Vorgängerregierung: Starmer nennt Tory-Politik „Experiment der offenen Grenzen“
Nachdem die Einwanderung nach Großbritannien einen neuen Rekordwert erreicht hat, hat der britische Premierminister Starmer die Politik der Tories scharf kritisiert und sie als „Ein-Nationen-Experiment“ bezeichnet.
London. – Die Nettozuwanderung ins Vereinigte Königreich hat im Jahr bis Juni 2023 mit 906.000 Personen einen neuen Rekordwert erreicht, wie aus Daten des Office for National Statistics (ONS) hervorgeht. Diese Zahl liegt deutlich über den ursprünglich geschätzten 740.000 und ist viermal so hoch wie vor dem Brexit im Jahr 2019. Premierminister Keir Starmer kritisierte in einer Rede die Einwanderungspolitik der Vorgängerregierung scharf und sprach von einem „Experiment der offenen Grenzen“.
„Versagen in dieser Dimension geschah mit Absicht“
Starmer betonte, dass die hohen Zuwanderungszahlen kein Zufall, sondern das Ergebnis einer bewussten Politik seien. „Ein Scheitern in dieser Dimension ist nicht einfach Pech. Es ist keine globale Entwicklung oder ein Moment der Unachtsamkeit“, sagte er in seiner Rede. „Nein, es ist eine andere Art von Versagen. Es geschah mit Absicht, nicht aus Versehen.“ Die Politik sei absichtlich so gestaltet worden, dass die Einwanderung liberalisiert wurde. „Der Brexit wurde zu diesem Zweck genutzt – um Großbritannien in ein Ein-Nationen-Experiment mit offenen Grenzen zu verwandeln.“
Kritik an verfehlten Reformen
Neben der Einwanderungspolitik warf Starmer den Konservativen vor, grundlegende Reformen in anderen Bereichen vernachlässigt zu haben. Es sei „unverzeihlich“, dass sie sich den schwierigen Aufgaben in den Bereichen Qualifizierung, Sozialreformen und Chancen für junge Menschen verweigert hätten, sagte er. Die meisten Einwanderer seien nach Großbritannien gekommen, um Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu füllen.
Starmer kündigte an, unter einer Labour-Regierung das auf Punkten basierende Einwanderungssystem zu reformieren. Unternehmen, die stark auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen sind, sollen verpflichtet werden, auch britische Arbeitskräfte auszubilden. Außerdem will Labour den Missbrauch von Visa stärker kontrollieren. Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, sollen für zwei Jahre vom Zugang zu ausländischen Arbeitskräften ausgeschlossen werden.
Tory-Führung gibt Fehler zu
Die neue Tory-Chefin Kemi Badenoch hat Fehler ihrer Partei eingeräumt. „Es ist richtig, dass ich als neue Vorsitzende Verantwortung übernehme und ehrlich sage: Wir haben Fehler gemacht“, sagte sie. Andere konservative Politiker wie die ehemalige Innenministerin Suella Braverman betonten hingegen, dass die Einwanderungszahlen zuletzt gesunken seien. Laut ONS lag die Nettozuwanderung im Jahr bis Juli 2024 bei 728.000 – ein Rückgang von 20 Prozent im Vergleich zum Höchststand im Vorjahr. Dies sei vor allem auf weniger mitreisende Familienangehörige von Studierenden zurückzuführen.
Kosten des Asylsystems auf Rekordniveau
Die Asylkosten des Vereinigten Königreichs sind auf den Rekordwert von 5 Milliarden Pfund gestiegen, was einer Steigerung von mehr als einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Starmer forderte eine klare Erklärung für diese Entwicklung und betonte die Notwendigkeit einer nachhaltigen Reformpolitik: „Die britische Bevölkerung verdient eine Antwort.“