ÖVP-Mitarbeiter ließ Datenträger des Kanzleramts inkognito vernichten
Der betroffene ÖVP-Mitarbeiter hat die Vernichtung des Datenträgers nicht bezahlt und außerdem einen falschen Namen angegeben.
Wien. Die anonyme Vernichtung von Daten aus dem Bundeskanzleramt hat einen ÖVP-Mitarbeiter ins Visier der Polizei gebracht. Der Mann, der unter Sebastian Kurz tätig war, hat nämlich anonyme Unterlagen vernichten lassen. Die „Soko Ibiza“ vermutete daraufhin einen Zusammenhang mit dem Ibiza-Video und holte den Mann von seinem neuen Arbeitsort, der ÖVP-Zentrale, ab, und durchsuchte dessen Wohnung, wie der Kurier berichtet.
Nicht bezahlt, falschen Namen angegeben
Die Exekutive, die im Auftrag der Grazer Korruptionsstaatsanwaltschaft agiert, ist wegen einer Betrugsanzeige auf die Geschichte aufmerksam geworden. Die Anzeige brachte die Firma Reisswolf ein. Der ÖVP-Mitarbeiter hat die Vernichtung des Datenträgers nämlich nicht bezahlt und einen falschen Namen angegeben. Über die angegebene Telefonnummer ermittelte die Polizei schließlich seine Identität und fragte wegen des Verdachts der Unterschlagung von Beweismitteln nach.
Als Motiv gab der Mann an, er habe gefürchtet, dass Informationen aus dem Kanzleramt für den Wahlkampf abgesaugt werden, wenn der Misstrauensantrag gegen den damaligen Regierungschef Kurz erfolgreich wäre.
„Völlig üblicher Standardvorgang“
Konkret ging es um die Festplatte eines Druckers, auf der alle Drucke von Dokumenten gespeichert werden. Der Mitarbeiter fuhr mit der Festplatte zur Firma Reisswolf, stellte sich dort mit falschem Namen vor und beobachtete die Vernichtung des Datenträgers. Auf Anfrage der APA am Samstagfrüh hieß es dazu aus der ÖVP, es sei ein völlig üblicher Standardvorgang, dass persönliche Arbeitsunterlagen oder Daten, die nicht Bestandteile von Akten sind, bei einem Ressortwechsel bzw. Büroauszug von Mitarbeitern aussortiert, gelöscht oder geschreddert werden.
„Auch bei der Übergabe von Christian Kern an Sebastian Kurz im Dezember 2017 wurden leere Büroräumlichkeiten und keine Datenträger oder Unterlagen aus der Ära Kern vorgefunden.“ Die Schredderung des Datenträgers durch den Mitarbeiter sei auch nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen des Bundeskanzleramtes erfolgt.
SPÖ sieht „zahllose Fragen“ aufgeworfen
Dass der betroffene Mitarbeiter möglicherweise nicht rechtskonform gehandelt habe, sei absolut nicht seine Absicht gewesen. Es tue ihm leid und er sei gegenüber der Justiz voll kooperativ und habe den enstandenen Schaden bereits gutgemacht. Er habe bei der Einvernahme außerdem bereits eine Reihe von Verdächtigungen entkräften können.
Für die Volkspartei steht fest, dass es keinen Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre geben könne. Denn es habe sich um einen Druckerspeicher gehandelt, bei dem Kopien und Ausdrucke von Mitarbeitern aus Kopiergeräten gespeichert worden seien. Weitere externe Daten oder Videos habe man dort nicht speichern können: „Logischerweise besteht daher auch kein Zusammenhang zum Ibiza-Video.“ SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sieht dagegen „zahllose Fragen“ aufgeworfen. Dass der Mitarbeiter nicht einmal eine Woche nach Veröffentlichung des Ibiza-Skandalvideos unter falschem Namen sensible Daten vernichten habe lassen und jetzt mit einem Job in der ÖVP-Zentrale versorgt sei, spreche Bände.