Deutschland: Wenn die linke Blase platzt

Sie ist deutlicher linker als ihre Vorgängerregierungen. Dank der Vorarbeit von Angela Merkel, der FDP als Steigbügelhalter und der Dauerpropaganda der Mainstreammedien haben es eine weit linksstehende SPD und die Grünen in die Regierung geschafft. Doch ihre Träume könnten platzen, noch bevor sie mit dem Umbau des Lande beginnen können.
Werner Reichel
Kommentar von
25.10.2021
/
4 Minuten Lesezeit
Deutschland: Wenn die linke Blase platzt

Foto: Stephan Röhl (Heinrich-Böll-Stiftung from Berlin, Deutschland, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Sie ist deutlicher linker als ihre Vorgängerregierungen. Dank der Vorarbeit von Angela Merkel, der FDP als Steigbügelhalter und der Dauerpropaganda der Mainstreammedien haben es eine weit linksstehende SPD und die Grünen in die Regierung geschafft. Doch ihre Träume könnten platzen, noch bevor sie mit dem Umbau des Lande beginnen können.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Energiepreise steigen auf Rekordniveau, Strom und Gas drohen für Kleinverdiener zum Luxusgut zu werden. Mit der Energie verteuern sich auch Nahrungsmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs. Düngemittel sind mittlerweile, sofern überhaupt noch vorhanden, aufgrund ihrer energieintensiven Herstellung für Landwirte unerschwinglich geworden. Selbst bei der Lebensmittelversorgung könnte es mittelfristig zu Engpässen kommen. Unsere hochentwickelte und stark vernetzte Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, die bisher scheinbar so reibungs- und problemlos, quasi wie von selbst funktioniert hat, wird aufgrund jahrelanger verfehlter Politik zunehmend dysfunktional. Überall tauchen „plötzlich“ Probleme, Schwachstellen und Mängel auf.

Das gilt auch für die Energieversorgung. Dass Strom und Gas rund um die Uhr in immer ausreichender Menge und zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen, könnte, wenn die letzten Atomkraftwerke im Laufe des kommenden Jahres vom Netz genommen werden und die CO2-Abgaben weiter nach oben schießen, schon bald nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten sein.

Wirtschaftsstandort Deutschland

Für immer mehr Industrie- und Wirtschaftszweige wird Deutschland als Standort unattraktiv. Es drohen Pleiten, Abwanderung, Arbeitslosigkeit, die Belastungen für den Umverteilungsstaat werden immer größer. Jene Wirtschaftszweige, die von den hohen Energie- und Produktionskosten weniger betroffen sind, haben andere Probleme. Neben Lieferengpässen ist das vor allem der Mangel an Fachkräften. Sie finden kaum noch geeignete Mitarbeiter. „Die Welt“ titelte vor wenigen Tagen: „Unternehmen aller Branchen finden derzeit weder Fachkräfte noch Azubis“ Deutschland hat zwar in den letzten Jahren mehrere Hunderttausend Menschen mit offenen Armen aufgenommen, qualifizierte und leistungswillige waren aber kaum darunter. Stattdessen treiben sie das Sozialsystem an seine Belastungsgrenzen. Weitere Hunderttausende Unqualifizierte wollen kommen. Sie drängen derzeit von mehreren Seiten ins Land und die künftige Regierung wird sie nicht an der Einwanderung hindern. Als hätte man aus den vergangen Jahren nichts gelernt, fordern auch Vertreter der Wirtschaft mehr Zuwanderer. Dabei machen Leistungsträger und Fachkräfte seit langem ein Bogen um das Hochsteuerland.

All diese Probleme und deren Folgen scheinen weder die künftige Linksregierung noch die Mainstreammedien zu interessieren. Diese bedrohlichen, sich gegenseitig verstärkenden Fehlentwicklungen werden in der Blase, in der das politmediale Establishment und jene, die an es glauben, leben, nur gedämpft wahrgenommen, Man empfindet sie bestenfalls als Zumutung, die zwar lästig, aber nicht von Bedeutung ist.

