18 Prozent Inflation: WIFO-Chef warnt vor sozialen Unruhen im Winter
Bereits im Juni stieg die Inflation auf rekordverdächtige 8,7 Prozent – doch das könnte noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn falls es zu einem Ausfall der Gas-Versorgung kommt, wären laut WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sogar 18 Prozent möglich.
Berlin. – Schon aktuell bilden die offiziellen Zahlen die tatsächliche Teuerung für viele Bürger nicht wirklich greifbar ab. Denn die stärksten Preisanstiege gibt es seit Monaten bei alltäglichen Gütern wie Lebensmittel und Energie. Bereits im Mai gab jeder achte Österreicher an, sich das Leben nicht mehr leisten zu können. Vor der schütteren Gasversorgungslage droht nun allerdings ein energietechnischer kalter, aber politisch und gesellschaftlich umso heißerer Winter. Fünf von sechs Österreichern rechnen dann ohnehin mit Energie-Engpässen – TAGESSTIMME berichtete.
WIFO-Felbermayr wittert „soziales Konfliktpotenzial“
Bei einer Diskussionsveranstaltung des Energiekonzerns „Verbund“ in Berlin gab der Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Gabriel Felbermayr, zu Protokoll, dass er im Falle eines Gas-Lieferstopps mit der Verdoppelung der Inflationsrate rechne. Die Wirtschafsleistung könnte einbrechen: Momentan sehe es bei der Konjunktur noch gut aus, aber ab Dezember werde es „möglicherweise sehr dick kommen“.
Felbermayr warnt vor „kriegswirtschaftlichen Zuständen“, welche die Menschen „auf die Straße treiben“ könnten – und das in Massen: „Da schlummert gewaltiges soziales Konfliktpotenzial.“ Der deutsche Ex-EU-Energiekommissar und Ex-CDU-Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Günther Oettinger, pflichtete ihm bei. Er rechnet mit einem Gaspreis, der „sich gewaschen hat“. In der Talkshow von Markus Lanz sprach Energieminister Robert Habeck (Grüne) zuletzt vor einer Verachtfachung des Preises.
Edtstadler rechnet mit „Wohlstandsverlust“
Vor diesem Hintergrund versuchen die Politiker auf die Knappheit einzustimmen: Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sprach von einem „Tal der Tränen“, das man zu durchschreiten habe. Dabei müsse man „mit einem Wohlstandsverlust rechnen“. Die Coronakrise sei im Vergleich zu dem, was Europa bevorstehe, wohl „nur zum Warmlaufen“ gewesen, befürchtet Edtstadler.
Strompreis aktuell an Gaspreis gekoppelt
Felbermayr brachte in der Folge auch eine Entkoppelung des Gaspreises vom Strompreis ins Spiel. Aktuell findet die Preisfindung nämlich nach dem Strompreisindex statt. Das „Merit-Order-Prinzip“ verlangt, dass das teuerste Kraftwerk, das für die Erreichung der Grundlast nötig ist, den Preis diktiert. Was ursprünglich gegen Dumpingpreise und für die Attraktivität erneuerbarer Energien eingeführt wurde, kommt nun als Bumerang zurück.
Aktuell klagt eine Linzerin, die eine vertragliche Zusicherung zur Lieferung von Strom aus 100 Prozent Wasserkraft hat, gegen die Verbund-Preiserhöhung von 163 Prozent. Doch Verbund-Chef Strugl hält nichts von Preisdeckelungen – obwohl sein Unternehmen massive Übergewinne von mehreren hundert Millionen Euro einfuhr. Er will lieber den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, damit Gaskraftwerke nicht wie in Spanien und Portugal seit dem dortigen Preisdeckel im Dauerbetrieb sind.
Journalisten wundern sich über hohe Energiepreise
Dass die Preisanstiege gerade bei der Energie für viele Haushalte langsam, nicht mehr zu stemmen sind, findet allmählich auch in den etablierten Medien Gehör. Die oe24-Journalistin Isabelle Daniel warnte: „Man sollte echt nicht länger unterschätzen was dieser Anstieg der Energie/Stromkosten bedeutet und auslösen kann […] Das ist ein Pulverfass.“
Bereits am eigenen Leibe erfährt die Teuerung Falter-Chefredakteur Florian Klenk. Der Gaspreis-Anstieg bedeutet für sein Familienhaus künftig eine jährliche Preissteigerung von 3.000 Euro. Was für jemanden in seiner Stellung vielleicht noch zu stemmen ist, ist für eine Durchschnittsfamilie ruinös …
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