Schwarz-Rote Asylpläne: Migrationsforscher Thym vermisst langfristige Lösungen
Der Migrationsforscher Daniel Thym kritisiert die vagen Formulierungen im Sondierungspapier von Union und SPD und fordert eine langfristige Strategie in der Asylpolitik. Insbesondere das Fehlen konkreter Maßnahmen zur Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten sieht er als großes Manko.
Der Migrationsforscher Daniel Thym sieht einige Lücken in den Asylplänen der Union.
© IMAGO / teutopressBerlin. – Union und SPD haben sich in ihrem Sondierungspapier auf Zurückweisungen an der Grenze geeinigt. Doch die Formulierungen bleiben vage, wie der Migrationsforscher Daniel Thym von der Universität Konstanz in einem Gespräch mit der Welt kritisiert. Insbesondere vermisst er klare Regelungen für eine langfristige Lösung zur Steuerung und Begrenzung der Asylbewerber.
Unterschiedliche Auslegungen der Zurückweisungen
Thym sieht in dem Sondierungspapier verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. „Es scheint in der Tat unterschiedliche Lesarten zu geben“, erklärt er. Insbesondere die Formulierung, dass Rückführungen in „Abstimmung“ mit den europäischen Nachbarn erfolgen sollen, lasse Raum für unterschiedliche Ansätze.
Er verweist auf ein Modell, das Deutschland bereits mit der Schweiz praktiziere. Dort sind deutsche Polizisten auf Schweizer Gebiet im Einsatz und weisen Asylbewerber zurück, bevor sie die deutsche Grenze überschreiten. „Das setzt aber eine enge Kooperation mit den Nachbarstaaten voraus“, betont Thym. Sollte die Bundesregierung das Schweizer Modell einfach ausweiten, „wäre Merz' Zurückweisungs-Versprechen sehr, sehr wenig wert“.
Eine andere Möglichkeit wäre eine lockerere Absprache mit den Nachbarländern, wobei das voraussetzt, dass die Länder auch mitspielen. „Wenn sie ihre Kooperation verweigern, könnte die Bundespolizei trotzdem zurückweisen, solange die Nachbarländer die Asylbewerber nicht aktiv an der Rückkehr hindern“, sagt Thym. Ohne klare Kooperation steige aber das Risiko, dass Gerichte die Maßnahmen stoppen.
Notstandsklausel als rechtliche Voraussetzung
Laut Thym müsste Deutschland nach EU-Recht einen Notstand ausrufen, um Asylsuchende an der Grenze zurückzuweisen. „Die bilateralen Verträge mit den Nachbarländern greifen nur ein, wenn Deutschland kein Asylverfahren durchführen muss“, erklärt er. „Wenn Deutschland davon durch Zurückweisungen abweichen will, dann braucht es nach meiner festen Überzeugung die Notstandsklausel.“
Er betont, dass außerhalb Deutschlands kaum jemand die Auffassung teile, dass Zurückweisungen auch ohne diese Klausel möglich seien. Die Gerichte könnten anders urteilen und es könnte auch schnell das Bundesverfassungsgericht ins Spiel kommen, so der Experte. Eine letztinstanzliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs könne Monate oder Jahre dauern.
Selektive Zurückweisungen als Alternative
Um rechtliche Risiken zu minimieren, empfiehlt Thym selektive Zurückweisungen an bestimmten Grenzabschnitten, etwa gegenüber Polen, Tschechien, Österreich, der Schweiz und vielleicht noch Frankreich. „Dort reisen die meisten Asylbewerber ein“, sagt er. Zudem sollten nur bestimmte Gruppen betroffen sein: „Vor allem junge und gesunde Männer, was ohnehin die große Mehrheit ist.“ Eine weitere Option sei, nur Asylbewerber zurückzuweisen, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind. Damit wäre sichergestellt, dass diese anderswo ein Asylverfahren erhalten.
Fehlende langfristige Strategie
Kritisch sieht Thym, dass im Sondierungspapier eine langfristige Strategie zur Steuerung des Asylzugangs fehlt. Er fordert, dass der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt werden soll. „Dadurch wird man die Zahlen allerdings nur ein wenig senken“, gibt er zu. Skeptisch ist der Experte auch in Bezug auf die Umsetzung der europäischen Asylreform (GEAS): „Diese GEAS-Reform löst die Probleme nicht und gilt erst ab Juni 2026.“ Wenn sich die Bundesregierung allein darauf verlasse, werde sie die versprochene Asylwende nicht schaffen.
Drittstaatenregelung als Schlüssel
Besonders kritisiert Thym, dass das Sondierungspapier keine konkreten Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren in sichere Drittstaaten enthält. „Das ist eine Lücke“, betont er. Er erinnert daran, dass die Union im Wahlkampf angekündigt habe, den subsidiären Schutz abzuschaffen. Auch davon sei in dem Papier nichts zu finden. „Ich halte das für wichtig: Sowohl die sicheren Drittstaatsmodelle als auch die Einschränkung der Schutzgewährung stehen für mich für das Versprechen, nicht nur kurzfristige Lösungen zu suchen, sondern auch langfristig den Zugang von Asylbewerbern neu zu gestalten.“
EU-Kommission plant Reformvorschläge
Laut Thym könnte es aber bald Bewegung in der EU geben. „Vermutlich schon am Dienstag wird die EU-Kommission Vorschläge unterbreiten, wie das sichere Drittstaatsmodell vereinfacht werden kann.“ Dies würde eine Lockerung oder Streichung der bisherigen Anknüpfungspunkte bedeuten, wodurch Drittstaatenlösungen rechtlich leichter umsetzbar wären. Die Zukunft der Asylpolitik hängt also nicht nur von nationalen Entscheidungen ab, sondern auch von den Entwicklungen auf europäischer Ebene. Für Thym ist jedoch klar: Ohne grundlegende Änderungen wird es keine dauerhafte Lösung geben.