Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Keine FPÖ-ÖVP-Regierung: Darum sind die Verhandlungen laut Kickl gescheitert

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP am Mittwoch nahm FPÖ-Chef Herbert Kickl am Abend in einer Pressekonferenz ausführlich Stellung zu den vergangenen Wochen und erklärte, warum eine Einigung nicht möglich war.

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Wien. – Am Mittwoch sind die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP endgültig gescheitert. FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl gab den Regierungsbildungsauftrag, den er Anfang Jänner von Bundespräsident Alexander Van der Bellen erhalten hatte, deshalb zurück. Man habe sich bemüht, eine Regierung zu bilden, doch diese Bemühungen seien gescheitert, erklärte Kickl am Abend in einer Pressekonferenz. Zuvor hatten sich bereits ÖVP-Obmann Christian Stocker sowie Van der Bellen zum Verhandlungsaus geäußert.

„Mutige Entscheidung notwendig“

In der Pressekonferenz betonte Kickl seine klare Leitlinie für politisches Handeln: „Eine Führungsposition auszufüllen und Verantwortung zu übernehmen, heißt vor allem eines: Mutig Entscheidungen zu treffen.“ Das gelte natürlich auch gerade, wenn es nicht leicht falle – so wie am Mittwoch. Es sei nicht möglich gewesen, „eine Einigung mit der ÖVP in ganz zentralen Fragen für die Gestaltung einer guten Zukunft unserer Heimat Österreich zu finden“, heißt es in der dazugehörigen Pressemitteilung.

Die Verhandlungen zunächst zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS und schließlich zwischen FPÖ und ÖVP dauerten fast 140 Tage, 37 davon hatte Kickl zu verantworten: „Für 37 Tage davon übernehme ich die volle Verantwortung“, erklärte er, „die anderen mehr als hundert Tage haben die anderen Parteien zu verantworten, auch wenn es jetzt so aussieht, als ob sich die Beteiligten daran nicht mehr erinnern können“.

FPÖ für Neuwahlen

Wenn aber dann ein Punkt erreicht sei, an den man erkennen müsse, dass dieses Projekt mit dem Verhandlungspartner nicht umzusetzen ist, „dann sehe ich es als meine Verantwortung, diesen Prozess auch rasch zu beenden, anstatt ihn weiter künstlich in die Länge zu ziehen, nur aus Furcht davor, vielleicht als Erster von einem Verhandlungstisch aufzustehen“, so Kickl weiter.

Im Gespräch mit Van der Bellen habe er sich am Mittwoch für rasche Neuwahlen ausgesprochen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass es jetzt klare Verhältnisse braucht, eine klare politische Kräfteverteilung. Klare Verhältnisse für einen klaren Kurs, anstatt eines offenkundigen politischen Patts, mit dem wir gegenwärtig konfrontiert sind und das dann immer darauf hinausläuft, dass es ein 'Weiter wie bisher' gibt“, so Kickl. Er habe deshalb in dem Gespräch auch seine Meinung zum Ausdruck gebracht, dass es gut und an der Zeit wäre, „wenn auch vielleicht das Staatsoberhaupt jetzt die Variante einer raschen Neuwahl befürworten und unterstützen würde“.

Zwei Seiten der Verhandlungen

In diesen bewegten Zeiten brauche es eine neue Zielrichtung, eine neue Dynamik, „einen ganz deutlichen und neuen Impuls zu einer Veränderung im Sinne eines Eintritts in eine bessere Zukunft, in eine neue Ära der Freiheit, der Sicherheit, des Friedens und des Wohlstands“ so Kickl. In den letzten Wochen habe die FPÖ auf den unterschiedlichsten Ebenen deshalb „ehrlich verhandelt“, um das zu erzielen. Es seien dabei auch viele tragfähige Kompromisse erzielt worden, so Kickl. Dafür bedankte er sich sowohl bei den Verhandlungsteams der ÖVP als auch bei Stocker persönlich: „Ich habe ihn in den Begegnungen und vor allem bei unseren Vieraugengesprächen von einer ganz anderen Seite kennengelernt, als das bisher auf der offenen politischen Bühne der Fall gewesen ist.“

