AfD-Konferenz im Bundestag: „EU ist Gegenteil einer Friedensordnung“
Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Europäischer Kontinentalismus“ gab die AfD im Deutschen Bundestag zahlreichen Experten die Gelegenheit, den desaströsen Zustand der Brüsseler EU zu analysieren und Vorschläge für einen konservativen Gegenentwurf zu präsentieren. Für den Organisator der Konferenz, den außenpolitischen Sprecher der AfD, Petr Bystron, ein voller Erfolg.
Berlin. – Österreich war mit dem Ökonomen Christian Zeitz prominent unter den Referenten vertreten. Neben Zeitz sprachen der serbische Politologe Dušan Dostanić, der Schweizer Militärexperte Ralph Bosshard sowie der amerikanische Journalist Harley Schlanger. In kenntnisreichem und durchweg kritischem Ton zeigten die Referenten die Schwachstellen und Konstruktionsfehler der EU sowie die Folgen der immer weiter voranschreitenden Transformation des einstigen „Friedensbündnisses“ in einen Aggressionsverstärker anglo-amerikanischer Machtinteressen auf.
Als Ausweg aus dieser Misere komme nur eines in Frage: Die Rückbesinnung auf eine authentische europäische Identität, die sich von den geostrategischen Ambitionen der westlichen „Partner“ emanzipiert und endlich eigene Akzente im Interesse der souveränen Staaten Europas setzt. Dabei spielt nicht nur die Wiederentdeckung eines europäischen Gemeinschaftsgefühls, sondern vor allem auch der Entwurf einer eigenen Wirtschaftsordnung eine wesentliche Rolle.
Geschichte einer Enttäuschung
Unter den Rednern des Abends war es vor allem Christian Zeitz, Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie in Wien und Vorstandsmitglied des Wiener Akademikerbundes, der auf die ökonomischen Fehlentwicklungen der EU hinwies und dabei zu Protokoll gab, dass er einst zu jenen Menschen gehörte, die man als „glühende Verehrer der europäischen Integration“ bezeichnete. Diese Integration sei ihm lange Zeit als ein „offenes Projekt“ mit ungewissem Ausgang erschienen, das durchaus ein großes Potenzial für Frieden und Wohlstand gehabt habe.
Zeitz erinnerte an die Anfänge der EU, insbesondere an den Schuman-Plan, der eine „gute Idee im Sinne einer Friedensordnung“ gewesen sei, um „Dinge wirtschaftlich zu verbinden und dadurch Aggressionspotenziale von Staaten zu unterbinden“. Umso erstaunlicher, um nicht zu sagen beschämend, findet es Zeitz, wie das Erbe Schumans heute missbraucht und umgedeutet wird. Sein Beispiel: Der berühmt gewordene Satz von Schuman, nach dem man „die Notwendigkeit“ begreifen müssen, „den afrikanischen Kontinent wirtschaftlich zu entwickeln und in ein ähnliches Bündnis zu überführen wie die Europäische Union“, wird heute von politischen Entscheidungsträgern wie dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einem Freifahrtschein für grenzenlose Migration nach Europa umgedeutet. Zeitz erläutert: „Scholz hat genau diesen Satz zitiert und auf dieser Basis dann eine 'Agenda' skizziert, die bekannt ist: Es ist die 'Agenda der organisierten Fluchtmigration'.
Besonders verräterisch an dieser bewussten Fehlinterpretation sei, so Zeitz, dass sich Scholz in seinen Ausführungen „eines Vokabulars bedient, das signifikaterweise von einem Herrn (...), nämlich George Soros, entwickelt wurde“. Es handelt sich um „das Begriffspaar ‚reguläre‘ und ‚irreguläre Migration‘“, das als Gegensatz von „legaler und illegaler Migration“ in Stellung gebracht wird. Die Folgen dieser Umdeutung sind bekannt: Statt illegale Migration zu verhindern, wie es zu allen Zeiten üblich war, übernahm man – nicht nur in Deutschland – die Soros’sche Auffassung, man müsse Migrationswellen „managen“, statt sie zu verhindern. Dass dies heute auch noch als europäisches Denken ausgegeben werde, sei ein Skandal, so Zeitz.
Verträge, die die Welt bedeuten
Es gebe genau vier Gründe, warum die EU zu dem geworden sei, was sie heute ist, erklärte Zeitz – und spielte damit auf die „vier großen Verträge“ zwischen 1992 und 2007 an, die das europäische Projekt Stück für Stück auf den Weg des Zentralismus gebracht und den Staatenbund in einen Superstaat verwandelt hätten. Es waren „der Vertrag von Maastricht, der Vertrag von Amsterdam, der Vertrag von Nizza und der Vertrag von Lissabon“.
