Schwarz-blaue Regierung wegen CETA unter Beschuss
Das Freihandelsabkommen CETA sorgt wieder für große Diskussionen. SPÖ und NGOs werfen der Regierung vor, das umstrittene Abkommen noch vor dem Sommer „durchpeitschen“ zu wollen.
Laut APA-Informationen will die österreichischen Bundesregierung das Freihandelsabkommen CETA offenbar noch vor dem Sommer ratifizieren. Demnach habe man regierungsintern bereits über einen Ministerratstext abgestimmt. Auch die einzelnen Ministerien hätten bereits Stellungnahmen zu CETA abgegeben. Das für Staatsverträge zuständige Außenamt verwies auf APA-Anfrage, dass eine Umsetzung von CETA im Regierungspropgramm grundsätzlich vorgesehen sei, man sich aber noch auf keinen genauen Zeitplan festlegen wolle.
Novak: „Entscheidung zugunsten der Großkonzerne“
„Die schwarz-blaue Regierung möchte die Ratifizierung von CETA per Eilverfahren durch den Nationalrat bringen und nimmt dabei die Risiken für die Österreicher und Österreicherinnen, sowie unseren Sozialstaat in Kauf“, warnte die Landesparteisekretärin der SPÖ Wien Barbara Novak. Ihrer Ansicht nach treffe die Regierung erneut Entscheidungen zugunsten der Großkonzerne und „gegen die Menschen in diesem Land“. Die großen Nachteile lägen auf der Hand: „der zu große Einfluss der Industrie auf Gesetze, die Lockerung der Gentechnikregulierung und der Freifahrtschein für die industrielle Landwirtschaft“. Eine „voreilige Zustimmung“ der Regierung sei „Österreich gegenüber verantwortungslos“, so Novak.
Kaiser: „Strache wirft Prinzipien über Bord“
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) verwies in einer Aussendung auf „noch ganz entscheidende Verhandlungen“ auf EU-Ebene und die noch ausständige Entscheidung des EuGH zu CETA. Für die SPÖ sei das CETA-Regelwerk in der jetzigen Form jedenfalls „inakzeptabel“. Weiters sparte Kaiser nicht mit Kritik an FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache: „Kurz spannt die FPÖ zur Befriedigung von Konzerninteressen vor seinen Karren, wedelt mit einer Zigarette, Strache wirft dafür sämtliche Prinzipien und Versprechungen über Bord und Österreich kommt dabei unter die Räder“, so Kaiser.
Regierung verwundert über SPÖ-Vorwürfe
Wie der ORF berichtet, kann die schwarz-blaue Regierung die Kritik der SPÖ nicht nachvollziehen. Das Abkommen sei nämlich noch unter dem damaligen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) unterzeichnet worden. „Dass die SPÖ jetzt die Nachfolgeregierung dafür verantwortlich macht, das verwundert“, sagte Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Samstag.
Kritik von Attac und Global 2000
Neben der SPÖ meldeten sich auch die NGOs Global 2000 und Attac kritisch zu Wort. „Wir warnen davor, aus taktischen Gründen und angesichts des starken Widerstands der österreichischen Bevölkerung dieses problematische Handelsabkommen Husch-Pfusch durchzuwinken“, sagte Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000, am Samstag. Das Abkommen sei weiterhin nicht zustimmungsfähig. „Es bleiben die bekannten Probleme der Sondergerichte für Konzerne ungelöst. Ein EuGH-Urteil zur Rechtmäßigkeit dieser Sondergerichte ist weiterhin ausständig – und dennoch soll die Umsetzung in Österreich in Hochgeschwindigkeit handgestrickt werden“, kritisierte Gewessler.
Attac kündigte derweil an, gemeinsam mit der Plattform Anders Handels (vormals TTIP stoppen) in den kommenden Wochen alle Kräfte zu mobilisieren, um das Abkommen im Parlament noch zu stoppen. „Wir werden die ParlamentarierInnen nicht aus ihrer Verantwortung lassen. Sie können entscheiden, ob sie sich auf die Seite der Menschen und der Umwelt oder auf die Seite der Konzerne stellen. Wer nicht will, dass die Rechte von Konzernen über das Allgemeinwohl und die Demokratie gestellt werden, muss CETA ablehnen“, erklärte Alexandra Strickner von Attac Österreich. „Mit dem aktiven Widerstand von dutzenden Organisationen, hunderten Gemeinden, tausenden Betreibe und hunderttausender Menschen können wir CETA noch verhindern“, zeigt sich Strickner überzeugt.
WKÖ: Aktuelle Kritik an CETA ist „Panikmache“
Wirtschaftskammer-Vizepräsident Jürgen Roth weist die aktuelle Kritik am Freihandelsabkommen hingegen als „Panikmache“ zurück. Bei CETA handle es sich um ein seit Jahren verhandeltes, „gut gemachtes und faires“ Handelsabkommen.
„Als kleines, exportorientiertes Land profitiert Österreich von offenen Märkten und der Forcierung des internationalen Handels. Eine rasche Ratifizierung des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen CETA – am besten noch vor dem Sommer – ist aus Sicht der Wirtschaft daher enorm wichtig und dementsprechend natürlich zu begrüßen“, betonte Roth am Samstag.
Vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen sei der Zugang zu internationalen Märkten von existenzieller Bedeutung: „Gerade für unsere bisher nicht exportierenden KMU ist es oftmals schwierig, im Export Fuß zu fassen, da hohe Zölle und andere Handelshemmnisse den Weg in einen erfolgreichen Außenhandel erschweren. Unternehmen aus den Bereichen Maschinenbau, Metallwaren aus der Gießereiindustrie sowie Betriebe aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie haben zu Recht große Erwartungen an CETA“, sagte der WKÖ-Vize abschließend.
Über 560.000 Unterschriften für Volksbegehren
Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA standen von Beginn an in der Kritik. Neben einigen zivilgesellschaftlichen Gruppen positionierte sich auch die FPÖ noch vor der Regierungsbeteiligung klar gegen die EU-Abkommen. Im Jänner 2017 hatten insgesamt 562.552 Österreicher das Volksbegehren gegen TTIP und CETA unterschrieben.