Enorme Herausforderungen

Man will damit nicht behelligt werden, reagiert zynisch bis abwertend auf Mahner und Kritiker. Ein WDR-Redakteur in einem Kommentar in der ARD-Tagesschau: „Er ist da, der Preisschock. (…) Nur, wenn Öl und Gas spürbar teurer werden, kriegen wir die Erderwärmung in den Griff.“ Angesprochen auf die steigenden Energiepreise antwortete SPD-Politikerin und EU-Vizepräsidentin Katarina Barley bei „Hart aber fair“: „Die Kilowattstunde, die ich nicht verbrauche, ist am billigsten.“ Soll heißen: Dann friert die Unter- und zunehmend auch die Mittelschicht eben für die von den Linken imaginierte Weltrettung. Während es der rotgrüne Politadel und seine Günstlinge auch im kältesten Winter warm haben.

Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, doch die künftige Regierung scheint schlicht und einfach keine Lust zu haben, auf sie zu reagieren. Man hat lange auf das Ziel hingearbeitet, die Regierung zu übernehmen, um die Gesellschaft in ein kollektivistisches Multikulti-Ökoparadies zu verwandeln, dass man sich nicht von Inflation, Versorgungsengpässen, drohenden Blackouts, sozialen Unruhen und anderen „Banalitäten“ aufhalten lassen möchte. Die realen Verhältnisse haben Sozialisten noch nie interessiert, sie leben und denken in utopischen Kategorien.

Diesen Eindruck bestätigt das vorläufige Abkommen der Ampel-Parteien. In der 12-seitigen Absichtserklärung, die eine Grundlage für die Koalitionsverhandlungen ist, wird auf keines der oben angeführten Probleme eingegangen, stattdessen träumt man von einer rosigen Zukunft, vom linken Umbau des Landes und der Rettung des Planeten. Sie wissen zwar nicht, wie das konkret funktionieren, wer die Lasten übernehmen und es finanzieren soll, aber ihre bunte Utopie haben sie klar vor Augen.

SPD und Grüne fühlen sich nur für die Vision, die Errettung der Menschheit, nicht für die konkrete Umsetzung zuständig. Das Sondierungs-Papier ist eine Aneinanderreihung linker Phrasen, Leerformeln, Stehsätze, Ankündigungen und Heilsversprechen mit religiös-missionarischem Touch: „Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden. (…) Wir wollen für gute Lebensbedingungen in Stadt und Land sorgen. (…) Wir müssen die Klimakrise gemeinsam bewältigen. Darin liegen auch große Chancen für unser Land und den Industriestandort Deutschland (…) Wir wollen Sicherheit im Wandel schaffen.“ Und so weiter und so fort.

Keine Konzepte für wichtige Zukunftsfragen

Die entscheidenden Zukunftsfragen, jene, die die Bürger tatsächlich interessieren, werden ausgeklammert, ignoriert. Beim Lesen des Papiers drängt sich der Verdacht auf, dass das, was in dem Abkommen steht, tatsächlich alles ist, was diese Koalition intellektuell, fachlich, politisch und strategisch aufzubieten hat. Hinter den Phrasen und Versprechungen ist nur Leere.

Es gibt keine Konzepte, ausgefeilte Strategien oder halbwegs realistische Vorstellungen, wie man die rotgrünen Träume finanzieren will, nicht einmal ein Bewusstsein für jene Probleme, die Deutschland gerade Richtung Abgrund ziehen.

Politiker wie Baerbock, Kühnert oder Esken haben ihr gesamtes (Politiker-)Leben in einer Blase verbracht. Sie verwechseln sie deshalb und aufgrund ihrer Größe – sie umspannt den Großteil der politischen und medialen Sphäre , die gesamte Kunst und Kulturbranche, große Teile der Wissenschaft der Wirtschaft und weite Teile der Wählerschaft –mit der Realität.

