Niedrige Hürden: Wer in Deutschland ohne Sprachtest eingebürgert werden kann

Das deutsche Einbürgerungsverfahren ist keineswegs so einheitlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Zahlreiche Ausnahmeregelungen erleichtern bestimmten Gruppen den Weg zur Staatsbürgerschaft.

Analyse von
4.3.2025
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3 Minuten Lesezeit
Niedrige Hürden: Wer in Deutschland ohne Sprachtest eingebürgert werden kann

Hunderttausende Menschen sind in den vergangenen Jahren in Deutschland eingebürgert worden. (Symbolbild)

© IMAGO / DeFodi

Die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland ist laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2023 um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Demnach erhielten rund 200.100 Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft – ein Rekordwert seit dem Jahr 2000. Syrische Staatsangehörige machten dabei mit 75.500 Personen mehr als ein Drittel aller neuen deutschen Staatsbürger aus. Auch die Zahl der Einbürgerungen von Irakern und Afghanen nahm deutlich zu. Ein Teil der syrischen Einbürgerungen erfolgte aufgrund von Ausnahmeregelungen: Rund 28.000 Ehegatten und minderjährige Kinder wurden ohne die sonst übliche Mindestaufenthaltsdauer eingebürgert. Es gibt aber noch weitere Ausnahmeregelungen im Einbürgerungsverfahren in Deutschland.

Grundsätzlich müssen Einbürgerungsbewerber bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen, insbesondere Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland. Dies geschieht in der Regel durch das Bestehen eines Einbürgerungstests. Es gibt jedoch Ausnahmen: Wer einen deutschen Schul- oder Studienabschluss hat, muss den Test nicht ablegen. Auch wer einen Integrationskurs erfolgreich absolviert und den Test „Leben in Deutschland“ bestanden hat, ist davon befreit.

Ausnahmen bei den Sprachkenntnissen

Normalerweise ist für die Einbürgerung auch der Nachweis von Deutschkenntnissen auf dem Niveau B1 erforderlich. Allerdings gelten auch hier Erleichterungen. Gast- und Vertragsarbeiter die vor 1974 (BRD) beziehungsweise 1990 (DDR) eingereist sind, sind von der Sprachtestpflicht befreit, ebenso deren Ehegatten. Sie müssen sich lediglich im Alltag mündlich verständigen können. Kinder unter 16 Jahren müssen gar keinen Sprachtest ablegen. Hier überprüft die Behörde lediglich, ob sich die Sprache des Kindes dem Alter entsprechend entwickelt. Auch Personen, die aufgrund von Krankheit, Behinderung oder hohem Alter nicht in der Lage sind, den Test abzulegen, können eine Befreiung erhalten. In diesen Fällen ist häufig ein ärztliches Attest erforderlich.

Diese Erleichterungen können in der Realität kuriose Früchte tragen. Erst kürzlich hatte ein Video in Sozialen Medien für Aufregung gesorgt, in dem eine ältere türkische Frau gemeinsam mit Olaf Scholz (SPD) zu sehen war. Sie hatte vor Kurzem die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, um bei der zurückliegenden Bundestagswahl ihre Stimme abgeben zu können. Die Worte, die Scholz an sie gerichtet hatte, bevor sie am Ende ihren deutschen Personalausweis von ihm überreicht bekommen hat, verstand sie aber offenbar nicht, sondern benötigte dafür einen Dolmetscher (FREILICH berichtete).

Verkürzte Aufenthaltsdauer und Familiennachzug

Während die reguläre Einbürgerung inzwischen nach fünf Jahren möglich ist, kann sie bei „besonderen Integrationsleistungen“ bereits nach drei Jahren erfolgen. Dazu zählen herausragende schulische oder berufliche Erfolge oder besonderes ehrenamtliches Engagement. Voraussetzung ist jedoch der Nachweis von Deutschkenntnissen auf dem höheren Sprachniveau C1.

Ehegatten und minderjährige Kinder können ohne Erfüllung der üblichen Aufenthaltsdauer mit eingebürgert werden. Voraussetzung ist, dass sie mit dem Einbürgerungsbewerber in einem gemeinsamen Haushalt leben. Bei Kindern unter sechs Jahren genügt es, wenn sie die Hälfte ihres Lebens in Deutschland verbracht haben.

Neben dem Rechtsanspruch gibt es außerdem noch die Möglichkeit der Einbürgerung nach Ermessen. Hier haben die Behörden einen gewissen Spielraum, zum Beispiel bei Personen, die für eine Tätigkeit im deutschen Interesse gewonnen oder gehalten werden sollen, etwa in den Bereichen Wissenschaft, Forschung oder Kunst. Auch Staatenlose können unter bestimmten Voraussetzungen auf diesem Wege die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben.

Kritik an erleichterten Einbürgerungen

Viele der heutigen Voraussetzungen beruhen auf dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht der deutschen Ampelregierung, die mit der Reform etwa Einbürgerungen beschleunigen und die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich ermöglichen wollte. Früher musste man unter anderem in der Regel nämlich acht statt fünf Jahre in Deutschland leben, um sich einbürgern lassen zu können. Zuletzt gab es aber immer wieder Kritik an der Einbürgerungspraxis, etwa von der AfD und auch von CDU-Chef und vermutlich künftigem Bundeskanzler Friedrich Merz. Er forderte jüngst einschneidende Änderungen im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht. So müsse „eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben“. Er bezog sich dabei auf den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt.

„Um Anschläge oder weitere Straftaten zu vermeiden, müssen ausländische Straftäter spätestens nach der zweiten Straftat ausgewiesen werden“, sagte er. Um auch Doppelstaatler ausweisen zu können, brachte Merz die Ausbürgerung ins Spiel. Die von der Ampelkoalition erleichterte Einbürgerung bezeichnete Merz grundsätzlich als problematisch. Die doppelte Staatsbürgerschaft werde „zum Regelfall“, sagte er. „Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land.“ Nun bleibt abzuwarten, ob das Gesetz unter einer neuen schwarz-roten Regierung noch einmal angepasst und möglicherweise die eine oder andere Ausnahme im Einbürgerungsverfahren wieder gestrichen beziehungsweise in einigen Punkten verschärft wird.

Über den Autor

Monika Šimić

Monika Šimić wurde 1992 in Zenica (Bosnien und Herzegowina) geboren. Die gebürtige Kroatin wuchs in Kärnten auf und studierte Übersetzen mit der Sprachkombination Russisch und Englisch in Graz.

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