ZDF-„heute-show“: Ist das noch Satire? Wie politisch ist die Sendung? (1)
Satire kritisiert normalerweise die herrschenden Verhältnisse. Eine empirische Untersuchung des X-Accounts der ZDF-„heute-show“ zeigt jedoch: Der selbsternannten Satiresendung geht es vor allem um die Bestätigung des eigenen Weltbildes.
FREILICH hat 408 Memes, welche die „heute-show“ von Anfang März 2023 bis Ende Februar 2024 auf ihrem X-Account veröffentlichte, auf ihren parteipolitischen Bias hin untersucht. Von den untersuchten Memes weisen insgesamt 259 einen Bezug zu deutschen Parteien auf. Die SPD und die Grünen werden nur in 42 beziehungsweise 30 Prozent der Fälle negativ dargestellt. Die Freien Wähler in Bayern und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) werden ausschließlich negativ dargestellt, die AfD wird immerhin nur in 70 Prozent aller Fälle mit einer negativen Botschaft versehen.
So parteiisch ist die „heute-show“
Von einer Satiresendung kann eine besonders kritische Auseinandersetzung mit den Regierenden erwartet werden. Von der gebührenfinanzierten „heute-show“ wäre zumindest eine ausgewogene Darstellung aller Parteien zu erwarten gewesen. Der Medienstaatsvertrag verpflichtet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nämlich zur „Unparteilichkeit“ und zur Sicherung der „Meinungsvielfalt“.
Das Gegenteil ist der Fall: Während die Regierungsparteien SPD und Grüne so positiv dargestellt werden wie keine andere Partei, trifft es die Oppositionsparteien AfD und BSW besonders hart. Die zu 100 Prozent negative Darstellung der Freien Wähler, die gemeinsam mit der CSU das Land Bayern regieren, ist schnell erklärt.
Denn eine Umfrage unter ARD-Volontären im Mai 2020 ergab, dass bei der nächsten Bundestagswahl 57,1 Prozent die Grünen, 23,4 Prozent die Linke und 11,7 Prozent die SPD wählen würden. Die anderen Parteien kamen zusammen nur auf 7,8 Prozent. Ein fragwürdiges Ergebnis, wenn man bedenkt, dass Union, AfD und FDP zum Zeitpunkt der Umfrage zusammen 58 Prozent aller Sitze im Bundestag innehatten.
FDP: Der Ampel-Außenseiter
Die FDP wird 13 Mal neutral und 28 Mal negativ dargestellt. Positive Darstellungen konnten nicht ermittelt werden. Regelmäßig wird suggeriert, FDP-Politiker würden die Arbeit der Ampelkoalition behindern oder arrogant auftreten.
Ein Meme mit beiden dieser Botschaften zeigt Finanzminister Christian Lindner (FDP), der gerade die grüne Familienministerin Lisa Paus begrüßt. Paus weist Lindner darauf hin, dass die 2,4 Milliarden Euro für die geplante „Kindergrundsicherung“ nicht ausreichten. Lindner entgegnet: „Gern geschehen, Lisa.“ Die Nöte der Kinder, so die Botschaft, seien Lindner ebenso gleichgültig wie die kollegiale Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner. Paus dagegen erscheint als Kümmerin, der das Wohl der Kinder am Herzen liege.
Ein Foto vom Februar 2024 zeigt Lindner, den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz (SDP) auf der Regierungsbank im Reichstag. Im Text heißt es, Lindner erhalte für seine „Verkleidung als ‚Regierungsmitglied‘“ einen Sonderpreis des Karnevalsverbands. Indem Lindner als „Regierungsmitglied“ in Anführungszeichen gesetzt wird, erscheint er als Dilettant. Seine Kollegen von der SPD und den Grünen strahlen im Kontrast zu ihm Kompetenz aus.
Weitere negative Lindner-Memes finden sich hier, hier, hier, hier, hier, hier, und hier.
