Die Pläne der neuen Bremer Linksregierung – eine Analyse

Vor wenigen Tagen haben sich SPD, Grüne und Die Linke nach dreiwöchigen Verhandlungen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Nachdem die Koalition fortgeführt wird, kann auch von einer Weiterführung der bereits bekannten Politik ausgegangen werden.

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Die Pläne der neuen Bremer Linksregierung – eine Analyse

Andreas Bovenschulte

© IMAGO / photothek

Das kleine Bundesland Bremen ist nicht gerade dafür bekannt, dass es häufig in den Mittelpunkt des politischen Alltags rückt. Dennoch sind ein paar Dinge jedermann bekannt: Bremen ist hochverschuldet, die PISA-Werte sind unterirdisch und die Landesregierungen werden seit dem Bestehen der Bundesrepublik durch die SPD angeführt. Auch nach der diesjährigen Wahl am 14. Mai wird die SPD erneut die Geschicke des kleinsten Bundeslandes in den Händen halten.

Zahlen und Fakten

Bei der Bürgerschaftswahl erreichte die SPD 29,8 Prozent der Stimmen und konnte sich mit ihrem Stimmenzuwachs von 4,9 Prozentpunkten wieder vor der CDU platzieren. 2019 gelang der CDU zwar das Unerwartete: Sie verdrängt zum ersten Mal in der bremischen Geschichte die SPD knapp vom ersten Platz, sie konnte jedoch keine Koalition gegen die Sozialdemokraten bilden. Von 2019 bis 2023 regierte die erste und einzige rot-grün-rote Koalition in Westdeutschland. Eben diese Koalition konnte ein weiteres Mal eine deutliche Mehrheit erringen. Von 87 Bürgerschaftssitzen entfielen 48 auf SPD, Grüne und Linkspartei.

Das „Weiter so!“ des rot-grün-rote Senats

Da sich die Koalitionsparteien in der neuen Landesregierung (dem Senat) zur vergangenen Landesregierung nicht unterscheidet, kann von einer Weiterführung der bereits bekannten Politik ausgegangen werden. Doch welche politischen Akzente hat der Bremer Senat in der vergangenen Legislaturperiode gesetzt? Was davon wird fortgeführt?

Als besonderer Aufreger kann die Verkehrspolitik genannt werden. Da die Grünen in den vergangenen vier Legislaturperioden über die Verkehrsangelegenheiten bestimmen konnten, wurde ein deutlicher Ausbau grüner verkehrspolitischer Vorstellungen vollzogen. Dazu gehört das bereits 2017 begonnene Projekt der sogenannten „Rad-Premiumrouten“. Der Bremer Senat möchte mit dem Ausbau ausgewählter Radwege eine Art „Fahrrad-Schnellstraßen-Netz“ ermöglichen und hatte in der Vergangenheit hierfür 20 Millionen Euro veranschlagt. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass diese kalkulierten Kosten nicht eingehalten werden können.

Allein der Umbau des „Wallrings“, also des Straßenrings rund um die Bremer Innenstadt, wird voraussichtlich 3,5 Millionen Euro mehr kosten als zuvor geplant. Darüber hinaus wurde dort die Zweispurigkeit für Autos durch eine einzelne Spur für Autos und eine für Fahrradfahrer umgebaut – die typische grüne Verkehrspolitik auf Kosten der PKW-Fahrer.

Des weiteren einigten sich die Parteien im Koalitionsvertrag auf ein klimaneutrales Bremen bis 2038. Hierfür sollen nicht nur Förderprogramme ausgebaut werden, sondern auch „eine öffentlichkeitswirksame Kampagne (ähnlich der Corona-Impfkampagne) zur Sensibilisierung und Aufklärung über die notwendigen klimapolitischen Maßnahmen entwickel[t]“ werden. Die rot-grün-rote Klimapolitik soll nicht nur politisch umgesetzt, sondern auch propagandistisch begleitet werden.

Das große Feld „Migration und Ausländer“

Neben der Klima- und Umweltpolitik steht auch das Thema „Migration“ ganz weit oben auf der Agenda der linken Koalition. Alle drei Parteien sind sich einig, dass „das Bundesland Bremen von jeher geprägt von Zuwanderung, gesellschaftlicher Vielfalt und von Menschen mit Wurzeln in den verschiedensten Ländern der Welt [ist]“ und wollen sich beispielsweise im Bundesrat für das Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer einsetzen, wenn diese seit mehr als fünf Jahren ihren dauerhaften Wohnsitz in der Bundesrepublik vorweisen.

Natürlich darf das linke Totschlagargument „Antidiskriminierung“ nicht fehlen. Daher lesen wir im Koalitionsvertrag „Rassismus, Antisemitismus, Rom*nja- und Sinti*zzefeindlichkeit, antimuslimischer oder anti-schwarzer Rassismus haben keinen Platz in Bremen und Bremerhaven.“ Der politische Feind, der dies alles zu verantworten hat, ist auch schnell gefunden: „Der zunehmenden rechten Gewalt und Hetze treten wir entschieden entgegen.“

„Antidiskriminierung“ als Versorgungsposten des linken Vorfelds

Selbst die dem SPD-Innensenator Ulrich Mäurer unterstellte Behörde namens „Landesamt für Verfassungsschutz“ rechnete von 2020 bis 2022 34 Gewalttaten dem rechten Spektrum und 66 dem linken Spektrum zu. Darüber hinaus lag 2022 den Angaben des „Verfassungsschutzes“ nach das gewaltorientierte Personenpotenzial im rechten Spektrum bei ca. 90, im linken Spektrum bei ca. 240 Personen. Die Mär von der angeblich großen „rechten Gefahr“ steht zwar auf wackeligen Füßen, dennoch wird sie als wichtige Begründung der eigenen „Antidiskriminierungspolitik“ nutzbar gemacht. So fordert die Koalition einen „Landesaktionsplan gegen Rassismus“ und will „mit zivilgesellschaftlichen Initiativen weitergehende Bedarfe und mögliche Maßnahmen identifizieren“.

