Legal, illegal, scheißegal – das Fachkräfteeinwanderungsgesetz als Trojanisches Pferd

Vor wenigen Tagen hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen. Laut Innenministerin Nancy Faeser „das modernste Einwanderungsrecht der Welt“. Wieso das Gesetz für René Springer (AfD) ein Trojanisches Pferd ist, erklärt er ausführlich in seinem Kommentar für FREILICH.

Kommentar von
6.7.2023
/
4 Minuten Lesezeit
Legal, illegal, scheißegal – das Fachkräfteeinwanderungsgesetz als Trojanisches Pferd

René Springer

Es ist kein Geheimnis, dass bei der deutschen Asylpolitik der letzten Jahre das Prinzip des Laissez-faire den Ton angab. Ungeachtet aller rechtlichen Vorgaben gilt im Grunde auch 2023: Wer kommt, der bleibt. Da ist es vollkommen unerheblich, ob der einzelne Asylsuchende über sichere Drittstaaten nach Deutschland einwandert, ob der enggesteckte Asylgrund einer politischen Verfolgung tatsächlich vorliegt, im Heimatland Krieg herrscht oder trotz Asylstatus dort eifrig Urlaub gemacht wird. Spätestens seit 2015 sind Asyl und Migration ein und dasselbe. Der deutsche Arbeitsmarkt steht Asylbewerbern sperrangelweit offen und durch die direkte Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in den Bürgergeldbezug (SGB II) hat man den deutschen Sozialstaat nun endgültig der solidargemeinschaftlichen, nationalstaatlichen Eingrenzung enthoben.

Verweise auf geltendes Recht perlen am bundesrepublikanischen Establishment bis heute ab wie Wasser an Ölzeug – die linksliberale Ampelregierung drückt in der Migrationsfrage das Gaspedal vielmehr bis auf den Boden durch. Die gesamten migrationspolitischen Abläufe seit Angela Merkels exekutiv forcierter Grenzöffnung oder vielmehr verweigerter Grenzschließung verdeutlichen, dass die Frage von Legalität und Illegalität am Ende eine ist, über die die Macht entscheidet und nicht die Tinte, mit der Gesetze auf Papier geschrieben wurden.

Dennoch regiert und lebt es sich besser, wenn die real praktizierte Politik gesetzlich unterfüttert wird – schließlich sorgt eine undurchsichtige politisch-juristische Gemengelage über kurz oder lang für Schluckauf im demokratischen Legitimationsapparat. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz will die Ampelregierung dies nun nachholen und die unkontrollierte Masseneinwanderung als „kontrollierte“ Norm legislativ festschreiben. Statt „Begrenzung“ steht in Zukunft „Steuerung“ des Zuzugs von Ausländern im Fokus.

Auflösung des Solidarprinzips und der Nation

Einer der wesentlichen Eckpfeiler dieses Gesetzes zeigt, wo die „gesteuerte“ Reise letztlich hingehen wird: Ausländer, die vor dem 23. März dieses Jahres in die Bundesrepublik einreisten und einen Asylantrag stellten, hätten Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sofern sie ihren Asylantrag zurücknähmen und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nachwiesen. Etwas flapsiger ausgedrückt: Verzichte auf den behördlichen Aufwand, rackere dich nicht mit Nachweisen von Fluchtgründen ab, sondern melde dich über die Schawarma-Bude um die Ecke als erwerbstätig – 520-Euro-Job reicht – und genieße die Vorzüge einer deutschen Aufenthaltserlaubnis. Selbst mit einem abgelehnten Asylantrag wird der Weg zum dauerhaften Aufenthalt in Deutschland über den Arbeitsmarkt mit dem neuen Gesetz niedrigschwellig möglich. Diese Niedrigschwelligkeit zeigt sich unter anderem an den vorausgesetzten Sprachkenntnisse, die im Einwanderungsgesetz auf ein Minimum herabgesetzt werden, wie die Anpassung der Vergabe einer Aufenthaltserlaubnis bei Suche eines Ausbildungsplatzes zeigt. Waren vorher gute Sprachkenntnisse verpflichtend, reicht mit dem neuen Einwanderungsgesetz schon ein „Ausreichend“.

Man muss bei dieser als „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ bezeichneten Attacke auf die deutsche Arbeitswelt nicht einmal das Kleingedruckte lesen, um die Intention dahinter und ihre soziale Wirkung abzulesen: Flutung des deutschen Arbeitsmarktes mit Migranten, ganz gleich ob gering- oder hochqualifiziert, sowie die damit verbundene Auflösung des sozialstaatlichen Solidarprinzips sind das Ziel.

Dieses Vorhaben ist folgerichtiger Teil einer fortlaufenden Kette, in der jedes einzelne Glied das verbindende Element, die Auflösung der deutschen Nation, verstärkt: Die Zerschlagung des nationalstaatlich regulierten Arbeitsmarktes und seines eng umrissenen Sozialstaates begünstigen die Auflösung des Volks als Souverän und umgekehrt. Neoliberale Entgrenzung wird in Berlin großgeschrieben und sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftspolitisch ins Werk gesetzt.

Pate für diesen weiteren Baustein im großen Experiment des waghalsigen Umbaus unserer Nation stand zweifelsohne der Globale Migrationspakt der UNO. Was bereits im ersten Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus dem Jahr 2020 durchschien, tritt in der Neuauflage ganz offen und ungeniert zu Tage. Der Geist der im marokkanischen Marrakesch als nicht unmittelbar rechtlich verbindlich verabschiedeten Leitlinien trieft aus jeder Zeile des Ampel-Einwanderungsgesetzes. Und diese Leitlinien werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt anrichten, was ich bereits 2018 prognostizierte: Unter dem Deckmantel der Humanität werden die Arbeitskosten durch mobile und billige Arbeitsmigranten gesenkt, deren Niedriglohntätigkeiten darüber hinaus durch Aufstockung mit Sozialleistungen staatlich subventioniert werden.

