„Akuter Papiermangel“: Impfpflicht in Deutschland nicht umsetzbar?
Die Krankenkassen halten die Umsetzung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht aus organisatorischen Gründen für problematisch. Es sei nicht sicher, ober es ausreichend Papier für die nötigen Anschreiben gebe.
Berlin. – In Deutschland kommt die Debatte um eine allgemeine Corona-Impfpflicht in die entscheidende Phase. In wenigen Wochen soll der Bundestag darüber abstimmen. Überwacht werden soll die Impfpflicht von den deutschen Krankenkassen. Doch diese äußern nun eine Vielzahl von Bedenken. Schon das Versenden der Anschreiben dürfte scheitern, warnt der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Der Grund: Derzeit herrsche in Europa ein akuter Papiermangel.
Überwachung der Impfpflicht als „staatliche Aufgabe“
Der Papiermangel führe dazu, dass das Material für die rund 120 Millionen Schreiben fehle, die zur Information der Versicherten vorgesehen sind, hieß es in Stellungnahmen der GKV zu zwei Gesetzesentwürfen für die Impfpflicht anlässlich einer Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestags am Montag.
Da der Auftrag für die Aussendungen zudem zuvor europaweit ausgeschrieben werden müsse, sei die fristgerechte Versendung der Briefe bis zum 15. Mai gar nicht zu leisten. Die Krankenkassen hätten außerdem gar nicht immer die aktuellen Adressdaten ihrer Versicherten, um sie „sicher zu erreichen“. Die GKV wehrte sich zudem dagegen, dass die Krankenkassen die Impfpflicht überwachen sollen. Dies sei eine „staatliche Aufgabe“.
Warnung vor Überlastung
Zudem würde die Meldung der Ungeimpften an „Bußgeldstellen das wichtige Vertrauensverhältnis zwischen Versicherten und Krankenkassen stark belasten“. Konkret warnen die Kassen vor millionenfachen Nachfragen und Beschwerden, die ihre Callcenter überlasten könnten. Technisch sei außerdem gar nicht möglich, die von den Versicherten einzureichenden Impfnachweise – abgesehen vom digitalen Impfzertifikat – sicher zu überprüfen. Das geplante dezentrale Meldesystem bei den einzelnen Krankenkassen würde zudem zu „millionenfachen“ Fehlern führen. „Millionen von Bürgerinnen und Bürgern würden zu Unrecht, trotz einer vollständigen Immunisierung, den Bußgeldstellen gemeldet werden müssen“, warnt der GKV.
Entscheidung über Impfpflicht Anfang April
Später veröffentlichte der GKV-Spitzenverband eine weitere Mitteilung, in der es hieß, dass aktuelle Medienberichte den Eindruck erwecken könnten, die gesetzliche Krankenversicherung sei gegen die Einführung einer Impfpflicht. „Wir haben uns in unserer Stellungnahme an keiner Stelle gegen die Einführung einer Impfpflicht ausgesprochen“, so die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer. Man habe lediglich auf zu erwartende praktische Schwierigkeiten bei der geplanten Umsetzung durch die Krankenkassen hingewiesen.
In einer Expertenanhörung im Bundestag wurden am Montag die verschiedenen Vorschläge für eine mögliche Impfpflicht erörtert. Insgesamt liegen fünf Entwürfe vor, die von einer Impfpflicht ab 18 bis zum Nein zu jeglicher Vorgabe reichen. Das Parlament will Anfang April eine Entscheidung treffen, bis dahin soll nach einem Kompromiss gesucht werden.