Die Grünen: Liebling der „heute-show“
Die Grünen werden zwölf Mal positiv, 23 Mal neutral und 15 Mal negativ dargestellt. Keine andere Partei wird von der „heute-show“ wohlwollender dargestellt. Dieser Bias zugunsten der Grünen ist nicht überraschend. Denn in der eingangs erwähnten Umfrage unter ARD-Volontären gaben 57,1 Prozent an, bei der nächsten Bundestagswahl ihr Kreuz bei der sogenannten Umweltpartei zu machen. Aber auch das „heute-show“-Team des ZDF ist ganz auf Linie der Grünen: Als der WDR das Skandallied „Oma ist eine alte Umweltsau“ wegen heftiger Proteste auf Facebook löschen musste, verlangte der Chefautor der „heute-show“ öffentlich, das Video wieder ins Netz zu stellen.
Typisch für die FDP-Memes der „heute-show“ ist eine egalitär gefärbte Kapitalismuskritik. Ideologiekritik an den Grünen fehlt bei den untersuchten Memes jedoch völlig. Grünenpolitikern werden Bildungslücken (Ricarda Lang), unappetitliches Aussehen beim Essen (Winfried Kretschmann) oder mangelnde IT-Kenntnisse (Robert Habeck) angekreidet. Man könnte die Frage aufwerfen, ob die satirische Verarbeitung menschlicher Schwächen überhaupt politische Kritik ist.
Fragwürdig für eine Satiresendung sind schließlich Memes, deren Zweck eindeutig die Idealisierung der Herrschenden ist. So wird Robert Habeck gegenüber einem unbedarften Christian Lindner als Mann dargestellt, der aufgrund seiner Lebenserfahrung über eine überlegene Einsicht verfügt. Cem Özdemirs Vorhaben, Werbung für Kinderlebensmittel zu regulieren, wird als gerechter Kampf gegen finstere Konzerne dargestellt. Weitere Beispiele für positive Grünen-Memes finden sich hier, hier, hier, hier, hier und hier.
SPD: Liebling Nr. 2 der „heute-show“
Die SPD wird neun Mal positiv, 32 Mal neutral und 30 Mal negativ dargestellt. Die Kanzlerpartei SPD ist somit die am häufigsten thematisierte Partei. Sie wird nach den Grünen am häufigsten positiv dargestellt. Wie bei den Grünen zeichnen sich die negativen Darstellungen der SPD durch eine Abwesenheit an Ideologiekritik aus.
Die meisten negativen Darstellungen machen sich über das schlechte Gedächtnis, die Tischmanieren und die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit von Kanzler Scholz lustig. Eine beliebte Zielscheibe ist Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der wahlweise als verwirrt, lebensfremd oder deplatziert dargestellt wird. Ebenfalls keine Ideologiekritik enthalten die negativen Darstellungen von Scholz (hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier), Innenministerin Nancy Faesers verpatzter Hessenwahl (hier, hier, hier) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiers Kanadabesuch (hier und hier). Ex-Kanzler Gerhard Schröder wird im Vergleich zum amtierenden Kanzler Scholz wegen seiner Nähe zu Russland ausschließlich negativ dargestellt (hier, hier und hier).
Ein bereits von den Grünen bekanntes Muster ist die Kontrastierung mit der FPD: Auf einem Beispiel stellt sich der FDP-Justizminister Marco Buschmann mit ausgebreiteten Armen schützend vor ein schlafendes Kind. Allerdings steht der FDP-Politiker so ungünstig, dass Messer, Granaten und Raketen mit der Aufschrift „Mieterhöhungen“ im Begriff sind, das Kind zu treffen. Die Überschrift zitiert den kurz zuvor veröffentlichten Artikel des linken Tagesspiegels: „FDP stehe beim Mietenstopp auf der Bremse: SPD-Generalsekretär Kühnert kritisiert Justizminister“. Die „heute-show“ interveniert mit diesem Meme also zugunsten der SPD im Koalitionsstreit mit der FDP.
