Freilich #36: Ausgebremst!

Nius gegen die neue AfD-Jugend: Kampf um die Deutungshoheit rechts der Mitte

Ein Nius-Blogger greift die neue AfD-Jugend an und deckt damit eine Schwachstelle der Partei auf: den Streit um Biografien, Radikalitätsvorwürfe und die Frage, wer die legitime Stimme rechts der Mitte ist.

Kommentar von
6.12.2025
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5 Minuten Lesezeit
Nius gegen die neue AfD-Jugend: Kampf um die Deutungshoheit rechts der Mitte
© IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Die neue Jugendorganisation und ihr Vorstand sind konstituiert – und sofort melden sich die Kritiker zu Wort. Zum einen ist da Elsässer, der moniert, dies stelle einen Rückschritt zur aktivistischen Attitüde unter der früheren Brandenburger JA-Chefin Anna Leisten dar und erinnere „an die JU der Fünfziger“. Nun, wenn sitzende Anzüge das sind, was man darunter versteht, dann sei es so. Es war zu erwarten, dass Compact die neue Organisation, in der die präferierte außenpolitische Ausrichtung und der heilige Aktivismus nicht mehr solch eine große Rolle spielen, angreifen würde. Gewichtiger im Sinne von propagandistisch effektiver ist jene Kritik, die in Form eines Artikels des libertären Bloggers Benedikt Brechtken Anfang der Woche bei Nius erschien.

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Was gibt der Artikel inhaltlich her? Nun, vorrangig öffnet er wieder einmal das bekannte Hufeisen. Demnach solle man sich nicht über die Grünen beschweren, wenn man statt Jette Nietzard und Ricarda Lang einen Jean-Pascal Hohm hätte, der diesem in puncto Radikalität (spiegelverkehrt) in nichts nachstünde und ebenso über keinen Berufsabschluss oder nennenswerte Erfahrung in der freien Wirtschaft verfüge.

Mythos Radikalität: Wie Kritiker Hohm künstlich dämonisieren

Auf die angebliche Radikalität Hohms einzugehen, ist natürlich fast schon lächerlich. Er soll enge Kontakte zu den Identitären haben. Über einen rhetorischen Trick (die Unvereinbarkeitsliste der AfD) werden sie vom Autor ernsthaft in die Nähe von Terroristen gerückt. Hohm soll zudem mehrmals rechte Musik, darunter „NDS“ und „Hassgesang“, geteilt haben. Auweia! Dass Nius-Chef Reichelt und Brechtken selbst die am deutschen Volk begangenen Verbrechen im 20. Jahrhundert – darunter den westalliierten Bombenterror – relativieren und beschönigen, ist dagegen scheinbar eine gänzlich normale Position der „bürgerlichen Mitte“.

Ebenso lächerlich ist es, wenn solche Herren, fünfunddreißig Jahre nachdem Weißmann Platz für eine „neue, demokratische Rechte“ in der bundesdeutschen Politik machen wollte, diesen Begriff kooptieren und ihm eine Daseinsberechtigung zusprechen, nur um der AfD und den tatsächlichen Vertretern der neuen Rechten einen Anteil daran abzusprechen. Wer soll denn dann die „demokratische Rechte“ sein? Wahrscheinlich Politikleichen wie die WerteUnion, das Bündnis Deutschland und der linke Rand der AfD.

AfD-Selbstkritik: Warum Brechtken eine echte Schwachstelle trifft

Und doch greift Brechtken hier eine offene Wunde auf, die sich die AfD selbst zugefügt hat. Es ist nachvollziehbar, dass die AfD, die seit 2015 eine Protestpartei des Mittelstands und der Facharbeiterschaft gegen „die da oben“ ist, in den Karrierewegen vieler Politiker der Altparteien – insbesondere von Grünen und SPD – eine Reihe abschreckender Beispiele sieht. Irgendwann hat man Jura studiert, ohne Abschluss, hat es mehr oder weniger auf einen Listenplatz geschafft, war dann im Bundestag, wo man drei Legislaturperioden blieb, um sich schließlich mit Mitte bis Ende dreißig eine saftige Pension auf Kosten der Steuerzahler zu sichern, ohne in seiner Zeit im Parlament etwas für das Land getan zu haben, wenn man nicht sogar aktiv am gesellschaftlichen und staatlichen Niedergang beteiligt war.

Der Parteivorsitzende Chrupalla betonte am Wochenende noch einmal, dass auch die Jugendorganisation den Standard setzen sollte, dass ihre Mitglieder eine solide Erwerbsbiografie vorzuweisen haben. Das ist natürlich gewagt, wenn man bedenkt, dass man in der Leitung einer solchen Organisation im besten Fall Anfang bis Mitte zwanzig sein sollte. Hier liegt jedoch ein Logikfehler vor.

Denn dass ein Linksgrüner inkompetente, wenn nicht gar antideutsche Politik betreibt, liegt nicht daran, dass dieser (oder immer öfter diese) keinen Gabelstaplerführerschein hat oder zwanzig Jahre Zwangsarbeit im sibirischen Gulag verrichtet hat, sondern daran, dass es eben Linksgrüne sind. Dieses Verhalten ist nicht auf eine fehlende (Berufs-)Ausbildung zurückzuführen. Es lässt sich auch nicht wirklich feststellen, dass eine gute Ausbildung einen guten Politiker ausmacht. Politik ist in erster Linie die Fähigkeit, seinen Willen der Gemeinschaft aufzuzwingen, was bedeutet, dass man über Fähigkeiten in Menschenführung verfügen muss. Diese sind laut historischer Erfahrung angeboren.

