Unfreiheit bedeutet Untergang – Wo Jürgen Elsässer falsch liegt

Auf X fordert der Chefredakteur des Compact-Magazins eine Wiederbesetzung Deutschlands durch die USA und Russland – vollständig legitimiert durch die Anwendung der Feindstaatenklausel. Es sind politisch unsichere Zeiten, aber auch die Hoffnung auf Erlösung hat ihre Grenzen, meint FREILICH-Autor Mike Gutsing.

Kommentar von
11.3.2025
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3 Minuten Lesezeit
Unfreiheit bedeutet Untergang – Wo Jürgen Elsässer falsch liegt

Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer hat zuletzt mit kuriosen Forderungen für Furore im rechten Lager gesorgt.

© IMAGO / ZUMA Press Wire

Deutschland und seine prophetisch erwarteten Erlöser: Seit dem Mittelalter sehnen sich die Deutschen, geplagt von ihrer europäischen Mittellage, immer wieder nach Erlösung von Fremdherrschaft, Teilung und Tyrannei. Auch heute haben solche Hoffnungen wieder Konjunktur; wer sich an die Euphorie erinnert, die die erste Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump auslöste, weiß, wovon die Rede ist. Diese Heilserwartungen sind nicht nur kulturgeschichtlich, sondern auch religiös nicht nur nachvollziehbar, sondern sogar erwartbar, politisch angesichts einer scheinbar totalen Ohnmacht gegenüber dem System sowieso. Während die Hoffnung auf die Rückkehr legendärer Nationalhelden wie Barbarossa fast romantisch und die naive Hoffnung auf uneigennützige Hilfe durch „Wild Card“-Politiker wie Trump zumindest nachvollziehbar ist, gibt es auch bei dieser Heilsehnsucht eine Grenze des guten Geschmacks.

Diese Grenze hat Compact-Chef Jürgen Elsässer mit seinen Äußerungen über eine mögliche Wiederbesetzung Deutschlands durch die USA und Russland weit überschritten. Auf der Grundlage der Feindstaatenklausel solle Deutschland „befreit“ und die Rückkehr zur Demokratie „in freien und fairen Wahlen ohne Brandmauer“ garantiert werden, bis zur „Bildung einer Regierung, die dem Volkswillen entspricht, übernimmt diese Regierung wieder die volle Souveränität, schließt mit Amis und Russkis einen Friedensvertrag. Die beiden ziehen dann ab.“ Diese und andere Gedanken äußerte der Chefredakteur einer der bekanntesten alternativen Zeitschrift zuletzt am 02. März auf X und erntete dafür viel Kritik.

Ein krudes Geschichtsbild

Es fällt schwer, die notwendige Schärfe zu formulieren, mit der jeder Deutsche, der sich jenseits des linken Zeitgeistes sieht, diese Überlegungen zurückweisen müsste. Damit wird nicht nur dem Vorwurf der fünften Kolonne Putins Vorschub geleistet, sondern auch eine ideologische Bankrotterklärung abgegeben. Die Vorstellung, dass sich Russen und Amerikaner mitten in Europa zu einer (Re-)Besatzung hinreißen lassen, uns dann aber ergebnisoffen fast sofort wieder in die Souveränität entlassen, offenbart nicht nur ein völlig krudes Geschichtsbild. Es ist die völlige Missachtung von Generationen von Deutschen und Europäern, die an allen Fronten Europas gegen die eine oder andere „raumfremde Macht“ (Carl Schmitt) zum Schutz von Volk und Vaterland gekämpft und gestorben sind.

Wie Elsässer als studierter Deutsch- und Geschichtslehrer und selbsternannter Patriot ernsthaft die Besetzung der eigenen Heimat durch einen anderen Staat fordern kann, bleibt unverständlich. Er bleibt seinen Anhängern ein historisches Beispiel schuldig, wann und wo der Verlust der außen- und innenpolitischen Souveränität, noch dazu unter dem Druck einer fremden Macht, jemals vorteilhaft und im Sinne der heimischen Bevölkerung gewesen wäre. Und auch die Frage, wie der „wahre“ Volkswille für die Regierungsbildung ermittelt wird, bleibt unbeantwortet. Wo ist die deutsche Zivilbevölkerung, die sich nicht eindeutig zum Kurs der AfD bekennt, sondern in klarer Opposition zum linken Zeitgeist steht? Wo sind die jungen Deutschen, die sich im Sturm der Jugend einer Sache verschrieben haben, die größer ist als Schrebergarten und Schützenfest? Sollen sie der Willkür der Russen und Amerikaner ausgeliefert sein?

Offene Fragen und fehlende Antworten

Unabhängig davon, welche Bevölkerungsgruppe man in diesem Gedankenspiel betrachtet, werden die eklatanten Mängel der Forderung Elsässers schnell deutlich. Das Fehlen eines fundierten Weltbildes und der historischen Dimension seiner Forderungen lässt sich nur durch seinen bewegten politischen Werdegang erklären, ansonsten muss man von einer schweren geistigen Verwirrung oder von einem Interesse jenseits der Interessen des deutschen Volkes ausgehen. Beides ist für eine der bekanntesten Stimmen des patriotischen Lagers nicht nur ungehörig, sondern schlicht Gift in den Ohren aller aufrechten Menschen, denen das Wohl dieses Landes am Herzen liegt. Dass Elsässer einen „faschistischen Kontinentalblock unter Führung der Grünen“ als gemeinsamen Feind der „Friedensmächte“ USA und Russland ausmacht, lässt ohnehin nur den Kopf schütteln.

Wie könnte eine Alternative zu den Forderungen des Compact-Chefredakteurs aussehen? Zum einen muss Deutschland (egal unter welcher Regierung) seine Souveränität verteidigen und auch ausbauen, ein Rückzug in die Kleinstaaterei der Tagespolitik kann weder für die Berliner Regierung noch für die Bürger eine ernsthafte Alternative sein. Inwieweit dazu nationale oder auch europäische Maßnahmen notwendig sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Eine Umkehr vom „Kopf auf die Füße“ Deutschlands kann nur aus der Mitte des Volkes kommen und nicht wie ein Müllsack über uns gestülpt werden.

Elsässers Ansichten über die Besetzung Deutschlands durch Russen und Amerikaner sind bestenfalls kurzsichtig und naiv, schlimmstenfalls von fremden Interessen geleitet. Elsässer hat nach vielen Jahren in der Politik nicht begriffen, dass Staaten keine Freunde haben, sondern nur Interessen, und dass Deutschland für unsere großen Nachbarn im Westen wie im Osten derzeit nicht interessant genug zu sein scheint. Diese politische Wende herbeizuführen, ist unsere Aufgabe, die uns weder abgenommen noch anderen überlassen werden darf.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Mike Gutsing

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

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