Es ist aber nur ein Konstrukt, eine Blase, die nur durch eine hauchdünne Membrane von der Realität getrennt ist. In ihr, bewegen sich Habeck, Baerbock und Walter-Borjans sicher und souverän. Denn in dieser Sphäre bestimmen sie und ihresgleichen die Regeln, Deutungen, Gesetzmäßigkeiten und Abläufe. „Es besteht ein so großer Unterschied zwischen dem, was das Leben ist, und dem, was es sein sollte, dass der, der das Erste vernachlässigt und sich nur nach dem Letzen richtet, sich eher den Untergang schafft“, schrieb bereits im frühen 16. Jahrhundert Niccolo Machiavelli.

Politiker wie Kühnert oder Baerbock orientieren sich ausschließlich daran, wie das Leben sein sollte. In ihrer Blase sind die drängendsten Probleme und Herausforderungen Minderheiten(sonder)rechte , Klimawandel, gendergerechte Sprache, Kampf gegen rechts etc. Das sind Themen und Fragestellungen, mit denen sie sich auseinandersetzen wollen und können. Etwas anderes haben sie nie gelernt, verstehen sie auch nicht. Geld für ihre Pläne hat einfach da zu sein, notfalls druckt man es nach.

Auch der Strom kommt für sie aus der Steckdose, selbst wenn man die Atomkraftwerke verschrottet und durch Windräder, die Totempfähle der Grünen, ersetzt. Das komplexe System der Energieversorgung ist für sie ein Mysterium bzw. eine Black Box, wie etwa Baerbock mit ihrer Bemerkung über das Stromnetz als Stromspeicher eindrucksvoll bewiesen hat.

Energie, Wohlstand, Gesundheitsversorgung, Sicherheit etc. sind für diese Menschen einfach vorhanden. Sie machen sich keine Gedanken darüber, wie ein Gesellschaftssystem funktioniert, sondern nur wie man sie umbauen kann.

Nicht die Lösung, sondern das Problem

Das könnte SPD, Grünen und der FDP als Beitragstäter zum Verhängnis werden. In dem Moment, wo sie – dank der Vor- und Aufbauarbeit von Angela Merkel sich am Ziel wähnen, endlich alle Schalthebel der Macht in Händen halten, könnte die Realität mit voller Wucht über sie hereinbrechen. Statt der Rettung des Planeten könnte schon bald die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung und soziale Unruhen auf der politischen Tagesordnung stehen.

Noch können sie die dunklen Wolken ignorieren, zumal sie dabei von den Mainstreammedien unterstützt werden. Wenn sich aber immer mehr Bürger ihre Leben nicht mehr leisten können, wenn immer mehr Unternehmen pleitegehen oder abwandern und die Steuereinahmen wegbrechen, ist alles, woran die Grünen und die SPD glauben und arbeiten Makulatur. Wer nicht mehr weiß, wie er finanziell über die Runden kommen soll, kann nicht mehr nicht mehr für Gender, Welcome Refugees, CO2 und Lastenfahrräder begeistert werden, der hat echte Probleme,

Dann werden die Bürger erkennen müssen, dass die Politiker, die sie gewählt haben, nicht die Lösung, sondern das Problem sind.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Werner Reichel

Werner Reichel

Werner Reichel war rund 20 Jahre im Rundfunk tätig, unter anderem als Programmchef und Geschäftsführer mehrerer Radiosender sowie als Lektor an der FH Wien. Er ist Autor und Verleger.

Kann FREILICH auf Ihre Unterstützung zählen?

FREILICH steht für mutigen, konservativ-freiheitlichen Journalismus, der in einer zunehmend gleichgeschalteten Medienlandschaft unverzichtbar ist. Wir berichten mutig über Themen, die oft zu kurz kommen, und geben einer konservativen Öffentlichkeit eine starke Stimme. Schon mit einer Spende ab 4 Euro helfen Sie uns, weiterhin kritisch und unabhängig zu arbeiten.

Helfen auch Sie mit, konservativen Journalismus zu stärken. Jeder Beitrag zählt!