Ausländische Lohndrücker

Acht Jahre unkontrollierter Massenmigration liefern dafür reichlich Anschauungsmaterial. Abgesehen davon, dass die Beschäftigungsquote (die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Relation zur jeweiligen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter) bei Ausländern aus den typischen Asylherkunftsstaaten (Syrien, Afghanistan, Eritrea u.a.) mit 35,8 Prozent (Stand März 2023) fast um die Hälfte niedriger lag als bei Deutschen (64,5 Prozent), öffnet sich eine erhebliche Lohnschere zwischen beiden Gruppen, die auf die ausgeübten Tätigkeiten zurückzuführen ist (2021 lag das mittlere Monatseinkommen ausländischer Arbeitnehmer 915 Euro unter dem deutscher Arbeitnehmer). Denn Stand November 2022 arbeiteten 47,4 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Asylherkunftsländern lediglich als „Helfer“ im unteren Sektor des Arbeitsmarkts. Zum Vergleich: Bei Deutschen lag dieser Anteil bei nur 13 Prozent. Für einzelne Herkunftsländer sehen die Zahlen noch düsterer aus: 69,5 Prozent der eritreischen Beschäftigten in Deutschland und 71,1 Prozent der somalischen gehen einer geringqualifizierten Helfertätigkeit nach.

Dem nicht genug sind diese Tätigkeiten auf Sand gebaut, was die starke Überrepräsentation von erwerbsfähigen Ausländern aus den Asylherkunftsstaaten im Bürgergeldbezug zeigt: Stand Dezember 2021 lag die ELB-Quote (Erwerbsfähige im Bürgergeldbezug) der Ausländer aus Asylherkunftsstaaten bei satten 44,1 Prozent. Konkret heißt das: Fast jeder zweite erwerbsfähige Ausländer aus den Asylherkunftsstaaten bezog Leistungen nach SGB II. Bei den Deutschen waren es zu diesem Zeitpunkt lediglich 4,9 Prozent. Indes gestaltet sich die Aktivierung der 44,1 Prozent als ungemein schwierig beziehungsweise bindet sie erhebliche staatliche Mittel: Stand Dezember 2022 befanden sich 18 Prozent der ausländischen Leistungsbezieher aus Asylherkunftsstaaten in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme (Deutsche 8,2 Prozent). Ferner gelingen die „Integrationen“ in den Arbeitsmarkt nur mit einer großen Zahl an staatlich geförderten Stellen: 2022 gingen von 464.205 Abgängen aus der Arbeitslosigkeit, die ausländischen Leistungsbeziehern aus den Asylherkunftsstaaten gelang, 209.890 in geförderte Stellen (45,2 Prozent). Bei den deutschen Leistungsbeziehern waren es im selben Zeitraum nur 22,7 Prozent, die mit Hilfe staatlich geförderter Stellen wieder in Arbeit gebracht wurden. Und bei all den Zahlen darf nicht vergessen werden, dass die Bundesagentur für Arbeit bei den „Deutschen“ nicht zwischen solchen ohne und mit Migrationshintergrund unterscheidet. Außerdem werden doppelte Staatsbürgerschaften unterschlagen: Liegen neben der deutschen weitere Staatsbürgerschaften vor, wird stets nur Erstere in der Statistik verwendet.

Deutschland als Verlierer

Es ist offensichtlich, dass die neoliberale Wirtschafts- und Migrationspolitik der Etablierten sich bereits ohne die von der Ampel anberaumten Änderungen am Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein ausländisches Heer von Billiglohnempfängern heranzieht, das außerdem kaum dazu in der Lage ist, Arbeitnehmerinteressen zu formulieren und diese gegenüber den Arbeitgebern geltend zu machen. Damit wird der Druck auf die deutschen Arbeitnehmer in diesem Sektor jedoch massiv erhöht sowie ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt Stück für Stück untergraben. Gegenüber geringbezahlten Ausländern, die außerdem nicht dazu in der Lage sind, den Arbeitgeberinteressen die eigenen entgegenzusetzen (die Pläne der Ampel zur Absenkung der deutschen Sprachkenntnisse werden dieses Problem weiter verstärken), haben die auf diesem Arbeitsfeld konkurrierenden Deutschen keine Chance mehr – insbesondere keine Chance auf eine Statusverbesserung. Stattdessen droht die fortschreitende Prekarisierung.

Auf Herz und Nieren überprüft offenbart die Ampel-Neuauflage des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes seine mit Humanität verschleierte hässliche, neoliberale Fratze: moralinsauer aufgeladene Menschlichkeit erodiert den Nationalstaat und löst im selben Atemzug soziale Sicherheiten auf. Auf Seiten der Wirtschaft stehen dahinter knallharte Gewinnoptimierungsinteressen, auf Seiten des urbanen, grünbemäntelten Bürgertums Illusionen linksliberaler Weltverbesserung. Gemeinsam ist ihnen eines: der Schaden, den sie Deutschland zufügen.


Zur Person:

René Springer ist ein deutscher AfD-Politiker aus Ost-Berlin. Seit der Bundestagswahl 2017 ist der Elektrotechnik-Meister und studierte Politologe Mitglied des Deutschen Bundestages und seit Mai 2020 Sprecher für Arbeit und Soziales der AfD-Bundestagsfraktion.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.

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