Europawahl-Versammlung der AfD: Die Partei muss klug wählen!
An den kommenden beiden Wochenenden will die AfD ihre Kandidaten für die Europawahl nominieren. Mehr als 50 Bewerber haben sich bereits angemeldet – die Partei muss klug auswählen, um die richtigen Kandidaten nach Brüssel zu schicken, meint der stellvertretende FREILICH-Chefredakteur Bruno Wolters.
Aufstellungsparteitage in der AfD sind immer spannende Ereignisse: Während im Vorfeld der Veranstaltung die Atmosphäre in der Partei immer mehr knistert und sich einzelne Akteure zu größeren Gruppen zusammenschließen, sich also regelrechte Bündnisse entwickeln, versiegt die sonst so große Lust der AfD-Akteure, sich radikal und überspitzt zu äußern. Man will ja nichts Falsches von sich geben – nur nichts Unbedachtes in ein Mikrofon sagen oder auf Facebook etwas fordern, was die eigene Kandidatur für einen Listenplatz gefährden könnte! Das ist die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.
Doch der Bundesparteitag in Magdeburg an den kommenden beiden Wochenenden fällt aus dem Rahmen. Seit Monaten brodelt es in der Partei. Vor allem zwei Lager, die sich um jeweils zwei Europapolitiker gruppieren und deren Konflikt teilweise mit Angriffen unter der Gürtellinie ausgetragen wird, sorgten immer wieder für Aufmerksamkeit. Korruptionsvorwürfe, Erpressungsversuche, anonyme Diffamierungsschreiben und billige Beleidigungen und Unterstellungen füllten unzählige Twitter-Kanäle und Facebook-Gruppen, in denen sich die Anhänger auf den Kampf in Magdeburg einstimmten.
Die Ruhe vor dem Sturm
Allerdings schien der Streit schon im Vorfeld etwas vorentschieden, als sich ein führender Vertreter der beiden verfeindeten Lager in einer Rede vor Parteikollegen derart im Ton vergriff, dass sich selbst die eigenen Verbündeten schnell distanzierten. Politik ist eben schmutzig und einer muss verlieren. Für den Wähler und Patrioten, der das Beste für sein Land will, sind diese theatralischen Auftritte eher schrecklich. Es steht viel auf dem Spiel. Ein Platz in Brüssel und Straßburg bedeutet jedoch vor allem eine großzügige finanzielle Absicherung für fünf Jahre – durchaus attraktiv. Vor allem für AfD-Politiker, die in den vergangenen Jahren ihre politische Karriere ungeplant beenden mussten, weil sie den Wiedereinzug ins Parlament nicht schafften. Jetzt suchen sie ihr Glück in Brüssel.
Abseits dieses Spektakels haben sich aber auch einige AfD-Akteure, die ebenfalls für das Europaparlament kandidieren wollen, sehr aktiv gezeigt – und sich nicht an diesem Konflikt beteiligt. Nimmt man sich die Zeit, diese Personen genauer unter die Lupe zu nehmen, kann man sich als Wähler durchaus freuen. In der AfD hat sich eine neue rechte und junge Politikergeneration zusammengefunden, die immer weiter nach oben strebt und dabei nicht mit platten Sprüchen und idiotischen Ideen, sondern mit klugen Analysen und erfrischenden Visionen auf sich aufmerksam macht.
Eine neue Generation ist angekommen
Vor allem drei Namen von Bewerbern um einen Listenplatz in Magdeburg sind in den letzten Tagen vermehrt im Buschfunk zu hören: Tomasz M. Froelich (34), René Aust (36) und Dimitrios Kisoudis (42). Die drei sind für politisch Interessierte keine Unbekannten, denn sie sind schon lange in der Politik aktiv. Sie kennen das Geschäft. Sie unterscheiden sich aber auch von vielen anderen, vor allem älteren Kandidaten: Sie sind alle belesen, kennen sich in der politischen Theorie aus und agieren dementsprechend mit der nötigen Souveränität, einer Prise Eigenständigkeit und einer gehörigen Portion Gelassenheit. Sie repräsentieren demnach einen neuen Politikertypus.
Im Gegensatz zu anderen fällt dieser Typus nicht durch „Knalleffekte“ in Interviews oder sozialen Medien auf, um Aufmerksamkeit und Popularität zu generieren. Er äußert sich radikal, aber immer pointiert und wohldosiert. Trotz seines intellektuellen Hintergrunds ist er in der Lage, schwierige Inhalte in einfache und verständliche Worte zu fassen. Charisma und die nötige Menschlichkeit runden sein Auftreten ab. Und vor allem: Er ist ein Teamplayer. Eine wohltuende Abwechslung zum ansonsten oft anzutreffenden AfD-Politiker: männlich, über 60, der seine unpolitische Jugend (da war schließlich „noch alles in Ordnung“ und man konnte sich nur auf den Job konzentrieren) nun im hohen Alter mit unprofessioneller Radikalität und Rücksichtslosigkeit wieder gut machen will – auf Kosten seiner Kollegen, die unter diesem Verhalten leiden müssen.
Die richtige Wahl wird große Konsequenzen haben
Es ist also in gewisser Weise auch ein Generationenkonflikt. Auf der einen Seite die sogenannten Babyboomer, die noch in stabilen Verhältnissen aufgewachsen sind, die nicht sie, sondern ihre Eltern in der alten Bundesrepublik geschaffen haben, gegen die Millennials, die nach der Wende 1989 erwachsen geworden sind und nun die Folgen der Kleinbürgermentalität ihrer Vorgänger ausbaden müssen. Es ist nicht zu weit hergeholt zu behaupten, dass wir in der gegenwärtigen „Konvergenz der Krisen“ (Benedikt Kaiser) eher den beschriebenen jungen Politikertyp brauchen als die in ihrem Denken kristallisierten ergrauten Herren. Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich braucht es auch die Älteren. Die so genannte Altersweisheit ist keineswegs nur eine Erfindung der Älteren zur Disziplinierung der Jüngeren, sondern durchaus hilfreich.
Aber im 21. Jahrhundert ticken die Uhren anders, das Koordinatensystem der westextremen BRD unterscheidet sich immer mehr von dem der alten BRD. Wir brauchen frische, junge Politiker in den Mandaten, die mit Visionen und Tatkraft die gute Sache voranbringen. Das Europaparlament kann dafür der richtige Ort sein – auch wenn manche das Europaparlament immer als unwichtig bezeichnen, werden Brüssel und Straßburg immer wichtiger werden. Denn eines ist sicher: Nicht ein „Europa der Vaterländer“, sondern nur ein geeintes und identitäres Europa kann die bestehenden und kommenden Krisen lösen.
Das Europäische Parlament kann dabei der Nukleus für die notwendige europäische Vernetzung sein – deshalb müssen hier auch die richtigen Personen an den Schalthebeln sitzen. Der AfD ist zu wünschen, dass sie in den kommenden Tagen die richtigen Kandidaten auswählt. Es wäre eine vertane Chance, weitere fünf Jahre unsichtbare Abgeordnete ins Europaparlament zu schicken, die im schlimmsten Fall – wie so oft – die Partei verlassen.