Darüber hinaus soll Bremen „weiterhin die gute Arbeit der Beratungsstelle für Opfer rechter und rassistischer Gewalt, SoliPort, und des mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Bremen und Bremerhaven fördern, eine Anhebung und Verstetigung der Mittel prüfen“. Das heißt konkret, dass linke Vereine und Organisationen mit staatlichen Geldern versorgt werden. Einerseits wird sich an dem Feindbild „rechts“ abgearbeitet und andererseits bekommt ein Teil der linken Szene ihren Versorgungsposten.

Folgerichtig erwähnt der Koalitionsvertrag nicht einmal die politische Linke beziehungsweise den Extremismus der linken Szene, obwohl sich dieser stetig durch, Vandalismus, Brandstiftung oder Gewalttaten auszeichnet. Auch die Gefahr des Islamismus wird mit keinem Wort erwähnt. Wichtiger scheint der Linkskoalition die Aufrechterhaltung von historischer Schuld. Sie fordert „die Kunst im öffentlichen Raum [zu] stärken und durch weitere Mittel [zu] unterstützen. Die Kunst im öffentlichen Raum verknüpft sich immer mehr mit aktuellen Themen der Erinnerungskultur.“

Heißt im Klartext: Der staatlich geförderte Kunst- und Kulturbetrieb soll als linkspolitisiertes Vorfeld weiter gestärkt werden. Als besonders wichtige Themen werden „Kolonialismus, NS-Unrecht, Kriegs- und Gewaltverbrechen“ genannt. In diesem Kontext soll ein „queere[r] Erinnerungsort“ eingerichtet werden und im Zuge des Antikolonialismus die Umbenennung von als kritisch eingestuften Straßennamen weiter gefördert werden.

Das Problem „Hauptbahnhof“

Für viele Bremer ist der Hauptbahnhof samt Bahnhofsvorplatz der Innenbegriff für Bremens gescheiterte Innenpolitik. Der Bahnhof wird nicht nur als Gefahrenort angesehen, sondern auch als vermüllt und unattraktiv wahrgenommen. Dies wird durch die ständige Präsenz von Drogendealern sowie -konsumenten nicht gerade verbessert. Wirklich hart durchgreifen will der neue Senat aber weiterhin nicht. Die Antwort soll die Einstellung von Straßensozialarbeitern oder die Erweiterung der Öffnungszeiten für den Drogenkonsumraum in der Nähe des Bahnhofes sein. Zwar soll die dauerhafte Präsenz von Polizeikräften rund um den Bahnhof stattfinden, aber das bisherige Vorgehen gegen Drogenkriminalität lässt nicht erahnen, dass ein notwendiges hartes Durchgreifen zu erwarten ist.

Ausgleich zwischen linker Sozialpolitik und bürgerlichem Ökologismus

Sowohl die Linkspartei als auch die dem linken Flügel zuzurechnende SPD können auch davon profitieren, dass sie sich als soziale und kümmernde Parteien darstellen können. Aus diesem Grund fordert der Koalitionsvertrag eine Erhöhung des Mindestlohns, eine „sozial gerechte Steuerpolitik […], bei der starke Schultern mehr beitragen als schwächere“ und einen Inflationsausgleich beim Bürgergeld und der Grundsicherung.

Der Erfolg der Sozialdemokratie und Grünen lässt sich unter anderem mit dem Fokus auf der sozialen Frage beantworten. Die Bremer sind durch und durch sozial geprägt und in einkommensschwachen Stadtteilen (beispielsweise in der Vahr oder Gröpelingen) waren daher die Wahlergebnisse für die SPD überdurchschnittlich hoch.

Interessanterweise konnte die Linkspartei früher ebenfalls in einkommensschwachen Regionen punkten, mittlerweile hat sich das Wählerklientel verschoben und ihre Hochburgen liegen in den zentrumsnahen, studentisch-bürgerlichen Regionen wie der Neustadt oder dem sogenannten „Viertel“.

Die Grünen schaffen es zwar ebenfalls in diesem Milieu starke Ergebnisse zu erzielen, erweitert ihr Wirkungskreis jedoch noch stärker in klassisch bürgerliche Stadtteile wie das gutbetuchte Schwachhausen.

Resümee

  1. Die drei linken Parteien verstehen es, verschiedene Wählergruppen anzusprechen und sich gegenseitig zu unterstützen. Der stetige Wahlerfolg gibt ihnen Recht.

  2. Sie haben die Relevanz des linken Vorfelds als Teil ihrer politischen Arbeit erkannt und erweitern die finanzielle Unterstützung.

  3. Sie bedienen die von der mit linksliberaler Weltanschauung durchdrungenen Bremer Bevölkerung geforderte Politik.

  4. Die jahrzehntelange Dominanz der SPD wird auch in Zukunft die sozialdemokratische Verkrustung in den Behörden festigen – ein weiterer wichtiger Bestandteil für die Machtsicherung der SPD, welche nicht öffentlich sichtbar wird.

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