Zeitz zeichnet diese Entwicklung minutiös nach, indem er die wesentlichen Inhalte der genannten Verträge skizziert, mit denen die EU immer mehr Kompetenzen für sich beanspruchte. In Artikel 13 des Amsterdamer Vertrags war plötzlich von den „sozialen Grundrechten“ der Bürger die Rede. Darin lag bereits der Keim einer „Kulturrevolution des europäischen Kontinents“, so Zeitz. Der Grundgedanke: Der Staat soll „Rechte“ gewähren und schützen, statt sich aus dem Leben der Bürger herauszuhalten. Mit dem Vertrag von Nizza sei später „das Mehrheitsprinzip in der Europäischen Union“ eingeführt worden, das die Möglichkeit schaffe, politische Großprojekte „auch gegen oppositionelle Kräfte durchsetzen zu können“.
Mit dem Vertrag von Lissabon sei schließlich „die uneingeschränkte Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union“ geschaffen worden – mit anderen Worten: Die EU sei de facto „ein Staat, ein Superstaat“ geworden. Und auch auf der wirtschaftlichen Ebene hätte es, so Zeitz, andere mögliche Entwicklungspfade gegeben, insbesondere im Hinblick auf die gemeinsame Währung, den Euro. Es sei keineswegs ausgemacht gewesen, dass sich die Idee einer Einheitswährung durchsetzen würde, denn lange Zeit habe es auch die Option von „kompetitiven, wettbewerblich gegeneinander antretenden Währungen“ gegeben. Diese Alternative sei mit der Einführung des Euro ad acta gelegt worden – zum Schaden aller. Für Zeitz ist klar: Die skizzierten Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich die EU „irreversibel“ in Richtung „Finsternis einer Proto-Diktatur“ entwickelt hat.
Kapitalismus vs. Syndikalismus
Wer glaubt, die Probleme der heutigen EU hätten etwas mit „Kapitalismus“ zu tun, wird von Zeitz eines Besseren belehrt. „Was ist an dem, was wir jetzt haben, bitte kapitalistisch?“, fragt er und zeigt auf, dass das Problem nicht im Kapitalismus – verstanden als freie Marktwirtschaft – liegt, sondern in einem System, das er „Syndikalismus“ nennt. Diese Wirtschaftsform zeichne sich dadurch aus, dass freier Handel und Wettbewerb zugunsten einiger Oligarchen und Monopolisten vom Schlage eines Bill Gates ausgeschaltet seien.
Konkret: „Milliardäre wie Herr Gates sind nicht durch den Verkauf guter Produkte reich geworden, sondern durch ihre Verflechtungen mit dem politischen Sektor“, „durch die Nähe ihrer Aktivitäten zum Prozess der Geldschöpfung“, „mit dem internationalen Gefüge multilateraler Einrichtungen und mit staatlichen Einrichtungen“. Für Zeitz besteht kein Zweifel: „Wir leben im Zeitalter des Neo-Syndikalismus und nicht in einer kapitalistischen oder marktwirtschaftlichen Ordnung“.
Wie die heutige EU mit ihrer knallharten machtpolitischen Ausrichtung entstanden ist, erklärt Zeitz mit Verweis auf die Methoden und Ergebnisse des Wiener Kongresses von 1815. Hier sei ein politisches System, „ein Gleichgewicht der Macht“ etabliert worden, „das mit den Interessen der Menschen und den Bedürfnissen der Menschen nichts zu tun hat“. Und genau das sei auch das Prinzip hinter dem, „was die Europäische Union in den letzten Jahrzehnten geworden ist“. Wir haben es hier mit „Blaupausen“ der Idee zu tun, „die Welt konstruktivistisch einzuteilen und durch Eliten zu beherrschen. Das hat eine lange Tradition“, so der Ökonom weiter.
Einen möglichen Ausweg aus der machtpolitischen Verirrung der EU sieht Zeitz im „europäischen Kontinentalismus“. „Eine solche Ordnung könnte die Grundlage für Frieden sein, statt dass sich immer wieder „die Mächtigen wichtig machen“ und „die Ohnmächtigen vergewaltigen“. Angesichts der aktuellen Situation – insbesondere in der Ukraine – sieht der Referent allerdings kaum Chancen, dass sich eine solche Friedensordnung etablieren kann. Diese alternative Ordnung werde durch die aktuellen Kriege, etwa in der Ukraine, „kaputt gemacht“. Hier ist die Enttäuschung über die gegenwärtige EU besonders groß: Die EU sei „keine Friedensunion“ mehr, sondern in Wahrheit „das Gegenteil einer Friedensordnung“.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibe dennoch: Wenn die derzeitigen Machtverhältnisse durch Wirtschaftskrisen und Kriege völlig erschöpft seien, werde ein neues Modell, das eines kontinentalen Europas, „mehrheitsfähig sein“, ist Zeitz überzeugt. Möge er recht behalten.