Australien beendet Zero-Covid-Strategie
Während Neuseeland an seinem Konzept festhält, Corona bis auf den letzten Infizierten von der Insel fernzuhalten, entscheidet sich Australien für einen Strategiewechsel unter dem Eindruck ständig wiederkehrender Lockdowns. Doch entbrennt auch dort ein Konflikt um eine härtere oder lockere Corona-Politik.
„Es wäre kein nachhaltiger Weg zu leben für ein Land“, erklärte der australische Premierminister Scott Morrison diesen Schritt am 23. August. Damit geht eine Ära zu Ende, wie sie sich viele für Europa auch gewünscht hätten: Das kleine Land auf seinem eigenen Kontinent, im Pazifik weit weg von den Geschehnissen der Welt, schickte nämlich wegen zwei oder drei Covid-Ansteckungen ganze Millionenstädte in den Lockdown. Dies gestattete Down Under ansonsten aber auch ein relativ freies Leben ohne Maske, mit offenen Restaurants und Kinos.
Nachdem man Ende Juni nach einem lokalen Ausbruch von 177 Neuinfektionen die bevölkerungsreichste Stadt Sydney und damit jeden zweiten Australier in einen siebenwöchigen Lockdown geschickt hatte, inklusive Schulschließungen, gehört diese Strategie der Bekämpfung von Corona bis zur letzten Viruszelle nun auch dort der Geschichte an. Stattdessen wird man, ähnlich wie Europa, den Anstieg der Fälle erlauben, solange das Gesundheitssystem mit den Infektionen umgehen kann.
Die Berichterstattung um die Delta-Variante gibt einen bequemen Ausweg aus der Dauertretmühle von ständigen kostspieligen Lockdowns. Diese sollen die australische Wirtschaft bisher 15,1 Milliarden Euro gekostet haben, so Ökonomen der Bank UBS, zitiert die Londoner Finanzblatt City A.M. Ein Vergleich mit den zu tragenden Kosten in Europa erübrigt sich, da man hierzulande längst aufgehört hat zu zählen oder zumindest eine Dimension der Kosten anzugeben. Doch Ende 2020 wurden diese bereits auf 540 Milliarden Euro geschätzt – inkludiert sind hier nur direkte Kosten und keine indirekten durch Lohnentgänge wohlgemerkt.
Neuseeland kämpft weiter gegen Corona-Windmühlen
Sowohl Forschung als auch Politik bleiben still dazu, wie diese neue Variante aus Indien immer wieder aufpoppen kann, trotz allerstrengster Regulierungen. Immerhin gelten drakonische Einreisebestimmungen inklusive mehrwöchiger Quarantäne in Absonderungshotels. 30.000 australische Bürger saßen außerhalb der Landesgrenzen fest, denn selbst ihnen war die Rückkehr aus Kapazitätsgründen nur tranchenweise gestattet.
Zusammen mit Neuseeland fokussierte man sich im Kampf gegen Corona noch einmal radikaler auf die völlige Unterdrückung des Virus. Die Premierministerin des kleinen Nachbarn im Südosten, Jacinda Ardern, verlängerte unterdessen den landesweiten Lockdown wegen 347 Corona-Fällen. Auch hier ist in weiten Teilen unbekannt, wie diese Viren trotz hermetischer Abriegelung und der Insellage immer wieder ins Land gelangen und sich ausbreiten können. Die häufigste Erklärung dafür ist demnach die erhöhte Ansteckungsrate der Deltavariante: Ein Reiserückkehrer soll laut Bericht des britischen „Guardian“ sogar Leute aus seiner Quarantäne heraus angesteckt haben.
Streit innerhalb Australiens
Während Ardern, Postergirl der internationalen bürgerlichen Linken, sehr viel positive Presse für ihr Kleinhalten der Infektionszahlen bekam, hielt man sich bei Morrison eher zurück. Er ist neben den Attributen alt, weiß und männlich darüber hinaus nämlich auch noch Konservativer, der nicht von heute auf morgen Australiens Hauptenergiequelle Braunkohle und damit die Grundsäule der Energieversorgung der Wirtschaft des kleinsten Kontinentes der Welt über Bord wirft.
Doch das Ende der Zero-Covid-Strategie im konservativ regierten Australien könnte freut nicht jeden. Mark McGowan, Premierminister des größten und wirtschaftsstärksten Bundesstaates Westaustralien, kündigte nämlich bereits eine Fortsetzung der Zero-Covid-Strategie in seinem Bundesstaat an.