Deutsche Infrastruktur vor dem Kollaps: Sanierungsbedarf in Milliardenhöhe
Deutschland steht vor einem massiven Investitionsstau bei Straße, Schiene und Energie. Eine neue Studie zeigt, dass allein zur Sicherung der Grundversorgung ein dreistelliger Milliardenbetrag erforderlich ist.
Frankfurt. – Deutschland kämpft mit massiven Infrastrukturdefiziten, wie zuletzt der Einsturz der Dresdner Carolabrücke deutlich machte. Marode Brücken, veraltete Straßen und Funklöcher deuten auf einen akuten Investitionsstau hin, den der Ökonom Lars Feld in einer neuen Studie untersucht hat. Allein in den kommenden Jahren sind laut Feld rund 400 Milliarden Euro für Autobahnen, Schienenwege und Energieinfrastruktur nötig, um die Grundversorgung zu sichern.
Tatsächlicher Finanzbedarf wohl noch höher
„Deutschlands Infrastruktur lebt fast nur noch von ihrer Substanz“, warnte Feld, Professor an der Universität Freiburg und Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP), bei der Vorstellung der Studie in Frankfurt. Das staatliche Investitionsniveau reiche längst nicht mehr aus, um den Bestand zu erhalten. Die Studie, die im Auftrag des Fondsanbieters Union Investment erstellt wurde, zeigt, dass der tatsächliche Finanzbedarf noch höher sein dürfte, da Infrastrukturinvestitionen in Deutschland nicht systematisch erfasst werden.
Milliardenschwere Bedarfe für Straßen, Bahn und Energie
Basierend auf Daten des Bundesverkehrsministeriums schätzt die Studie den Investitionsbedarf allein für Autobahnen und Bundesfernstraßen von 2025 bis 2028 auf über 57 Milliarden Euro. Für die Schieneninfrastruktur rechnet Feld im gleichen Zeitraum mit 63 Milliarden Euro. Die langfristigen Kosten für die notwendige Erneuerung und den Ausbau der Energieinfrastruktur im Zuge der Energiewende, inklusive On- und Offshore-Anlagen, belaufen sich auf bis zu 270 Milliarden Euro.
Hans Joachim Reinke, Vorstandschef von Union Investment, betonte die zentrale Bedeutung einer funktionsfähigen Infrastruktur für Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland. Laut der Studie liegt die Investitionsquote von Bund, Ländern und Kommunen für die Infrastruktur bei nur 2,6 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts und damit rund einen Prozentpunkt unter dem OECD-Durchschnitt.
Private Investoren können helfen
Eine mögliche Lösung sieht Feld in der stärkeren Einbindung privater Investoren, etwa über spezielle Infrastrukturfonds. In Deutschland gibt es bereits privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaften mit staatlicher Beteiligung wie die Autobahn GmbH. „Werden diese Gesellschaften mit bestimmten Kompetenzen wie eigener Einnahme- oder Kreditfähigkeit ausgestattet, könnten attraktive Geschäftsmodelle entstehen, die sich als Anlageobjekte für entsprechende Fonds anböten“, so Feld.
Speziell im Energiebereich schlägt Feld die Gründung einer Netzinfrastrukturgesellschaft vor, die die staatlichen Anteile an den Übertragungsnetzbetreibern bündeln und für Investoren öffnen könnte.
Union Investment setzt auf Infrastruktur als Kapitalanlage
Die Finanzierung von Infrastruktur müsse auf eine breitere Basis gestellt werden. Fondsgesellschaften könnten eine wichtige Rolle spielen, um Kapital gezielt in Infrastrukturprojekte zu lenken. „Denn als Kapitalsammelstelle bringen wir das vorhandene Geld dahin, wo es eingesetzt werden sollte“, erklärte Reinke. Er sieht in Infrastrukturinvestitionen eine Chance, Vermögen breiter zu streuen und langfristig anzulegen. „Heute sind private Investitionen in Infrastrukturprojekte nur der Anfang für ein Thema, das uns in den kommenden Jahren immer stärker beschäftigen wird.“