Sondierung: Zu diesen FPÖ-Forderungen sagt Nehammer Nein
Karl Nehammer lehnt erneut eine Koalition mit der FPÖ ab und weist deren Forderungen zurück. Um welche Forderungen es sich dabei genau handelt, geht aus der veröffentlichten Pressemappe hervor.
Wien. – Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hat sein Nein zu einer Koalition mit der FPÖ unter Herbert Kickl bekräftigt. Nach einem Sondierungsgespräch sagte Nehammer, er werde nicht „Steigbügelhalter“ für Kickl sein, da dieser nicht bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Nehammer zeigte Verständnis für die Sorgen der FPÖ-Wählerschaft in den Bereichen Sicherheit, Migration und politischer Islam. Lösungen müssten aber rechtsstaatlich sein.
Verhalten „schwer erklärbar“
Unterdessen wurde bekannt, über welche Maßnahmen die FPÖ mit den anderen Parteien in den Sondierungsgesprächen gesprochen hat. Die Pressemappe dazu ist nun öffentlich einsehbar. Beobachter stellten in diesem Zusammenhang bereits fest, dass es den Wählern der ÖVP „schwer erklärbar“ sein dürfte, „worüber Karl Nehammer aus persönlicher Aversion nicht verhandeln will“.
Stärkung des Wirtschaftsstandortes
In der Pressemappe finden sich Punkte zu verschiedenen Bereichen. Die FPÖ will zum Beispiel den Wirtschaftsstandort Österreich stärken und die Energieabhängigkeit von anderen Staaten verringern. Sie fordert eine spürbare Entlastung der Klein- und Mittelbetriebe sowie die Stärkung des Produktionsstandortes Österreich für Lebensmittel, Energie, Medikamente etc. Weiters fordert sie ein Ende der Schädigung der Wirtschaft durch die „EU-Regulierungswut“.
Auch der Bereich Arbeit und Leistung spielt eine zentrale Rolle. Dementsprechend fordert die FPÖ gerechtere Löhne und eine Senkung der Lohnnebenkosten. Die Förderung von Unternehmen sowie die Attraktivierung von Arbeitsplätzen stehen ebenfalls im Fokus. Außerdem wird gefordert, Berufseinsteiger und Familiengründer steuerlich zu entlasten. Darüber hinaus spricht sich die FPÖ für einen steuerlichen „Altersbonus“ ab 60 Jahren und eine gerechte Pensionserhöhung aus.
Asyl mit Ablaufdatum
Beim blauen Kernthema Asyl und Migration fordert die FPÖ den Ausbau des Grenzschutzes und dass Asylanträge nur noch von Personen angenommen werden, die nicht über ein sicheres Drittland eingereist sind. Zudem soll das Asylrecht mit einem Ablaufdatum versehen werden und konsequente Abschiebungen bei negativem Asylbescheid sowie konsequente Verfolgungen bei vermuteter Straffälligkeit sind vorgesehen. Ein Wettbewerb um die besten Köpfe statt sozialer Hängematte soll forciert werden.
Außerdem sieht die Partei eine zentrale Zielsteuerung und Verantwortung in der Gesundheits- und Pflegepolitik vor. Weitere Vorschläge betreffen die verstärkte Ausbildung von ausreichend Ärzten und Pflegepersonal sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen. Illegale Migranten und Asylsuchende sollten nur eine Grundversorgung erhalten.
Bekenntnis zur Neutralität
Sicherheit und Neutralität sind weitere wichtige Themen in den Diskussionen. Die FPÖ fordert einen besonderen Schutz für Frauen und Kinder, die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters sowie ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam. Außerdem sollen Souveränität und Neutralität in der Verfassung besonders geschützt werden. Die Freiheitlichen fordern auch ein Bekenntnis zu Neutralität, Diplomatie und Dialog. Einen NATO-Beitritt oder eine Beteiligung an „Sky Shield“ lehnen sie hingegen ab.
Gefordert wird auch der Ausbau der direkten Demokratie, etwa in Form von Volksbegehren, ein freier Zugang zu Informationen ohne Bevorzugung einzelner Medien – hier wird etwa der ORF genannt. Weiters wird der Schutz der Meinungsfreiheit, die Aufarbeitung der Korruptionspolitik und die Evaluierung aller völkerrechtlichen Abkommen und Verträge gefordert.
Stellungnahme ohne Überlegungsphase
Dass sich Nehammer nach dem jüngsten Gespräch mit Kickl dennoch gegen eine Koalition mit der FPÖ aussprach, veranlasste den freiheitlichen Bundesparteiobmann zu einer ausführlichen Stellungnahme. In einer Presseaussendung übte er unter anderem scharfe Kritik an der von Nehammer an den Tag gelegten Eile.
„Eigentlich ist das ein wenig seltsam, möchte ich sagen, weil zwischen dem Gespräch und der Stellungnahme keine Überlegungsphase, keine Zeit, in der man etwas in Ruhe Revue passieren lässt, keine Phase des Nachdenkens gelegen ist“, sagte Kickl mit Blick auf die Tatsache, dass sich Nehammer relativ rasch nach dem Gespräch zu Wort gemeldet hat. „Man hat den Eindruck: schnell, schnell, schnell, wahrscheinlich nicht einmal Rücksprache mit der eigenen Partei“, so Kickl.
Nehammer im Wahlkampfmodus
Kickl warf Nehammer weiters vor, weiterhin im Wahlkampfmodus zu sein und einen „gekränkten Wahlverlierer“ abzugeben. Gleichzeitig könne Nehammer nicht die Verantwortung für die negativen Auswirkungen der Politik der letzten Jahre übernehmen.
Kritik übte er auch an der Stellungnahme Nehammers selbst: „Ich weiß nicht, ob Sie jetzt überrascht sein werden von dem, was ich jetzt sage, aber ich bin mir jedenfalls sicher: Der Nehammer-Text für diese Pressekonferenz gestern war schon fix und fertig geschrieben, bevor ich mit ihm überhaupt das erste Wort gewechselt habe“ Diese Phrasendrescherei sei ein Zeichen der Gesprächsverweigerung gegenüber der FPÖ.
Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt
Trotz der Spannungen bot Kickl Nehammer erneut die Hand zur Zusammenarbeit. Er versuchte, auf Basis objektiver Fakten eine gemeinsame Basis zu finden, um den Interessen der österreichischen Bevölkerung gerecht zu werden. „Die FPÖ hat gewonnen, die ÖVP hat verloren“ und Österreich befinde sich in einer „wirtschaftlich schwierigen, fast schon gefährlichen Lage“, betonte Kickl.
Dass die ÖVP die ausgestreckte Hand annehmen wird, ist eher nicht zu erwarten. Auf dem X-Account der ÖVP ist seit gestern zu lesen: „Kickl kann noch so verzweifelt versuchen, Kanzler zu werden: Bundeskanzler @karlnehammer wird ihm nicht den Steigbügelhalter machen und KEINE Koalition mit ihm eingehen! Hinzukommt: Wer vertrauliche Gespräche öffentlich macht und versucht, die anderen gegeneinander auszuspielen, disqualifiziert sich für die gemeinsame Zusammenarbeit!“