Nord-Stream-Sabotage: Dramatisches Finale einer langen Entwicklung

Wie Seismologen bestätigt haben, wurden in der Nacht zum Montag die beiden Nord-Stream-Pipelines gesprengt. Das ist ein Angriff auf die Souveränität und Versorgungssicherheit Deutschlands. Sofort stellte sich die Frage: Cui bono? Nur will in den Mainstream-Medien keiner so recht den Elefanten im Raum benennen. Stattdessen wird Moskau verdächtigt, die Pipeline zerstört zu haben.
Tomasz M. Froelich
Kommentar von
28.9.2022
/
3 Minuten Lesezeit
Nord-Stream-Sabotage: Dramatisches Finale einer langen Entwicklung

Tomasz M. Froelich

So vermutet etwa der Tagesspiegel eine russische „False-Flag-Operation“. Nur: Warum sollten die Russen das tun? Warum eine Pipeline zerstören, in die man selbst mehrere Milliarden investiert hat? Um etwa Verunsicherung im Westen zu schüren? Das erscheint nicht wirklich plausibel, zumal der Preis dafür zu hoch wäre. Bisher waren die Gaslieferungen ein starkes Druckmittel des Kremls: Günstige Gaslieferungen, um hierzulande Industrie und Privathaushalte zu entlasten, im Gegenzug Stopp der Russland-Sanktionen oder der Waffenlieferungen an die Ukraine – diese starke Verhandlungsbasis steht Moskau nun nicht mehr zur Verfügung.

Außerdem hat Russland aktuell große Probleme in der Ukraine. So groß, dass Bündniszusagen an Armenien, das jüngst von Aserbaidschan angegriffen wurde, nicht eingehalten werden konnten. Über die Schwäche Moskaus macht sich der Westen bereits lustig. Umso bemerkenswerter ist es, dass man den angeblich so schwachen Russen es zutraut, mal eben Nord Stream zu sprengen, wenn man bedenkt, dass – oh Wunder! – seit wenigen Wochen der größte Kampfverband der US Navy seit Ende des Kalten Krieges die Ostsee durchquert. Und der will angeblich nichts Verdächtiges bemerkt haben?

Schwaches Russland, starke USA

Da erscheint es plausibler, dass die USA Nord Stream gesprengt haben oder sprengen ließen. Das Projekt war Washington schon immer ein Dorn im Auge. Nur wenige Wochen vor dem Krieg in der Ukraine gab US-Präsident Joe Biden bekannt: „Es wird kein Nord Stream 2 geben. Wir werden das beenden.“ Als ein Journalist nachbohrte und ihn fragte, wie er das zu tun gedenke, zumal das Projekt und die Kontrolle darüber in deutscher Hand lägen, entgegnete Biden trocken: „Ich verspreche Ihnen, dass wir das hinkriegen.“ Und Victoria Nuland, Staatssekretärin im US-Außenministerium, blies vier Wochen vor Kriegsbeginn ins gleiche Horn: „Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird es mit Nord Stream 2 nicht vorangehen.“

Ganz schön präpotente Aussagen für eine raumfremde Macht, die eine knallharte Interessenpolitik verfolgt, die sich nicht mit deutschen Interessen deckt: Es ist erklärtes Ziel der USA, Russland als günstigen Gasversorger aus dem Spiel zu nehmen, um Deutschland mit teurerem LNG-Gas zu versorgen. Teureres LNG-Gas führt zu höheren Energiepreisen in Deutschland. Höhere Energiepreise führen zu sinkender Konkurrenzfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts. Und sinkende Konkurrenzfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts führt zur Verlagerung von Produktionsstätten. Wohin? In die USA natürlich, wo Gas und Strom etwa um den Faktor 10 preiswerter sind als hierzulande. Da ist es wenig überraschend, dass Washington deutsche Firmen mit billiger Energie und niedrigen Steuern lockt. Das Handelsblatt titelte bereits: „Immer mehr deutsche Firmen bauen ihre Standorte in den USA aus“. Unschöne Nebeneffekte für unser Land: Eine Preisinflationsspirale und steigende Arbeitslosigkeit. Deutschland soll kleingehalten werden.

Und es macht sich mit der Politik der Ampelkoalition noch kleiner: Denn mit dem Festhalten am Ausstieg aus der Atomkraft und einer immer aggressiver werdenden Sanktionsrhetorik gegen praktisch alle nicht westlich-hegemonial eingebundenen Staaten, die die Kriterien wertebasierter Außenpolitik nicht erfüllen, wie etwa den Iran, der ein potenzieller Energie-Ersatzlieferant sein könnte, werden Alternativen verbaut. Souverän ist aber nur, wer Alternativen hat. Wir aber geraten immer mehr in Industrie- und Energieabhängigkeit von den USA.

Ein erfreuter Nachbar

Die Polen, die zu einem der engsten europäischen Verbündeten der Amerikaner avanciert sind, freut’s. Am Tag der Sprengung von Nord Stream ging die Gasleitung Baltic Pipe in Betrieb.

Polens Präsident Andrzej Duda sprach von einem „polnischen Traum“, der in Erfüllung gegangen sei, während sich Radosław Sikorski, immerhin ehemaliger polnischer Außen- und Verteidigungsminister, jetziger EU-Abgeordneter und Ehemann der einflussreichen US-amerikanischen Journalistin Anne Applebaum, auf Twitter bei den USA für die Nord-Stream-Sprengung bedankte: „Thank you, USA.“ Polen erlangt nun großen Einfluss über die europäische Rohstoffversorgung. Was man in Warschau übersehen haben könnte: Aus nationalem Interesse macht man sich zum Büttel langfristiger US-Fremdbestimmung, die nicht von der woken Kulturrevolution des Westens zu trennen ist. Einen Linksliberalen wie Sikorski dürfte das sogar freuen, einen Rechtskonservativen wie Kaczynski müsste das hingegen stören. Es ist ja nicht so, dass Ronald Reagan immer noch US-Präsident wäre.

Bemerkenswert sind die „Reaktionen“ der Bundesregierung auf diesen Akt der gegen deutsche Interessen gerichteten Aggression: Bisher hat man weder von Bundeskanzler Olaf Scholz, noch von Außenministerin Annalena Baerbock, noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier etwas vernommen. Warum eigentlich nicht? Selbst wenn man sich nicht sicher ist, wer den Anschlag auf Nord Stream verübt hat: Was spricht dagegen, diesen Anschlag zu verurteilen und Untersuchungen einzufordern? Doch nicht etwa die Täter? Oder etwa doch? So jedenfalls, wie sich unsere Bundesregierung in dieser Situation verhält, kann sich nur die Regierung eines gebrochenen, fremdbestimmten und impotenten Landes verhalten.


Zur Person:

Tomasz M. Froelich, Jahrgang 1988, ist gebürtiger Hamburger und arbeitet bei der ID-Fraktion im EU-Parlament. Der studierte Ökonom und Politologe ist zudem seit 2019 stellvertretender JA-Bundesvorsitzender.

Telegram: https://t.me/tomaszfroelich

Twitter: https://twitter.com/TomaszFroelich


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