Auffällig ist, dass Bundespräsident Steinmeier insgesamt viermal (hier, hier, hier und hier) positiv dargestellt wird. Eine solche Ergebenheit gegenüber dem Bundespräsidenten mag zwar geeignet sein, das Ansehen des Staatsoberhauptes zu steigern. Ob damit der Zweck einer Satiresendung gefördert wird, bleibt jedenfalls offen. Weitere positive Darstellungen zeigen Gesundheitsminister Lauterbach sowie Kanzler Scholz mit Familienministerin Lisa Paus und König Charles III.
CSU: Feindbild Söder
Die CSU wird sechs Mal neutral und 31 Mal negativ dargestellt. Positive Darstellungen konnten nicht ermittelt werden. Noch schlechter schneiden nur das neu gegründete BSW und Hubert Aiwangers Freie Wähler ab. Bei diesen Parteien weisen alle untersuchten Memes eine negative Botschaft auf.
Der ausgeprägte Bias gegen die CSU kann auf die schleppende Umsetzung grüner Klimapolitik in Bayern zurückgeführt werden. Dort regieren die CSU unter Ministerpräsident Markus Söder und die Freien Wähler unter dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger seit 2018 gemeinsam.
Wie sehr die „heute-show“ von der Klimaideologie durchdrungen ist, beweist die Autorin Jana Fischer. Auf X schreibt Fischer, offenbar ernstgemeint, dass man wegen des Klimawandels bald keine Heizung mehr brauche (archiviert).
Allein 21 der negativen CSU-Darstellungen entfallen auf Markus Söder. Er ist mit Abstand der am häufigsten negativ dargestellte Politiker im Untersuchungszeitraum. Besonders deutlich wird die Abneigung des „heute-show“-Teams in einer Anspielung auf den Spielfilm „Das Leben der Anderen“. Söder ist hier als Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler beim Abhören eines Telefonats zu sehen. Der Text lautet: „Bayerische Ermittlungsbehörden haben über Monate Telefonate der Letzten Generation abgehört. Oder wie es irgendwann auf einer Oscarverleihung heißt: das Kleben der Anderen.“ Die Parteinahme der „heute-show“ für eine Organisation, die in Wien den Tod eines Herzkranken zu verantworten hat und in Berlin die Rettung einer lebensgefährlich Verletzten behinderte, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Die Animositäten der Berliner „heute-show“ gegenüber dem Söder-geführten Bayern dürfte durch das Urteil des Landgerichts München im November 2023, wonach die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung ist, nicht abgenommen haben.
Weitere negative Darstellungen mit Ideologiebezug kritisieren Söders Einstellung zu: Ernährungspolitik (hier und hier), LGBTQ (hier und hier), Kapitalismus, Antisemitismus (hier und hier) und grüner Klimapolitik (hier, hier und hier).
Negative Darstellungen Söders ohne Ideologiebezug finden sich hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.
Freie Wähler: 100 Prozent Verachtung
Die Freien Wähler werden neun Mal negativ dargestellt. Neutrale oder positive Darstellungen konnten nicht ermittelt werden. Im Gegensatz zur CSU, bei der die meisten Memes einen Söderbezug aufweisen, handeln alle Memes über die Freien Wähler vom Parteichef Hubert Aiwanger.
Auch die Ideologiekritik an den Freien Wählern ist ungemein stark ausgeprägt. Fünf der Memes handeln vom Antisemitismusvorwurf gegen Aiwanger im Rahmen der Flugblatt-Affäre (hier, hier, hier, hier und hier).
Zwei Memes stellen Aiwanger als Gegner der grünen Klimapolitik dar („Klimawandelleugner“ und Atomkraftbefürworter). Das letzte der beiden Memes zeigt Söder und Aiwanger an der Schaltzentrale eines Atomkraftwerks. Der Text „Markus Söder und Hubert Aiwanger 43 Minuten, nachdem sie angefangen haben, Isar 2 alleine weiterzubetreiben“ spielt darauf an, dass Bayern nach dem Atomausstieg am 15. April 2023 möglicherweise zur Kernenergie zurückkehren könne.
Nur zwei der insgesamt neun Memes weisen keine Ideologiekritik auf (hier und hier).