Allerdings gebe es auch eine zweite Seite, so Kickl weiter. Auf der sei es in entscheidenden Fragen eben leider nicht gelungen, diese aus Sicht der FPÖ unverzichtbaren Weichenstellungen als gemeinsam notwendige Weichenstellungen zu definieren, „diese Weichenstellungen, die es braucht, um die Lebenssituation der Österreicher besser zu machen“. Irgendwelche „zusammengeschusterten Kompromisse“ wollte man nicht eingehen, das wäre kein stabiles Fundament gewesen, betont der FPÖ-Chef, doch genau das hätte es gebraucht.

Was in den Verhandlungen passiert ist

Im Rahmen der Konferenz ließ Kickl die letzten Verhandlungswochen noch einmal Revue passieren. „Ich denke, dass das notwendig ist, weil dann vielleicht das etwas verworrene Bild, das jetzt medial vorherrscht, um Einiges klarer werden kann“, so Kickl. Für jeden, der die Dinge verfolgt habe, sei gut erkennbar, dass „die Gegner jeder politischen und demokratischen Veränderung in Österreich aber auch weit darüber hinaus“, sich bemühten, ein falsches Bild von einem machthungrigen Herbert Kickl zu zeichnen. Diesen Vorwurf wies er zurück, das seien „Dummheiten“.

Das einzig „Ungeheuerliche“, das die FPÖ getan habe, sei, dass sie in den Verhandlungen auf die Forderungen aus ihrem Wahlprogramm bestanden habe und die Verantwortlichkeit für das Innen- und Finanzressort in blauen Händen wissen wollte. Dass man in den letzten Wochen, also circa seit Anfang Februar, dann nur über Ministerien geredet habe und nicht alle Kraft dafür verwendet haben, die inhaltlichen Unterschiede, die es in einigen Bereichen noch gegeben hat, in tragfähigen Kompromissen aufzulösen, sei der „ausdrückliche Wunsch“ der ÖVP gewesen. „Es war ihr ganz wichtig, zuerst die Ministeriumsfrage abschließend zu klären und erst wenn das passiert ist, dann überhaupt erst weiter über inhaltliche Knackpunkte zu reden, die es ja durchaus noch gegeben hat“, so Kickl. Die FPÖ wollte allerdings zuerst die inhaltlichen Knackpunkte klären, bevor es an die Ressortverteilung geht, oder zumindest beides parallel ausverhandeln. Letztlich sei man dem Wunsch der ÖPV aber nachgekommen.

ÖVP wollte immer mehr

In der Frage um die Ressortverteilung habe sie schließlich gezeigt, dass die ÖPV mehrere Ministerien auf ihrer Liste hatte, die für sie unverhandelbar waren: Das Außenministerium, das Innenministerium, das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium und das Landwirtschaftsministerium, später seien weitere Forderungen hinzugekommen. Auf Kickls Nachfrage hin, wie Stocker auf diese „absurde Liste“ komme, soll dieser gesagt haben, dass das immer so war. In den früheren Koalitionen mit der SPÖ habe das immer so funktioniert. „Das war das ÖVP-Argument“, so Kickl.

In einem Kompromissvorschlag, den die FPÖ der ÖVP in weiterer Folge vorgelegt hat, waren das Finanzministerium und das Innenministerium aufseiten der FPÖ. Das waren zwei von den genannten fünf, die anderen drei von der ÖVP-Liste hätte die Volkspartei bekommen. Die ÖVP soll aber weiter auf allen fünf beharrt haben: Außen, Innen, Finanzen, Wirtschaft und Landwirtschaft. Und neu dazu sei dann auch noch die Landesverteidigung gekommen. Aus fünf unbedingten Ressorts seien damit sechs unbedingte Ressorts geworden.

Kickl sieht Schieflage

Gegenüber Kickl soll die ÖVP behauptet haben, dass es der Wunsch des Bundespräsidenten gewesen sei, dass die FPÖ keines der Sicherheitsministerien, also Inneres und Landesverteidigung, haben dürfe. Ihm gegenüber habe der Bundespräsident das in vielen Gesprächsrunden aber nie gesagt, so Kickl. Er hätte den Regierungsbildungsauftrag sonst gar nicht erst angenommen.

