüstungsprogramm belastet.
In den nächsten Tagen wird die Kommission weitere Einzelheiten bekannt geben, damit sich die Mitgliedstaaten auf gemeinsame Leitlinien einigen und die Arbeit an dem Vorschlag fortsetzen können. Die unsichere Sicherheitslage, insbesondere die Frage der Verpflichtungen der USA gegenüber Europa, könnte die Verhandlungen weiterhin beeinflussen.