Umstrittener Sektionschef Pilnacek nach Ministerium-Umbau entmachtet
Bislang war Christian Pilnacek als Leiter der riesigen Strafrechtssektion so etwas wie der mächtigste Mann im Justizministerium. Durch eine Reorganisation im Ministerium verliert dieser nun maßgeblich an Einfluss.
Wien. – Beobachter feiern es als Coup der grünen Justizministerin Alma Zadić, realistisch dürfte auch lagerübergreifend der Druck gestiegen sein. Die seit 2010 in dieser Form bestehende ‚Supersektion‘ wird jedenfalls zweigeteilt, mit dem Effekt, dass Pilnack (vorerst) seinen Einflussbereich verliert, auch wenn dieser sich für die neu zu besetzenden Stellen erneut bewerben kann.
Strukturumbau, Lex Pilnacek oder parteipolitischer Coup?
Zadić begründete den Umbau mit der Notwendigkeit nach Vertrauen in die Justiz. Außerdem müsse einem Näheverhältnis der Sektion zur Politiker vorgebeugt werden. Weil die bisherige Sektion sich sowohl einzelne Verfahren mit Aufsicht als auch um Gesetze kümmert, standen diese Gerüchte häufiger im Raum. Der Standard hatte am Dienstag von Plänen berichtet, dass die Änderung direkt auf Pilnacek abzielt, weil dieser „aus der Weisungskette zu entfernen“ sei.
So mancher Beobachter, wie etwa Moritz Moser von Addendum, sieht in der faktischen Pilnacek-Entmachtung auch parteipolitische Komponenten. Auf Initiative der FPÖ sei der Bundesstellenplan im Jahr 2017 im Ministerium für öffentlichen Dienst und Sport gelandet, anstatt im Bundeskanzleramt. Weil Kogler dieses quasi ‚erbte‘, hätten die Grünen nun sogar ohne ÖVP-Zustimmung die Möglichkeit, alleine Justizsektionen neu zu schaffen und zu besetzen.
Dass Zadic Pilnacek ohne die ÖVP abräumen kann, verdankt sie übrigens der FPÖ. Die war schlau genug, den Bundesstellenplan ins BMöDS (jetzt BMKÖS) zu holen, wo ihn Kogler geerbt hat. Nur so kann sie eine neue Sektion aus dem Boden stampfen.
— Moritz Moser (@moser_at) May 26, 2020
Schiefe Optik bei Casinos, Eurofighter, Identitären
Pilnacek als Sektionschef war in den vergangenen Monaten immer wieder im Zentrum der Kritik. Eine mögliche Politaffäre nach Bekanntwerden der Vorwürfe, er habe Staatsanwälte zur Einstellung des Eurofighter-Verfahrens angewiesen, blieb vermutlich auch deshalb aus, weil nur wenige Tage später das Ibiza-Video die ganze Republik fundamental auf den Kopf stellte. Die Thematik wurde erst wieder virulent, als im Zuge der Aufarbeitung der Casinos-Affäre an die Öffentlichkeit geriet, dass er deren Aufsichtsräte besuchte.
Umstritten ist auch Pilnaceks Rolle bei der Freigabe des Identitären-Prozesses in Graz. Obwohl die Justizsprecher von vier Parlamentsparteien schon vorab scharfe Kritik am Verfahren übten, verteidigte Pilnacek die wackelige Anklage im Fernsehen. Der Mammutprozess am Grazer Straflandesgericht – wo pikanterweise dessen Ehefrau als Präsidentin agiert – endete nach zehn Prozesstagen mit Freisprüchen in den Hauptanklagepunkten der kriminellen Vereinigung und Verhetzung.
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