Angesichts dieses Verhaltens sprach Kickl von einer Schieflage, es sei kein faires Verhandeln auf Augenhöhe gewesen. Dennoch sei man nicht vom Verhandlungstisch aufgestanden, sondern habe den Kompromissvorschlag überarbeitet. Laut dem neuen Vorschlag hätte die ÖVP letzlich sogar sieben Ministerien bekommen, also eines mehr als die FPÖ (FREILICH berichtete). Innen- und Finanzressort hat die FPÖ weiter für sich beansprucht, aber auch da habe man einen Kompromiss vorgeschlagen: Demnach sollte der Bereich der Nachrichtendienste im Innenministerium von einem unabhängigen Staatssekretär geführt werden. Im Finanzministerium hätte jenes FPÖ-Team an der Spitze arbeiten sollen, das von blauer Seite „im besten Einvernehmen mit der ÖVP und ihren Experten in sehr kurzer Zeit bei Abwendung des EU-Defizitverfahrens erfolgreich waren und hervorragend zusammengearbeitet haben“. Doch selbst nach tagelanger Bedenkzeit seitens der ÖVP habe es bei der dieser „keinerlei Bewegung“ gegeben, kritisiert Kickl.

Bürger sollen sich eigenes Bild machen

Am Ende habe man noch einen Schritt auf die ÖVP zugemacht und angeboten, die EU-Agenden aus dem Bundeskanzleramt herauszulösen und zurück ins Außenministerium zu übertragen. Die ÖVP habe im Gegenzug den Freiheitlichen das Finanzministerium angeboten, „allerdings gleich wieder eins draufgesetzt“. So hätten die Medien auch aus dem Kanzleramt herausgelöst und der ÖVP zugeordnet werden müssen. Auch auf den Kompromiss, der ÖVP den Bereich Kunst und Kultur zu überlassen, sei die Volkspartei nicht eingegangen. Sie wollte das Innenressort, wo die Kernkompetenz der Freiheitlichen liegt, um keinen Preis der FPÖ überlassen. Die ÖVP hätte mit dem Angebot, das die FPÖ ihr gemacht hat, alle wesentlichen politischen Kernbereiche, die ihr so wichtig waren, durch ihre ministerielle Zuständigkeit abgedeckt, so Kickl.

In den vergangenen Wochen habe er sich dazu nicht geäußert, um keine Irritationen während der Verhandlungen zu erzeugen, „aber jetzt ist die Zeit gekommen, jetzt kann sich jeder selbst ein Bild machen, wer zu Kompromissen bereit war und wer glaubt, auf manche Ressorts eine Art von Eigentumsrechten zu besitzen“, so Kickl. Die ÖVP werde jetzt den eigenen Mitgliedern, ihren Bünden und vor allem den Wählern erklären müssen, „warum sie darauf verzichtet, das zu tun, von dem sie immer gesagt hat, dass wesentlich ist“ – „nämlich Österreich wirtschaftspolitisch, standortpolitisch, energiepolitisch, in der Landwirtschaft, in der Außenpolitik, in der EU, bei der Landesverteidigung und bei den Beamten federführend gestalten zu können.“

Treffen mit Parteichefs

Noch ist unklar, was auf Österreich in der nächsten Zeit zukommt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte am Mittwoch in seiner Stellungnahme vier mögliche Optionen, wie es nun weitergehen kann. Er wolle mit den verantwortlichen Politikern Gespräche führen, um auszuloten, welche der Varianten – Minderheitsregierung, Expertenregierung, Neuwahlen oder weitere Gespräche, um doch noch eine Koalition zu bilden – die Beste für das Staatsganze sei. In der Hofburg erwartet werden am Donnerstag zumindest NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, SPÖ-Chef Andreas Babler und Grünen-Chef Werner Kogler. Der Bundespräsident hatte angekündigt, sich in den kommenden Tagen mit den Parteichefs zu treffen.

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