Brandmauer in Sachsen bröckelt: Renommierte CDU-Mitglieder fordern Gespräche mit der AfD
Nach dem guten Abschneiden der AfD in Sachsen und den bislang ergebnislosen Gesprächen zwischen CDU, SPD, Grünen und BSW mehren sich in der CDU die Stimmen, die einen Dialog mit der AfD fordern.
Dresden. – Bei den Landtagswahlen in Sachsen Anfang September ist die AfD zwar nicht wie in Thüringen stärkste Kraft geworden, aber mit 30,6 Prozent nur knapp hinter der CDU (31,9 Prozent) auf Platz zwei gelandet. Dennoch lehnte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine Zusammenarbeit mit der AfD strikt ab und führte stattdessen Gespräche mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), der SPD und den Grünen, die jedoch ergebnislos endeten. Nun mehren sich die Stimmen, auch mit der AfD zu sprechen.
„Müssen auch mit der AfD reden“
In einem offenen Brief fordern sechs prominente CDU-Mitglieder, darunter der ehemalige sächsische Landwirtschaftsminister Frank Kupfer und der ehemalige Justizminister Manfred Kolbe: „Wir müssen auch mit der AfD reden!“ Die Unterzeichner argumentieren, der Respekt vor den Wählern gebiete es, mit den Mandatsträgern der AfD zu sprechen, nachdem rund 30 Prozent der Sachsen bei der letzten Wahl für die Partei gestimmt hätten.
In dem Schreiben betonen die CDU-Mitglieder die Notwendigkeit einer „neuen politischen Kultur des Miteinanders“ und lehnen die Ausgrenzung der AfD ab, solange diese keine Gewalt anwende. Die CDU könne „als Partei der Mitte“ nicht dauerhaft nur mit Parteien links von sich koalieren, ohne ihre „freiheitliche und marktwirtschaftliche Identität“ zu gefährden. Zentrale Ziele der CDU, etwa in der Wirtschafts- und Energiepolitik, seien mit linken Parteien nicht durchsetzbar.
CDU müsse neue Mehrheiten suchen
Kupfer erklärte, dass es nach der Wahl darum gehe, eine neue Regierungsmehrheit zu finden. „Wir haben keine Mehrheit mehr und müssen uns nach anderen Mehrheiten umgucken“, sagte er mit Blick auf die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen.
Das sehen nicht alle CDU-Mitglieder so. Der Leipziger Landrat Henry Graichen warnte vor einer Zusammenarbeit mit der AfD und betonte, dass viele Mitglieder der Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnten. Auch der ehemalige nordsächsische Landrat Michael Czupalla distanzierte sich von dem offenen Brief und rief zur Geschlossenheit und Unterstützung des amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer auf.
Politikwissenschaftler zeigt Verständnis
Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt äußerte unterdessen Verständnis für die Verfasser des Briefes. Es schade der repräsentativen Demokratie, wenn Mitte-Links-Bündnisse einer nicht-linken Bevölkerungsmehrheit gegenübergestellt würden. Besonders problematisch sei es, wenn Politiker der Mitte nur mit Parteien links von sich kooperierten und den Dialog mit rechten Parteien wie der AfD verweigerten.