Rauswurf von Tucker Carlson – Die Wahrheit auf Messers Schneide
Der populäre und gleichzeitig umstrittene Moderator Tucker Carlson konnte mit seinen Sendungen mehrere Millionen Zuschauer anziehen. Nach seiner Entlassung durch den US-Sender Fox News hat er nun angekündigt, seine bislang dort erfolgreiche Abendshow zum Onlinedienst Twitter zu verlegen.
„Das Narrenschiff“ erschien Oktober 2018. Rechtzeitig vor den Zwischenwahlen der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump. Es handelt von einer Mannschaft, welche das Schiff gekapert hat und völlig ignorant gegenüber den Bedürfnissen der Passagiere agiert. Eine Analogie, die vielen österreichischen und deutschen Bürgern bekannt vorkommen dürfte.
Der Autor war der Ende April 2023 entlassene Moderator Tucker Carlson. Carlson war das Zugpferd im Hauptabendprogramm des konservativen Nachrichtensender Fox News. „Tucker Carlson Tonight“ erzielte Rekordeinschaltquoten. Rund drei Millionen Amerikaner schalteten durchschnittlich ein, um sich den populärsten und zugleich umstrittensten Politik-Kommentator anzuschauen.
Warum ist ein erfolgreicher Selfmade-Man wie der Medien-Mogul Rupert Murdoch bereit, auf Quoten, Werbeeinnahmen, Kunden etc. zu verzichten? Die Antwort auf diese Frage findet sich vermutlich teilweise im Narrativ des Buches „Das Narrenschiff“. Bei Carlson fühlt man sich an einen alten Ausspruch über die Artillerie erinnert: „Sie kennt weder Freund noch Feind. Nur lohnende Ziele“. Gemäß seines Selbstverständnisses würde er sich eher am Bonmot über den altvorderen „Der Spiegel“ orientieren: „Das Sturmgeschütz der Demokratie“. Womit Carlson wohl die vordringlichste Aufgabe eines Kanoniers erfüllt: Nämlich zu treffen.
Im besagten Werk kommt niemand ungeschoren davon. Weder Republikaner wie der mächtige Senatsführer Mitch McConnell noch Demokraten wie die mittlerweile abgetretenen Nancy Pelosi oder Hillary Clinton. Ins Visier geraten zudem Multi-Milliardäre wie Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos. Sein Herz schlägt für den amerikanischen Mittelstand. Big Government, Big Business und Big Media erwecken Misstrauen. Carlson selbst zog bezüglich seines Buches die Referenz zu der Frage: „Warum wurde Trump gewählt?“
Von Klimawandel bis Selenskyj: Keine Heiligen Kühe
Keine „Heilige Kuh“ wurde bei „Tucker Carlson Tonight“ geschont. Die gesamte Theorie des menschengemachten Klimawandels sei absurd. Der Klimaforscher Michael Mann behauptete: Er sei „eine ständige Quelle der Desinformation über den Klimawandel.“ Die Maßnahmen gegen das Corona-Virus seien überzogen bis lächerlich. Die Massenzuwanderung aus der Dritten Welt diene dem Austausch der Bevölkerung. Die New York Times entgegnete, dass die benutzten Ängste und Klagen der Zuschauer als Waffe, auf diese Weise die möglicherweise rassistischste Show in der Geschichte des Kabelfernsehens geschaffen haben.
Die Unregelmäßigkeiten der Wahl 2020 haben das Ausmaß von Wahlmanipulation angenommen. Der Sturm auf das Kapitol war ein Narrativ des Mainstreams. Und letztendlich wandte sich Carlson gegen die Unterstützung für Selenskyj und die Ukraine ohne Wenn und Aber. Selenskyj sei eine Marionette von Biden und die Ukraine keine Demokratie. Dies „stehe in ihrer Dreistigkeit der russischen Staatspropaganda in nichts nach“, urteilte die NZZ.
Die jüngste Odyssee des vierfachen Familienvaters begann drei Tage nach dem 21. April 2023. Nachdem Carlson seine Sendung wie gewohnt absolviert und sich bis zur nächsten Ausgabe ins Wochenende verabschiedet hatte, folgte die Entlassung zum Start der neuen Woche. Über die genauen Gründe ließ Fox die Öffentlichkeit im Unklaren. Was naturgemäß die Gerüchteküche befeuerte.
Der Mainstream folgte dem Narrativ im Zusammenhang mit dem Gerichtsprozess zwischen dem Wahlmaschinenhersteller Dominion und Fox über die Vorwürfe der Wahlmanipulation. Die beiden Parteien einigten sich auf einen Vergleich. Das Medienunternehmen muss eine Zahlung von 787,5 Millionen Dollar leisten. Viel wurde über geleakte Textnachrichten gemutmaßt, deren Inhalte rassistischer und indiskreter Natur sein sollen. Durch den Vergleich habe man sozusagen einen Deckel auf die Sache gelegt.