Politische Führung: Warum Persönlichkeit mehr zählt als Ausbildung

Alexander, Cäsar, Napoleon und Bismarck haben zwar eine exzellente Ausbildung durchlaufen, waren aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur aber zur Größe prädestiniert. Ansonsten würde man heute wohl über Aristoteles, Cicero, Sieyès und Mommsen als die großen Männer ihrer Zeit reden. Oder, um den Vergleich ein wenig greifbarer zu machen: War Jörg Haider ein so guter Politiker, weil er einen Doktor in Jus gemacht hat, oder weil er Jörg Haider war? Auch fachpolitisch ist diese Herangehensweise eher zweifelhaft. Qualifiziert eine abgeschlossene Berufsausbildung im Malen und Lackieren zu Aussagen über die russische Außenpolitik der letzten dreißig Jahre?

Ich habe zwar nie eine Berufsschule von innen gesehen, gehe aber nicht davon aus, dass solche Themen dort behandelt werden. Und so sieht es mit den meisten Themen aus. Nicht umsonst leisten sich alle Abgeordneten und Fraktionen der AfD eine große Zahl an Referenten und anderen Mitarbeitern, die die nötige Recherche zu Fachthemen leisten. Damit wird die politische Persönlichkeit entlastet, sodass sie sich auf ihr Kerngeschäft, die Politik, konzentrieren kann.

Diese Angriffe auf Hohm sind jedoch lediglich Vorwände. Hätte Hohm eine Lobeshymne auf die israelischen Streitkräfte und ihre Waffentaten abgegeben und offen erklärt, dass jeder Deutscher ist, der mal ein Bild von einem Schäferhund im Internet gesehen hat, dann gäbe es nicht diese scharfe Anklage (mal abgesehen davon, dass sich gerade Journalisten über den Mangel an einer ordentlichen Berufsausbildung echauffieren). Denn der Artikel ergibt zusammen mit dem restlichen Verhalten von Nius ein klares Muster, das man als Gegenoffensive der Neokonservativen beschreiben könnte. Dieses Milieu ist durch den Linksdrift der Mittelparteien heimatlos geworden und fühlt sich nun gezwungen, um irgendwie politisch relevant zu bleiben, an die AfD anzudocken. Es teilt jedoch nicht das zentrale Anliegen der AfD, nämlich die Rettung Deutschlands als historische Nation.

Technokratische Agenda: Wie Reichelt und Co. die AfD umdeuten wollen

Die Führung um Reichelt liefert zwar immer wieder guten Journalismus ab, ist aber vor allem ideologisch eines: Technokraten. Mit dem Zustand der Welt in den 2010er-Jahren hatten sie gar kein Problem – und eigentlich haben sie es bis heute nicht –, wären da nicht zu viele störende Sandkörner, die das Getriebe verstopfen würden. Einwanderung ist für sie kein Problem, solange sich alle an die Gesetze halten und Farbige am besten keine Religion mitbringen, die den Konsum von Schweinefleisch und Alkohol verbietet.

Die Einbettung in die sogenannte „regelbasierte Weltordnung“, die multilateralen Institutionen und der komplette Souveränitätsverlust des Nationalstaates sind für sie kein Problem – solange dort zumindest keine Grüne wie Baerbock zum Aushängeschild wird. Zum Thema „alternative Lebensformen“ nehmen sie sowieso eine positive Haltung ein, denn was interessiert es sie schon, wenn Hunderte Halbnackte in Fetischkleidung durch die Innenstadt ziehen? Das soll jeder machen, wie er will. Auch in Amerika kann man diese Entwicklung beobachten.

Trump war nicht zu verhindern, also muss man seine Bewegung kooptieren und die mit ihm einhergehende Wiederbesinnung auf eine weiße, protestantische und kulturell angelsächsische Nation als gefährlich abstempeln – ja, mit dem Begriff „woke right“ sogar lächerlich machen. Das versucht der Influencer James Lindsay seit über einem Jahr (und mit wenig Erfolg). Aber gerade dort sieht man, wie wenig Wirkung diese Stigmatisierung entfaltet. Den meisten jungen Republikanern ist es einfach egal.

Strategische Feindschaft: Warum die neue Jugendorganisation unter Beschuss steht

Da die neue Jugendorganisation der AfD bewiesen hat, dass sie nicht geschlossen hinter dieser Vision vom Ende der Geschichte steht, sondern den alten Geist der JA in einer professionelleren Organisation fortführt, hat sie sich die Reichelter zum Feind gemacht. Diese werden nicht aufhören, publizistisch gegen die Spitze der „Generation Deutschland“ vorzugehen. Aber man sollte sich davon nicht beirren lassen.

Die Mitglieder des Vorstands wurden in den meisten Fällen mit rund 90 Prozent der Stimmen in ihr Amt gewählt, und scheinbar steht nun endlich auch die Mutterpartei hinter ihrer Jugendorganisation. Die Führer der Organisation, darunter „Kalli“ Hohm, Jan-Richard Behr, Lennard Scharpe und Kevin Dorow, genießen das Vertrauen von Partei und Jugend in ganz Deutschland.

Nun gilt es, dass sie ihren Weg beschreiten, ihre Arbeit gewissenhaft erledigen und die GD zur schlagkräftigsten Partei-Jugendorganisation des Landes machen. Denn Deutschland rettet sich nicht von selbst und Leute wie Brechtken und Reichelt werden uns auch nicht dabei helfen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Tobias Neuer

Tobias Neuer ist Student der Geschichte an einer bundesdeutschen Universität. Der Burschenschafter setzt sich mit Neuester Geschichte und Geschichtsphilosophie auseinander.

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