„Flügel-Reaktivierung“?: Tonaufnahme sorgt für Wirbel in der AfD
In Niedersachsen soll es zu einem Treffen von AfD-Mitgliedern gekommen sein, welche den aufgelösten „Flügel“ wieder „reaktivieren“ wollen. Ein Mitglied soll einen heimlich aufgenommen Audiomitschnitt des Treffens dem Nord- und Westdeutschem Rundfunk zugespielt haben. Drei AfD-Funktionären droht der Parteiausschluss.
Hannover. – Wie inzwischen mehrere Medien berichteten, soll es am 20. Februar 2021 ein Treffen von rund 40 niedersächsischen AfD-Mitgliedern in Verden (Aller) in einem Gasthof gegeben haben. Hierunter befanden sich auch Mitglieder des Landesvorstandes und Bundestagsabgeordnete. Medial in der Kritik steht dieses Treffen nun, da es hierbei angeblich um eine „Reaktivierung des Flügels“ in Niedersachsen gegangen sei. Dies berichtet sowohl der NDR als auch der WDR, denen offenbar ein heimlich aufgenommener, dreistündiger Audiomitschnitt des besagten Treffens zugespielt wurde.
Parteimitglied lässt Medien aufgenommenes Audiomaterial zukommen
Das Material erstellt haben soll demnach ein Parteimitglied, welches sich „auf die Veranstaltung eingeschleust hatte, um herauszufinden, was dort geplant werden sollte“, schreibt der WDR. Dieses Mitglied spielte das Audiomaterial dann dem Nord- und Westdeutschem Rundfunk zu. Aus dem Mitschnitt soll das Vorhaben der „ehemaligen Flügel-Anhänger“ hervorgehen, wieder an Einfluss zu gewinnen, so der NDR.
„Ich beglückwünsche uns dazu, dass wir die alten ‚Flügel‘-Strukturen wieder reaktiviert haben“, soll ein Teilnehmer gesagt haben, nachdem die Veranstaltung sogenannte Regionalkoordinatoren ernannt hätte. Weiter würden diese Parallelstrukturen „zu 100 Prozent“ an den Kreisverbänden der AfD „vorbeigehen“ und müssten „konspirativ“ sein. Die so Benannten seien nun „gewählte Vertreter des patriotischen Lagers“. Ziel der neuen Strukturen sei es, „so darüber Mehrheiten zu gewinnen“. „Wir nennen es natürlich nicht so wie es früher hieß, wir nennen das dann irgendwie anders“, soll es in dem Mitschnitt weiter heißen. WDR und NDR ordnen diese Aussagen einem Mitglied des Landesvorstandes zu.
Hampel: „Motivationstreffen der Basis“
Der Bundestagsabgeordnete und frühere Landesvorsitzende in Niedersachsen, Armin-Paulus Hampel, war bei dem Treffen dabei und betonte auf Anfrage der Medien, es sei ein „Motivationstreffen der Basis“ gewesen. „Mitnichten ging es dabei um eine Wiederbelebung des Flügels, sondern um die Motivation der Basis für anstehende innerparteiliche Positionierungsfragen“, so Hampel. Ähnlich formulierte es auch Vorstandsmitglied Stephan Bothe, der auf seiner Facebook-Seite mitteilte, dass der AfD Bundesvorstand am Montag ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn beschlossen habe. Grund sei das besagte Treffen im Februar. Die Vorwürfe der Reaktivierung des „Flügels“ oder anderer Parallelstrukturen seien völlig haltlos, so Bothe. Dies sei „mitnichten der Zweck oder Inhalt dieser privaten Veranstaltung“ gewesen.
Vorstandmitglied Bothe weist Vorwürfe von sich
Vielmehr sei der wahre Hintergrund des Treffens der enorme Druck, welcher nach der Aufstellungsversammlung im Dezember 2020 in Braunschweig auf dem gewählten Landesvorstand lastete. „In über vier Stunden Diskussion wurden Möglichkeiten erörtert, wie zukünftig größere Unterstützung für den Landesvorstand bei Kreisvorständen und Mitgliedern regional generiert werden könnte. Dafür sollten Unterstützer vor Ort bei der Basis und den Vorständen werben. Dies hatte absolut nichts mit dem Aufbau von Parallelstrukturen zu tun. Dieses Vorgehen ist legitim und demokratisch, daher weise ich den Vorwurf der angeblichen Schaffung von Parallelstrukturen vehement zurück“, so Bothe weiter und macht abschließend darauf aufmerksam, dass der Audiomittschnitt, der angeblich auf dem Treffen gemacht worden sein soll, entgegen dem Wissen der Teilnehmer heimlich gemacht worden sei. Dies sei aus seiner Sicht hochgradig illegal gewesen und deshalb habe er Strafanzeige erstattet.
Wie aus einer aktuellen E-Mail an die Mitglieder hervor geht, hat im Zusammenhang mit dem Treffen im Februar der bisherige Beisitzer im Landesvorstand, Thorsten Althaus, am vergangenen Freitag seinen Rücktritt aus dem Landesvorstand erklärt.
AfD-Bundesvorstand für Parteiausschlussverfahren
Am Montag beschäftigte sich dann auch der AfD-Bundesvorstand mit der Causa. Laut Medienberichten sprach sich die Mehrheit für ein Parteiausschlussverfahren gegen Stefan Bothe, Thorsten Althaus und Uwe Wappler aus. „Soweit da der Versuch besteht, Parallelstrukturen aufzubauen, ist das definitiv nicht hinnehmbar und parteischädigend“, hatte der AfD-Co-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen bereits am Freitag betont.
Gegen den Beschluss am Montag stimmte hingegen der zweite AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla. Zu seinem Abstimmungsverhalten erklärte er, es sei „völlig unklar, ob die angeblichen Beweise überhaupt in einem parteirechtlichen Verfahren verwendet werden können“, weil sie auf „illegale Art und Weise“ beigebracht worden sein könnten. „Sollte sich das ganz oder teilweise bestätigen, wäre das fatal. Aus diesem Grund habe ich sehr dafür geworben, zunächst einmal die genaue Herkunft, sprich die Gesetzmäßigkeit und somit die rechtliche Verwendbarkeit des angeblichen Beweismaterials zu klären“, so Chrupalla.