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Wohingegen die Fans und ähnlich gestrickte Kollegen des Kommentators den Grund für die Entlassung im wiederholten Tabubruch sahen. Ein evangelikal-konservatives Medium sprach davon, dass Fox den Grund gekündigt habe, warum die Leute Fox schauen. Und tatsächlich sanken die Einschaltquoten massiv. Breitbart News, ein konservatives Konkurrenzmedium, veröffentlichte entsprechende Zahlen. Fox-Sendungen mussten bei der mittleren Altersgruppe minus 42 bis minus 75 Prozent hinnehmen. Wo Carlson im Durchschnitt drei Millionen Amerikaner erreichte, kommt sein provisorischer Nachfolger auf 1,5 Millionen.
Maverick samt Publikum auf Rennstallsuche
Fox zeigt sich offiziell unbeeindruckt. Der Sender verwies darauf, dass die Zuschauerraten noch immer vor CNN und MNSBC liegen. Außerdem gelang es auch das Tief nach dem Abgang von Bill O'Reilly und den Belästigungsvorwürfen gegen Roger Ailes durchzutauchen. Erfreulich ist die Entwicklung für die Konkurrenz. Eric Bowling, vormals ein Fox-Moderator, verzeichnet nun bei Newsmax über eine halbe Million Zuschauer zur Hauptsendezeit. Und liegt nur noch 200.000 hinter CNN.
Daher war es naheliegend, dass sich Newsmax und Andere anschickten den nunmehrigen Maverick Carlson einzufangen und als Zugpferd einzuspannen. Jedoch drangen erneut Informationen durch, dass das Enfant Terrible nach wie vor bis Ende 2024 oder Jänner 2025 durch eine Klausel an Fox News gebunden sei. Bis dahin bezieht er sein Gehalt von 550.000 Euro im Monat. Ohne am Bildschirm zu erscheinen. Seine Umtriebigkeit gepaart mit dem erneuten Antreten von Trump soll als unkalkulierbares Risiko eingestuft worden sein.
„Der Gedanke, dass irgendjemand Tucker zum Schweigen bringt und ihm verbietet, zu seinem Publikum zu sprechen, ist völlig absurd“, erklärte Bryan Freedman, Anwalt des Kommentators. Dieser wiederum sprach via Video zu seinem Publikum, in welchem die Rede davon gewesen ist, dass es noch immer Orte gebe, wo man die Wahrheit sagen könne. Und verabschiedete sich mit einem „See you soon“.
We are back – Bei Twitter
Das Rätsel wo und wann dieses Wiedersehen stattfinden wird, ist vorerst teilweise geklärt. In einem am 9. Mai 2023 auf Twitter veröffentlichten weiteren Video mit dem Titel „We are back“ machte Carlson eine Ansage an seine sieben Millionen Follower: „In Kürze werden wir eine neue Version der Sendung, die wir in den letzten sechseinhalb Jahren gemacht haben, auf Twitter bringen. Wir werden auch einige andere Dinge bringen, von denen wir Ihnen noch erzählen werden. Die Redefreiheit ist die Grundvoraussetzung für die Demokratie. Die letzte große Plattform auf der Welt, die einzige, ist Twitter“.
Einen Vertrag zwischen Carlson und Twitter gibt es nicht. Der Eigentümer der Social-Media-Plattform, Elon Musk, verlautbarte ebenfalls via Twitter, dass Nutzer mithilfe der Verlinkungsfunktion „Community Notes“ miteinander interagieren, Kritik üben und Behauptungen widerlegen können. „Ich hoffe, dass auch viele andere, insbesondere aus der Linken, ebenfalls Inhalte auf dieser Plattform produzieren“.
Scheinbar eine elegante Lösung zur Umgehung der Sperr-Klausel bei Fox. Dennoch könnte das neue Format auf Social Media als Vertragsbruch angesehen werden. Umgekehrt berichtet das linksgerichtete Medium Axios, dass Carlson sich bemüht, vom Vertrag entbunden zu werden. In einem Schreiben seines Anwalts an das Medienunternehmen heißt es, dass Fox sich nicht an die Vereinbarungen des Kontrakts gehalten habe. Private Korrespondenz des Kommentators sowie private Nachrichten wurden gegen ihn in Form von Leaks verwendet. Dies soll wiederum die Korrespondenz von Fox-Managern mit anderen Medien belegen.
Unabhängig von dieser drohenden Schlammschlacht wird sich der Fokus des neuen Formats auch mit der Frage beschäftigen, wo die Grenzen des Sagbaren liegen. Carlson erklärte in seinem jüngsten Video, dass die Wahrheit lediglich bis zu einem gewissen Grad ausgesprochen werden dürfe. Überschreitet man diese Grenze allzu oft, sind Konsequenzen die Folge.
Es ist nicht das erste Mal, dass Carlson eine Weiterreise antreten muss. 2005 wurde die Sendung Crossfire bei CNN eingestellt, da er laut Jon Stewart zu polemisch agiere. Die Entgegnung des Moderators: Er habe sich ihn lustiger vorgestellt.