„Auch 'Bürgerliche' sind anfällig für schmutziges Geld“
Der ehemaligen EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili und drei weiteren Beschuldigten werden Geldwäsche, Korruption und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. FREILICH hat mit Markus Buchheit über den jüngsten Korruptionsskandal im EU-Parlament gesprochen.
FREILICH: Herr Buchheit, was halten Sie von der Kompetenz des EU-Parlaments bezüglich der Korruptionsbekämpfung?
Markus Buchheit: Das ist natürlich eine Frage, die besonders in den letzten Wochen eine gewisse Brisanz bekommen hat. Vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Bestechungsskandale rund um Pier-Antonio Panzeri, Eva Kaili, ihren Partner Francesco Giorgi und den belgischen Abgeordneten Marc Tarabella, der stellvertretender Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel ist, scheint es mir schwer zu glauben, dass das Europäische Parlament eine Art „Insel der Seligen“ in den Bestechungssümpfen Europas darstellt.
Wir haben – bildlich gesprochen – rund um das Parlamentsgebäude eine gigantische Anzahl von Lobby-Firmen und Lobbyisten, die versuchen, Abstimmungs- und andere Entscheidungen beispielsweise in Ausschüssen zu beeinflussen. Dahinter stehen große Firmen, Lobbygruppen, Stakeholder und so weiter. Laut Schätzungen etwa von Transparency International versuchen rund um die EU-Institutionen mehr als 37.000 Lobbyisten Einfluss auf die EU-Parlamentarier zu gewinnen und Gesetzgebungsverfahren sowie andere Entscheidungen in ihre gewünschte Richtung zu lenken. Man muss sich das vor Augen halten: Circa 50 Lobbyisten kommen dabei auf jeden EU-Abgeordneten! Ich bin mir sicher, dass wir mit den aktuellen Ermittlungen erst die Spitze eines Eisberges sehen. Das wird noch interessant.
Panzeri ist Sozialist, Eva Kaili ist Sozialdemokratin, Francesco Giorgi dürfte auch politisch links beheimatet sein – er hat sich ja in der von Panzeri gegründeten Nichtregierungsorganisation „Fight Impunity“ engagiert – und Tarabella ist belgischer Sozialist. Woran liegt's, dass die Linken mit der Korruption zu kämpfen haben?
Ich würde diese ungute Eigenschaft nicht vorwiegend nur der Linken ans Revers heften wollen. Der Masken-Skandal im Bayerischen Landtag und auch die Verwicklung von bundesdeutschen Unions-Bundestagsabgeordneten in die Maskenbeschaffungsaffären zeigen ja, dass auch die sogenannten „Bürgerlichen“ anfällig für schmutziges Geld sind. Sicher profitieren diese Leute dabei aber auch von einer Anständigkeitsvermutung, mit der man die früheren Christdemokraten und Christlich-Sozialen vielleicht gerne etikettierte. Bei den Linken ist das etwas anderes. Ich denke dass die europäische Linke nichts mehr zu sagen hat. Das heißt, sie hat ihre originären Botschaften und ideologischen Inhalte längst an die veränderte Wirklichkeit anpassen oder besser noch: abgeben müssen. Klassenkampf ist obsolet geworden angesichts der extremen sozialen Verbesserungen insgesamt, jetzt steht die Migration, die vermeintliche Gerechtigkeit zwischen den Völkern und Geschlechtern auf der linken Agenda. Oder der Schutz lauter, aggressiver Minderheiten und des Klimas, was ganz nebenbei ja auch ein riesiges Geschäftsfeld darstellt. Wenn es also nicht mehr um die sozialen Fragen geht, dann kann man sich als arrivierter Linker, der im Politikbetrieb pseudo-wichtig geworden zu sein vermeint, auch schonmal an das „dolce Vita“ des fett alimentierten, von Lobbygruppen umworbenen Entscheidungsträgers gewöhnen.
Was muss jetzt passieren?
Ganz klar: schonungslose Aufklärung in alle Richtungen und gnadenloses Abstrafen der Schuldigen. Das ist das erste. Da darf auch nicht vor Frau von der Leyen haltgemacht werden, denn die verweigert bisher jede Aussage zu ihrer „verschwundenen“ SMS an den Pfizer-CEO über den 1,8 Milliarden-Impf-Deal. Da ist noch richtig Musik drin. Die Machenschaften dieser Person müssen endlich ans Tageslicht gebracht werden.
Dann müssen die genauen Rollen nichtstaatlicher Organisationen und anderer Interessenvertreter in allen Gesetzgebungsverfahren überprüft werden. Der Änderungsantrag der ID-Fraktion, der AfD und FPÖ angehören, nämlich in der Parlamentsarbeit nach dem Katar-Bestechungsskandal endlich ein deutlich höheres Transparenzniveau herbeizuführen, wurde übrigens bezeichnenderweise von allen andren Fraktionen des EU-Parlaments von der Volkspartei bis zur Linken abgelehnt. Wir müssen davon ausgehen, dass das Geschwätz von der „Transparenz“ bei den Bürgerlichen, den Grünen, den Liberalen und Roten im Europäischen Parlament Geschwätz bleiben wird. Diese Leute haben keine Angst vor einer Neid-Debatte, wenn sie ihre exorbitanten Alimentierungen aus dem europäischen Steuertopf offen legen müssen, die haben Angst davor, aufzufliegen. Das ist jedenfalls meine Vermutung.
Herr Buchheit, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Markus Buchheit, 1983 in Zweibrücken geboren, studierte Rechts- und Politikwissenschaften unter anderem an der Universität Bayreuth. In jungen Jahren engagierte sich Buchheit bei der Jungen Union und der CSU, ehe er 2016 der AfD beitrat. Seit 2019 ist er im Europäischen Parlament vertreten und Mitglied in mehreren Ausschüssen.